Viktor Giacobbo

Künstlervermittler, Theaterchef und TV-Satiriker: An Viktor Giacobbo führt in der Kleinkunstszene kein Weg vorbei. Das schafft Missgunst: Marco Rima spricht von einem Klüngel, der auf andere Humoristen hinunterscheisst. Für Giacobbo absurde Vorwürfe.

Herr Giacobbo, Marco Rima findet, Sie würden gewisse Kabarettisten protegieren, andere wie ihn oder das Komiker-Duo Divertimento dagegen ignorierten Sie.

Marco Rima hat mittlerweile seine Aussagen zurückgezogen und wir haben uns freundschaftlich ausgesprochen. Jemand hat ihm gegenüber behauptet, ich hätte gesagt, nachdem wir alle Schweizer Topkomiker in der Sendung gehabt hätten, müssten wir auf deutsche ausweichen. Doch ich habe so etwas Idiotisches nie gesagt.

Er sagte auch, Sie stünden für einen «Klüngel, der sich gegenüber allen anderen Humoristen abschottet und auf die hinunterscheisst, die näher bei den Leuten sind». Wie weit reicht das Machtnetz von Viktor Giacobbo?

Dieser «Klüngel»-Vorwurf kommt alle Jahre wieder, seit es das Casinotheater gibt. Einmal im «Facts», einmal «die Weltwoche» und jetzt kommen Sie damit. Nur: keiner konnte diesen absurden Vorwurf erhärten. Ich wäre der dümmste Mafiaboss, weil ich stets nur zahle und nichts daran verdiene. Beim Casinotheater muss ich noch 50 Jahre Verwaltungsratspräsident bleiben, bis ich zurückerhalte, was ich dort reingesteckt habe.

Trotzdem haben Sie doch ein Interesse daran, die Künstler, die im Casinotheater Winterthur auftreten, möglichst gut in Ihrer Sendung zu promoten.

Im Casinotheater bin ich nicht Programmdirektor. Dort läuft vieles, das nie in unsere Sendung passen würde. Haben Sie wirklich das Gefühl, wir wählen die Künstler aus, weil wir denken: «Ou, damit verkaufen wir mehr im Casinotheater?» Trauen Sie mir das in allem Ernst zu? Die Redaktion würde sich das doch nie bieten lassen. Das Casinotheater ist nun mal ein Ort, wo viele Komiker spielen. Es gab bei der Planung unserer Sendung auch die Idee, sie statt im Kaufleuten im Casino zu produzieren. Dagegen habe ich mich vehement gewehrt, gerade um mögliche Konflikte zu vermeiden,

Sie haben soeben Ihren Einflussbereich ausgeweitet und sind nun auch VR-Präsident von Moonsticker.com, einem Onlineportal, das Künstler vermittelt.

Dort habe ich meinen Zahlungsbereich erweitert! Für Moonsticker.com habe ich erst einmal Geld locker machen müssen. Einfach weil ich die Idee gut finde und das Projekt eben gerade nicht mafiös ist. Sondern im puren Gegenteil, weil es alle Mafia-Strukturen, die es geben könnte, unterläuft. Denn alle Künstler haben auf dieser Plattform freien Zugang – das ist ja gerade die Grundidee.

Sie sehen also keinen Konflikt zwischen Ihrer Rolle beim Fernsehen und jener als Künstlervermittler?

Nein, denn ich bin kein Künstlervermittler. Bei Moonsticker besitze ich eine Aktie und habe meinen Namen für den VR hergegeben und übrigens noch an keiner einzigen Sitzung teilgenommen. Moonsticker ist doch – genau wie das Casinotheater – eben gerade nicht dafür da, um Leute zu verhindern, sondern um sie zu fördern.

Was in Ihrer Sendung auffällt: Kabarettisten, die Ihnen nahe stehen – Ursus & Nadeschkin, Andreas Thiel und Lorenz Kaiser – erhalten immer wieder Auftritte in «Giacobbo/Müller». Andere finden bei Ihnen nicht statt. Weshalb?

