Viktor Giacobbo

, 3. Februar 2012, von Denise Jeitziner

«Als Person bin ich nicht so interessant»

Viktor Giacobbo wird am Montag 60. Warum er nicht darüber reden möchte und mit wem er an seinem Geburtstag streiten wird, sagt er im Telefon-Interview mit Tagesanzeiger.ch/Newsnet.

Herr Giacobbo, sind Sie gerade beim Zmittag?

Nein, nein, bei mir gibts selten Mittagessen. Um diese Zeit endet bestenfalls das langgezogene Frühstück. Ich esse dann erst abends wieder richtig und zwischendurch viel Süsses.

Kommenden Montag feiern Sie Ihren 60. Geburtstag. Sie haben aber vorgängig per Mail geschrieben, dass Sie eigentlich gar nicht darüber reden wollen.

Nicht weil ich Schwierigkeiten damit hätte – ich rede einfach lieber über Themen, die mich wenigstens ein bisschen interessieren. Aber schiessen Sie nur los.

Liegt es denn am Geburtstag an sich, oder an der Tatsache, dass es der sechzigste ist?

Mir sind Geburtstage einfach nicht so wichtig, sowohl bei mir, als auch bei anderen.

Es gibt am Montag also nicht dieselbe Geburtstagstorte, die Ihnen schon die Mama gebacken hat?

Nein, ich hänge generell nicht so sehr an alten Zöpfen beziehungsweise Kuchen. Ich kenne viele Gleichaltrige, die nur noch an früher denken und vor mindestens 20 Jahren mit Neuerungen aufgehört haben. Deprimierend. Wenn man einigermassen neugierig bleibt, ist das Alter eine super Zeit, auch weil man gewisse Dinge nicht mehr tun muss, die man als jüngerer Mensch musste.

Zum Beispiel?

Am Wochenende zwingend ausgehen.

Sie haben gerade gesagt, man dürfe nicht stehen bleiben. Eine Kritik an Sie ist: Der Giacobbo, der bringt seit Jahren immer dieselben Figuren, einige sogar noch aus «Viktors Spätprogramm».

So? Und dann gibt es die andern, die sagen, ich solle Figuren wie Harry Hasler oder Fredi Hinz häufiger spielen. Bei einer halben Million Zuschauern gibt es halt die eine oder andere unterschiedliche Erwartung und das ist auch gut so. Zudem bringen wir bei «Giacobbo/Müller» regelmässig neue Figuren. Nicht nur von mir, sondern vor allem von jüngeren Komikern.

Nervt Sie die ewige Kritik? Mit 60 könnte man ja sagen, lasst mich doch alle in Ruhe, das habe ich nicht mehr nötig.

Komik ist immer Geschmackssache, deshalb muss ich Kritik wie jeder andere Künstler, egal welcher Branche, aushalten. Ich teile ja auch aus. Das Einzige, was mich nervt, ist, dass die meiste Kritik nicht zu einem kampflustigen Dialog führt. Wir versuchen das in unserer Sendung zu unterlaufen und schiessen deshalb auch zurück. Das sind sich die journalistischen Kritiker nicht gewohnt und reagieren zuweilen empfindlicher als die katholische Kirche.

Sie reden ungern von Ihrem Privatleben. Vor ein paar Wochen haben Sie selber von Ihren Ferien in Südafrika getwittert, wo Sie wegen eines Flugzeugschadens festsassen. Einige Medien berichteten tagelang davon und bei Ihrer Ankunft in Zürich wurden Sie und Ihre Freundin von Fotografen abgepasst.

Das einzige private Wort in meinen Tweets war «Kapstadt». So intim war das nicht. Es entstand eine witzige multilaterale Twitter-Debatte. Bei Twitter ist übrigens genau das möglich, was ich vorher erwähnt habe: Keine simple Einwegkommunikation. Jemand muss etwas zu sagen haben, die anderen reagieren, nehmen Gegenpositionen ein, machen Jokes. Das finde ich toll. Wenn Social Media, dann so.

Ist es Ihnen nicht ein Bedürfnis, hie und da richtigzustellen, wie Sie als Person wirklich sind?

Wieso sollte ich? Als Person bin ich nun wirklich nicht so interessant. Deshalb spielen Mike und ich ja gerade in unserer Sendung mit Pseudo-Privatem und verarschen den jeweils andern mit seinen angeblichen Vorlieben. Es macht Spass, dass die Leute nicht genau wissen, was nun wahr ist, und was nicht.

Aber so erfährt zum Beispiel niemand, dass Sie Indie-Rock mögen. Wer hätte das von Viktor Giacobbo gedacht.

Über diese Informationslücke wird die Welt hinwegkommen. Ich stelle seit Jahren meine persönliche Playlist auf meine Website. Die Leute, die das interessiert, kennen meinen Musikgeschmack schon lange und ich tausche mich mit einigen jüngeren Fans auch aus. Beim Indie- oder Alternative-Rock drücke ich den Altersdurchschnitt brutal nach oben. Dagegen checken viele Gleichaltrige nicht, dass es gerade in dieser Musikrichtung einige junge Bands gibt, deren Wurzeln im Pop-Rock der 70er-Jahre stecken. Wenn jemand die Beatles toll findet, wird er auch eine aktuelle Indie-Rock-Band finden, die seinen Musikgeschmack in etwa abdecken würde. Aber wie Radio DRS 1 offenbar vor 20 Jahren aufgehört hat, ein neues Musikstück zu senden, so hat eine ganze Generation aufgehört, Neues zu entdecken. Schade.