Wieso nennen Sie nicht die Künstler, die wir entdeckt und gefördert haben? Fabian Unteregger, David Bröckelmann, Michael Elsener und zahlreiche junge Autoren. Natürlich wollen viele Künstler zu uns in die Sendung, aber wir wählen diese halt aus, so wie das jede andere Redaktion auch tut.

In Ihrer vorletzten Sendung erhielten Ursus & Nadeschkin fünf Minuten Zeit, ihr neues Programm mit dem Symphonieorchester Camerata vorstellen. Lustig war’s nicht besonders, aber ein gelungener Werbespot für die beiden.

Gemäss Ihrer These hätte ich die ja verhindern müssen, weil sie mit dieser Produktion nicht im Casinotheater spielen… Dass Ursus & Nadeschkin bei uns aufgetreten sind, hatte einen einzigen Grund: Wir fanden die Idee toll, dass ein komplettes Symphonieorchester auf unserer kleinen Bühne auftritt. Im Übrigen brauchen die beiden keine Werbung. Wo sie auftreten, ist das Haus ohnehin immer voll. Hinzu kommt: Die Zuschauern fanden den Auftritt durchaus lustig. Am Ende der Sendung ist die Einschaltquote noch einmal in die Höhe geschnellt.

Sie haben mittlerweile eine Machtstellung in der Komikerszene, so dass an Ihnen kaum ein Weg vorbeiführt. Jene Künstler, die Sie nicht gut finden, haben es schwer.

Bei wem habe ich denn schon einmal etwas verbaut? Im Casino kann doch fast jeder Anfänger spielen. Nennen Sie mir ein anderes Theater in der Schweiz, bei dem das möglich ist. Nennen Sie mir andere Namen von Komikern, die junge Künstler fördern. Oder Marco Rima, der findet, «wir scheissen auf andere hinunter, die näher bei den Leuten sind» – ihn versuchen wir seit Jahren ins Casinotheater zu bringen. Doch er kommt leider nicht, weil er in den grossen Hallen mehr Zuschauer reinbringt – offenbar, um näher bei den Leuten zu sein.

Aber in der Sendung wollen Sie ihn nicht?

Wir machen erst seit einem Jahr diese Sendung – auch Emil, Loriot, Julia Roberts und der Papst waren noch nicht bei uns. Und «Giaccobo/Müller» ist nicht ein Präsentationsforum für Kleinkunst, sondern eine Late-Night-Sendung, die sich nun mal stil- und inhaltsmässig an den beiden Protagonisten orientiert – genau so, wie das in jeder andern Late-Night-Sendung auf dieser Welt der Fall ist.


Nachbemerkung:
Weil diese Art von Fragen bzw. Spekulationen seit ca. 10 Jahren mit schöner Regelmässigkeit grund- und humorlos auftauchen, ohne je durch Fakten erhärtet zu werden, habe ich das Interview hier quasi als Muster deponiert, damit es vom nächsten Medienschaffenden recherchefrei abgeschrieben werden kann. Trotzdem noch ein paar Fakten: Ich bin weder Programmverantwortlicher beim Casinotheater Winterthur noch beim Schweizer Fernsehen. Ich bin nicht Verwaltungsratspräsident von Moonsticker. Ich bin kein Künstlervermittler und betreibe keine Agentur. In der Sendung „Giacobbo / Müller“ werden auch in Zukunft Künstler auftreten, die von Mike Müller, der Redaktion und mir ausgewählt werden – skandalöserweise einige sogar mehrmals.
V.G. (Godfather)

Filzvorwürfe an Viktor Giacobbo: «Ich wäre der dümmste Mafiaboss»

1. Oktober 2016, Tagesanzeiger.ch/Newsnet, von David Vonplon

Künstlervermittler, Theaterchef und TV-Satiriker: An Viktor Giacobbo führt in der Kleinkunstszene kein Weg vorbei. Das schafft Missgunst: Marco Rima spricht […]

Viktor Giacobbo wird am Montag 60. Warum er nicht darüber reden möchte und mit wem er an seinem Geburtstag streiten wird, sagt er im Telefon-Interview mit Tagesanzeiger.ch/Newsnet.

Herr Giacobbo, sind Sie gerade beim Zmittag?

Nein, nein, bei mir gibts selten Mittagessen. Um diese Zeit endet bestenfalls das langgezogene Frühstück. Ich esse dann erst abends wieder richtig und zwischendurch viel Süsses.

Kommenden Montag feiern Sie Ihren 60. Geburtstag. Sie haben aber vorgängig per Mail geschrieben, dass Sie eigentlich gar nicht darüber reden wollen.

Nicht weil ich Schwierigkeiten damit hätte – ich rede einfach lieber über Themen, die mich wenigstens ein bisschen interessieren. Aber schiessen Sie nur los.

Liegt es denn am Geburtstag an sich, oder an der Tatsache, dass es der sechzigste ist?

Mir sind Geburtstage einfach nicht so wichtig, sowohl bei mir, als auch bei anderen.

Es gibt am Montag also nicht dieselbe Geburtstagstorte, die Ihnen schon die Mama gebacken hat?

Nein, ich hänge generell nicht so sehr an alten Zöpfen beziehungsweise Kuchen. Ich kenne viele Gleichaltrige, die nur noch an früher denken und vor mindestens 20 Jahren mit Neuerungen aufgehört haben. Deprimierend. Wenn man einigermassen neugierig bleibt, ist das Alter eine super Zeit, auch weil man gewisse Dinge nicht mehr tun muss, die man als jüngerer Mensch musste.

Zum Beispiel?

Am Wochenende zwingend ausgehen.

Sie haben gerade gesagt, man dürfe nicht stehen bleiben. Eine Kritik an Sie ist: Der Giacobbo, der bringt seit Jahren immer dieselben Figuren, einige sogar noch aus «Viktors Spätprogramm».

So? Und dann gibt es die andern, die sagen, ich solle Figuren wie Harry Hasler oder Fredi Hinz häufiger spielen. Bei einer halben Million Zuschauern gibt es halt die eine oder andere unterschiedliche Erwartung und das ist auch gut so. Zudem bringen wir bei «Giacobbo/Müller» regelmässig neue Figuren. Nicht nur von mir, sondern vor allem von jüngeren Komikern.

Nervt Sie die ewige Kritik? Mit 60 könnte man ja sagen, lasst mich doch alle in Ruhe, das habe ich nicht mehr nötig.

Komik ist immer Geschmackssache, deshalb muss ich Kritik wie jeder andere Künstler, egal welcher Branche, aushalten. Ich teile ja auch aus. Das Einzige, was mich nervt, ist, dass die meiste Kritik nicht zu einem kampflustigen Dialog führt. Wir versuchen das in unserer Sendung zu unterlaufen und schiessen deshalb auch zurück. Das sind sich die journalistischen Kritiker nicht gewohnt und reagieren zuweilen empfindlicher als die katholische Kirche.

Sie reden ungern von Ihrem Privatleben. Vor ein paar Wochen haben Sie selber von Ihren Ferien in Südafrika getwittert, wo Sie wegen eines Flugzeugschadens festsassen. Einige Medien berichteten tagelang davon und bei Ihrer Ankunft in Zürich wurden Sie und Ihre Freundin von Fotografen abgepasst.