Interessiert Sie denn das Vergangene überhaupt nicht?

Doch natürlich, aber einfach nicht mit dieser dämlichen nostalgischen Verklärung. Damals war nicht einfach alles besser – ich zum Beispiel war ein ziemlich bornierter Welterklärer.

Gibt es Dinge, die Ihnen im Alter zu schnell gehen?

Nein, eher zu langsam, und zwar auf fast allen Gebieten. Ich bin eher ungeduldig.

Wäre jetzt die Zeit, nochmals etwas ganz Neues zu wagen? Ein letzter beruflicher Richtungswechsel sozusagen?

Was denn, Surflehrer auf Ibiza? Das klingt vielleicht kokett, aber ich habe nie über ein Jahr hinaus geplant. Bevor wir «Ernstfall in Havanna» drehten oder ich mit einem Kamel durch die Zirkusmanege galoppierte, habe ich nicht gewusst, dass ich mal sowas machen würde. Was unsere Sendung anbelangt, haben wir jeweils nur einen Vertrag für die laufende Saison. Ich habe ein paar Projekte im Kopf. Wenn die mal spruchreif werden, ist das okay und sonst halt eben nicht.

Sie haben ja Schriftsetzer gelernt. Das war ein starker Richtungswechsel zu dem, was Sie heute sind.

Nein, das war kein Richtungswechsel. Ich habe schon während meiner Lehre in wechselnden Gruppierungen Komik gemacht. Später wurden diese Dinge immer aufwändiger und ich arbeitete als Mediendokumentalist, um Geld zu verdienen. Übrigens hat mich das Fernsehen damals überhaupt nicht interessiert. Ich war sehr zufrieden auf der Bühne, bis mich jemand fragte, ob ich in einer Sendung Sketche aufführen wolle. Es hat sich also alles organisch entwickelt.

Eine Ihrer Figuren, Roger Schawinski, regt sich öffentlich darüber auf, dass man im Alter auf ein Abstellgleis geschoben und zwangspensioniert wird.

Nun, er ist als Pensionär mit seiner Sendung höchstens zeitlich auf einem Abstellgleis, nämlich nachts um elf. Dort gehe ich übrigens am kommenden Montag hin. An meinem Geburtstag.

Freiwillig?

Ich mache solche Dinge immer nur freiwillig. Es belustigt mich, den ewigen Kampf, den Roger und ich schon seit Jahren öffentlich aufführen, quasi als Jubiläum nochmals auszufechten.

Gehen Sie normal oder als «Schawinski»?

Ich gehe immer als normal. Aber vielleicht empfängt mich Roger als Dr. Klöti.

Wie halten Sie es mit dem Abstellgleis? Wollen Sie auch so lange wie möglich weitermachen oder gibt es Momente, in denen Sie selber finden, jetzt ist es genug?

Bisher habe ich immer gespürt, wann genug ist. Als ich mit «Viktors Spätprogramm» aufhörte, waren wir im Quotenhoch. Ich fand trotzdem, es sei Zeit zum Aufhören. Fünf Jahre lang war ich nicht mehr am Fernsehen und dachte, ich würde nie mehr fürs Fernsehen arbeiten. Nicht, weil ich mich verkracht hätte, sondern weil mich anderes mehr interessierte. Irgendwann war die Lust wieder da. So werde ich das auch in Zukunft halten. Vielleicht bin ich in fünf Jahren aber auch gaga und Mike muss mir das schonend beibringen. Ich habe zum Glück ein paar Leute in meinem Umfeld, die mich darauf hinweisen werden.

Hören Sie denn auf sie?

Aber sicher. Das ist der Vorteil, wenn man auch Freunde hat, die nichts mit der Branche zu tun haben. Bei denen bin ich nicht der TV-Promi, die sagen mir, wenn ich beruflich Scheisse gebaut habe.

Trifft Sie das nicht?

Nein, meistens kommt das ja nicht überraschend. Nach einer Sendung merke ich sofort, wenn das nicht das Gelbe vom Ei war. Mike und ich sind da gnadenlos mit uns selber.

Diesen Sonntag beginnt die neue Staffel von «Giacobbo/Müller». Gibt es etwas Neues?

Wir werden die Sendung nicht grundlegend neu erfinden, sondern freuen uns weiterhin, die News der Woche verbal und mit Sketchen zu kommentieren. Neuerungen entstehen bei uns in der Routine der einzelnen Sendungen und nicht, weil wir uns vor der Saison zu einem Creativity-Seminar zurückziehen und grosse strategische Planungen erstellen. Dazu sind wir zu schlampig.

Ein Wunsch zum Geburtstag?

Viel Geld und schöne Frauen.

Eine schöne Frau haben Sie doch schon!

Stimmt, fehlt nur noch das Geld. Ehrlich gesagt habe ich keinen Wunsch zum Geburtstag. Wünsche sind bei mir nicht an den Kalender gebunden. Auch wenn Leute in meinem Umfeld Geburtstag haben, kriege ich sofort eine Leere im Kopf und weiss nie, was ich schenken soll.

Über welche Art von Geschenken freuen Sie sich denn am meisten?

Über Leckereien natürlich! Das schönste Geschenk wäre, wenn man mich 24 Stunden lang in das Ladenlokal von Honold einschliessen würde, der besten Bäckerei in Zürich.

2017