Das einzige private Wort in meinen Tweets war «Kapstadt». So intim war das nicht. Es entstand eine witzige multilaterale Twitter-Debatte. Bei Twitter ist übrigens genau das möglich, was ich vorher erwähnt habe: Keine simple Einwegkommunikation. Jemand muss etwas zu sagen haben, die anderen reagieren, nehmen Gegenpositionen ein, machen Jokes. Das finde ich toll. Wenn Social Media, dann so.

Ist es Ihnen nicht ein Bedürfnis, hie und da richtigzustellen, wie Sie als Person wirklich sind?

Wieso sollte ich? Als Person bin ich nun wirklich nicht so interessant. Deshalb spielen Mike und ich ja gerade in unserer Sendung mit Pseudo-Privatem und verarschen den jeweils andern mit seinen angeblichen Vorlieben. Es macht Spass, dass die Leute nicht genau wissen, was nun wahr ist, und was nicht.

Aber so erfährt zum Beispiel niemand, dass Sie Indie-Rock mögen. Wer hätte das von Viktor Giacobbo gedacht.

Über diese Informationslücke wird die Welt hinwegkommen. Ich stelle seit Jahren meine persönliche Playlist auf meine Website. Die Leute, die das interessiert, kennen meinen Musikgeschmack schon lange und ich tausche mich mit einigen jüngeren Fans auch aus. Beim Indie- oder Alternative-Rock drücke ich den Altersdurchschnitt brutal nach oben. Dagegen checken viele Gleichaltrige nicht, dass es gerade in dieser Musikrichtung einige junge Bands gibt, deren Wurzeln im Pop-Rock der 70er-Jahre stecken. Wenn jemand die Beatles toll findet, wird er auch eine aktuelle Indie-Rock-Band finden, die seinen Musikgeschmack in etwa abdecken würde. Aber wie Radio DRS 1 offenbar vor 20 Jahren aufgehört hat, ein neues Musikstück zu senden, so hat eine ganze Generation aufgehört, Neues zu entdecken. Schade.

Interessiert Sie denn das Vergangene überhaupt nicht?

Doch natürlich, aber einfach nicht mit dieser dämlichen nostalgischen Verklärung. Damals war nicht einfach alles besser – ich zum Beispiel war ein ziemlich bornierter Welterklärer.

Gibt es Dinge, die Ihnen im Alter zu schnell gehen?

Nein, eher zu langsam, und zwar auf fast allen Gebieten. Ich bin eher ungeduldig.

Wäre jetzt die Zeit, nochmals etwas ganz Neues zu wagen? Ein letzter beruflicher Richtungswechsel sozusagen?

Was denn, Surflehrer auf Ibiza? Das klingt vielleicht kokett, aber ich habe nie über ein Jahr hinaus geplant. Bevor wir «Ernstfall in Havanna» drehten oder ich mit einem Kamel durch die Zirkusmanege galoppierte, habe ich nicht gewusst, dass ich mal sowas machen würde. Was unsere Sendung anbelangt, haben wir jeweils nur einen Vertrag für die laufende Saison. Ich habe ein paar Projekte im Kopf. Wenn die mal spruchreif werden, ist das okay und sonst halt eben nicht.

Sie haben ja Schriftsetzer gelernt. Das war ein starker Richtungswechsel zu dem, was Sie heute sind.

Nein, das war kein Richtungswechsel. Ich habe schon während meiner Lehre in wechselnden Gruppierungen Komik gemacht. Später wurden diese Dinge immer aufwändiger und ich arbeitete als Mediendokumentalist, um Geld zu verdienen. Übrigens hat mich das Fernsehen damals überhaupt nicht interessiert. Ich war sehr zufrieden auf der Bühne, bis mich jemand fragte, ob ich in einer Sendung Sketche aufführen wolle. Es hat sich also alles organisch entwickelt.

Eine Ihrer Figuren, Roger Schawinski, regt sich öffentlich darüber auf, dass man im Alter auf ein Abstellgleis geschoben und zwangspensioniert wird.

Nun, er ist als Pensionär mit seiner Sendung höchstens zeitlich auf einem Abstellgleis, nämlich nachts um elf. Dort gehe ich übrigens am kommenden Montag hin. An meinem Geburtstag.

Freiwillig?

Ich mache solche Dinge immer nur freiwillig. Es belustigt mich, den ewigen Kampf, den Roger und ich schon seit Jahren öffentlich aufführen, quasi als Jubiläum nochmals auszufechten.

Gehen Sie normal oder als «Schawinski»?

Ich gehe immer als normal. Aber vielleicht empfängt mich Roger als Dr. Klöti.

Wie halten Sie es mit dem Abstellgleis? Wollen Sie auch so lange wie möglich weitermachen oder gibt es Momente, in denen Sie selber finden, jetzt ist es genug?

Bisher habe ich immer gespürt, wann genug ist. Als ich mit «Viktors Spätprogramm» aufhörte, waren wir im Quotenhoch. Ich fand trotzdem, es sei Zeit zum Aufhören. Fünf Jahre lang war ich nicht mehr am Fernsehen und dachte, ich würde nie mehr fürs Fernsehen arbeiten. Nicht, weil ich mich verkracht hätte, sondern weil mich anderes mehr interessierte. Irgendwann war die Lust wieder da. So werde ich das auch in Zukunft halten. Vielleicht bin ich in fünf Jahren aber auch gaga und Mike muss mir das schonend beibringen. Ich habe zum Glück ein paar Leute in meinem Umfeld, die mich darauf hinweisen werden.

Hören Sie denn auf sie?

Aber sicher. Das ist der Vorteil, wenn man auch Freunde hat, die nichts mit der Branche zu tun haben. Bei denen bin ich nicht der TV-Promi, die sagen mir, wenn ich beruflich Scheisse gebaut habe.

Trifft Sie das nicht?

Nein, meistens kommt das ja nicht überraschend. Nach einer Sendung merke ich sofort, wenn das nicht das Gelbe vom Ei war. Mike und ich sind da gnadenlos mit uns selber.

Diesen Sonntag beginnt die neue Staffel von «Giacobbo/Müller». Gibt es etwas Neues?

Wir werden die Sendung nicht grundlegend neu erfinden, sondern freuen uns weiterhin, die News der Woche verbal und mit Sketchen zu kommentieren. Neuerungen entstehen bei uns in der Routine der einzelnen Sendungen und nicht, weil wir uns vor der Saison zu einem Creativity-Seminar zurückziehen und grosse strategische Planungen erstellen. Dazu sind wir zu schlampig.

Ein Wunsch zum Geburtstag?

Viel Geld und schöne Frauen.

Eine schöne Frau haben Sie doch schon!

Stimmt, fehlt nur noch das Geld. Ehrlich gesagt habe ich keinen Wunsch zum Geburtstag. Wünsche sind bei mir nicht an den Kalender gebunden. Auch wenn Leute in meinem Umfeld Geburtstag haben, kriege ich sofort eine Leere im Kopf und weiss nie, was ich schenken soll.

Über welche Art von Geschenken freuen Sie sich denn am meisten?

Über Leckereien natürlich! Das schönste Geschenk wäre, wenn man mich 24 Stunden lang in das Ladenlokal von Honold einschliessen würde, der besten Bäckerei in Zürich.

«Als Person bin ich nicht so interessant»

3. Februar 2012, Tagesanzeiger.ch/Newsnet, von Denise Jeitziner

Viktor Giacobbo wird am Montag 60. Warum er nicht darüber reden möchte und mit wem er an seinem Geburtstag streiten […]

Regelmässig parodiert Viktor Giacobbo Diktator Ghadhafi. Der Satiriker über heikle Parodien, Kritik an seiner Person – und Blochers «Kunstfigur» Christoph Mörgeli.

Sie parodieren in Ihrer Sendung «Giacobbo/Müller» den libyschen Diktator Ghadhafi. Was gab den Ausschlag dazu?

Ausschlag war die Merz-Libyen-Affäre – wir zeigten, wie Hans-Rudolf Merz Ghadhafi in seinem Zelt besuchte und ihm Tee servierte. Ghadhafi ist eine einfache Figur. Wie andere Diktatoren hat er die Neigung, sich mit allerlei Firlefanz zu schmücken, Orden, Hüten, Brillen, seinem Bärtchen, oder er tritt mit weiblichen Bodyguards auf. Da muss man in der Maske nur die Form des eigenen Mundes verändern et voilà: Ghadhafi.

Warum lassen sich Diktatoren so gut parodieren?

Diktatoren sind ja nicht nur grausam, viele haben etwas von einer Comicfigur. Oft gibt es niemand mehr im persönlichen Umfeld, der es wagt, ihnen zu widersprechen, wenn sie overdressed rumlaufen. Die Leute im Umfeld von Ghadhafi sind nicht dumm, aber eingeschüchtert. Niemand traut sich mehr ihm zu sagen, wie er wirkt. Für uns wird es interessant, wenn es einen Link zur Aktualität oder zur Schweiz gibt. Wir imitieren ja auch Kim Jong-il – Mike Müller spielt den Sohn, der fliessend Berndeutsch spricht, weil er in Bern zur Schule gegangen sein soll.

Wie ist es mit dem Timing – muss man auf eine solche Parodie verzichten, wenn einer wie Ghadhafi sein eigenes Volk bombardiert?

Ja. Den letzten Ghadhafi-Sketch produzierten wir, als es in Ägypten gerade losging. Im Sketch besuchte Merz Ghadhafi im Zelt, um ihm beizubringen, wie Demokratie geht. Die Schlusspointe war, dass in einer Demokratie jeder sein eigenes Gewehr im Schrank hat. Das passte dort wunderbar. Jetzt ist die Situation anders. Man kann nicht einen Sketch vorproduzieren, wenn es die Möglichkeit gibt, dass dieser Wahnsinnige am Tag der Sendung gerade beschliesst, sein Volk mit Senfgas zu vergiften. Denn er ist eben nicht nur eine lächerliche Operettenfigur, sondern auch ein brutaler Diktator.

Wird Ihnen nie vorgeworfen, sie verhöhnten die Opfer eines Ghadhafi oder eines Hitler, den sie ja auch parodieren?

Doch natürlich. Aber davon lassen wir uns nicht abhalten, weil wir selbstverständlich nicht die Opfer thematisieren. Was der Machtapparat eines Diktators am meisten ängstigt, ist die Lächerlichkeit. Warum, das sehen wir gerade in Italien. Berlusconi ist zwar kein Diktator, aber eine lächerliche Führerfigur. Nachdem die Italiener ihn immer wieder gewählt, ihn entschuldigt und sogar die Gesetze geändert haben, merken sie nun, dass Berlusconi im Ausland zur Witzfigur geworden ist – und dies brachte eine Wende.

Trotzdem verstehen viele keinen Spass, wenn es um Figuren wie Hitler oder Ghadhafi geht.

Viele verstehen gar nie einen Spass… Als ich den Hitler zum ersten Mal spielte, schrieben die Zeitungen besorgt: Darf man das? Viele fanden, ich überschreite da eine Grenze. Für mich ist das wie eine Aufforderung, dann mache ich es mit doppeltem Vergnügen. Warum sollte man einen Hitler nicht lächerlich machen dürfen – wo es doch wieder Leute gibt, die seine Ideologie samt Heiratsschwindler-Schnäuzchen ernst nehmen?

Kann man sich da nicht einfach auf Charlie Chaplin berufen?

Oh nein! Dann heisst es immer, Chaplin dürfe das, weil er ein Genie sei. Für einen normalen Kabarettisten aber gelten ganz andere Regeln. Dahinter steckt natürlich ein geschmäcklerischer Kulturbegriff. Dabei haben die Juden Hitler ja selber parodiert, zum Beispiel der grossartige Ernst Lubitsch in «To Be or Not to Be». Auch jetzt bei der arabischen Revolution schrieben Leute, es sei unter jedem Niveau, darüber Witze zu machen. Wohin genau der Witz aber zielt, das bekommen sie vor lauter Empörung dann gar nicht mehr mit.

Haben Sie denn kein Verständnis dafür, wenn zum Beispiel jemand persönlich betroffen ist?

Ich habe für viele abweichende Meinungen Verständnis, aber ich teile sie nicht. Wenn jemand sich bei mir grundsätzlich über die Sendung beschwert, dann sage ich ihm: Ihre Meinung in Ehren, aber vielleicht sollten Sie sich die Sendung einfach nicht mehr anschauen. Ich schaue mir auch keine religiösen Sendungen an und gehe mich dann darüber beschweren, dass man dort Werbung macht für den Herrgott.

Welcher Diktator ist satirisch noch unentdeckt?

Einen Diktator habe ich gerade keinen auf der Liste, denn das kann man nicht im Voraus planen. Wen ich parodieren möchte, aber noch nicht so richtig hingekriegt habe, ist der Papst Benedikt. Sein Vorgänger Papst Wojtyła war da einfacher, den konnte man gut spielen, vor allem gegen den Schluss. Das wurde uns auch schwer verübelt.

Bekommen Sie auf andere Figuren auch negative Reaktionen?

Die Figur des Inders Rajiv gab ebenfalls schon Anlass für Beschwerden. Christoph Mörgeli forderte zum Beispiel, da müsse doch die Antirassismuskommission eingreifen. Die meldeten sich dann tatsächlich und forderte ernsthaft, ich solle dieser Kunstfigur doch ein paar positive Eigenschaften geben. Ich sagte, ich wäre dazu bereit, unter der Bedingung, dass Christoph Blocher seiner Kunstfigur Christoph Mörgeli auch ein paar positive Eigenschaften gebe.

Wie gehen Sie persönlich mit Kritik um?

Wir teilen aus, also müssen wir auch einstecken können. Dazu kommt, dass wir mit uns selber einigermassen streng sind. Es gibt Sketche oder Sequenzen, die finden Mike und ich im Nachhinein auch einen Scheiss, wir waren nicht gut, die satirische Haltung war missverständlich usw. Letztlich ist es einfach eine entspannte Late-Night-Sendung, die wir mal weniger, mal besser hinkriegen.

Also trifft Kritik Sie persönlich nicht?

Doch, natürlich. Viele Künstler sind manchmal bei der kleinsten Kritik empfindlich, aber man steckt es professionell weg. Bei mir kommt dazu, dass ich gerne streite. Ich kann auch mit scharf formulierter Kritik leben. Mich nervt, wenn Unwahrheiten verbreitet werden oder wenn dem Kritiker die Fachkompetenz abgeht. Zum Beispiel die Aufregung wegen des Schnitts in der letzten Sendung. Wir schneiden ja oft, wie jede andere Late-Night-Sendung auch. Diesmal ist es einfach aufgefallen, weil der Schnitt so hart und technisch nicht einwandfrei war. Und wenn jemand das dann als Skandal aufbereitet, dann frage ich mich, was er von der Sache überhaupt versteht. Aber wir sind natürlich auch dankbar. Für uns ist das dann ja wieder Material für die nächste Sendung.

«Wir haben Ghadhafi gezeigt, wie Demokratie geht»

3. März 2011, Tagesanzeiger.ch/Newsnet, von Michèle Binswanger

Regelmässig parodiert Viktor Giacobbo Diktator Ghadhafi. Der Satiriker über heikle Parodien, Kritik an seiner Person – und Blochers «Kunstfigur» Christoph […]

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