Viktor Giacobbo

, 3. März 2011, von Michèle Binswanger

«Wir haben Ghadhafi gezeigt, wie Demokratie geht»

Regelmässig parodiert Viktor Giacobbo Diktator Ghadhafi. Der Satiriker über heikle Parodien, Kritik an seiner Person – und Blochers «Kunstfigur» Christoph Mörgeli.

Sie parodieren in Ihrer Sendung «Giacobbo/Müller» den libyschen Diktator Ghadhafi. Was gab den Ausschlag dazu?

Ausschlag war die Merz-Libyen-Affäre – wir zeigten, wie Hans-Rudolf Merz Ghadhafi in seinem Zelt besuchte und ihm Tee servierte. Ghadhafi ist eine einfache Figur. Wie andere Diktatoren hat er die Neigung, sich mit allerlei Firlefanz zu schmücken, Orden, Hüten, Brillen, seinem Bärtchen, oder er tritt mit weiblichen Bodyguards auf. Da muss man in der Maske nur die Form des eigenen Mundes verändern et voilà: Ghadhafi.

Warum lassen sich Diktatoren so gut parodieren?

Diktatoren sind ja nicht nur grausam, viele haben etwas von einer Comicfigur. Oft gibt es niemand mehr im persönlichen Umfeld, der es wagt, ihnen zu widersprechen, wenn sie overdressed rumlaufen. Die Leute im Umfeld von Ghadhafi sind nicht dumm, aber eingeschüchtert. Niemand traut sich mehr ihm zu sagen, wie er wirkt. Für uns wird es interessant, wenn es einen Link zur Aktualität oder zur Schweiz gibt. Wir imitieren ja auch Kim Jong-il – Mike Müller spielt den Sohn, der fliessend Berndeutsch spricht, weil er in Bern zur Schule gegangen sein soll.

Wie ist es mit dem Timing – muss man auf eine solche Parodie verzichten, wenn einer wie Ghadhafi sein eigenes Volk bombardiert?

Ja. Den letzten Ghadhafi-Sketch produzierten wir, als es in Ägypten gerade losging. Im Sketch besuchte Merz Ghadhafi im Zelt, um ihm beizubringen, wie Demokratie geht. Die Schlusspointe war, dass in einer Demokratie jeder sein eigenes Gewehr im Schrank hat. Das passte dort wunderbar. Jetzt ist die Situation anders. Man kann nicht einen Sketch vorproduzieren, wenn es die Möglichkeit gibt, dass dieser Wahnsinnige am Tag der Sendung gerade beschliesst, sein Volk mit Senfgas zu vergiften. Denn er ist eben nicht nur eine lächerliche Operettenfigur, sondern auch ein brutaler Diktator.

Wird Ihnen nie vorgeworfen, sie verhöhnten die Opfer eines Ghadhafi oder eines Hitler, den sie ja auch parodieren?

Doch natürlich. Aber davon lassen wir uns nicht abhalten, weil wir selbstverständlich nicht die Opfer thematisieren. Was der Machtapparat eines Diktators am meisten ängstigt, ist die Lächerlichkeit. Warum, das sehen wir gerade in Italien. Berlusconi ist zwar kein Diktator, aber eine lächerliche Führerfigur. Nachdem die Italiener ihn immer wieder gewählt, ihn entschuldigt und sogar die Gesetze geändert haben, merken sie nun, dass Berlusconi im Ausland zur Witzfigur geworden ist – und dies brachte eine Wende.

Trotzdem verstehen viele keinen Spass, wenn es um Figuren wie Hitler oder Ghadhafi geht.

Viele verstehen gar nie einen Spass… Als ich den Hitler zum ersten Mal spielte, schrieben die Zeitungen besorgt: Darf man das? Viele fanden, ich überschreite da eine Grenze. Für mich ist das wie eine Aufforderung, dann mache ich es mit doppeltem Vergnügen. Warum sollte man einen Hitler nicht lächerlich machen dürfen – wo es doch wieder Leute gibt, die seine Ideologie samt Heiratsschwindler-Schnäuzchen ernst nehmen?

Kann man sich da nicht einfach auf Charlie Chaplin berufen?

Oh nein! Dann heisst es immer, Chaplin dürfe das, weil er ein Genie sei. Für einen normalen Kabarettisten aber gelten ganz andere Regeln. Dahinter steckt natürlich ein geschmäcklerischer Kulturbegriff. Dabei haben die Juden Hitler ja selber parodiert, zum Beispiel der grossartige Ernst Lubitsch in «To Be or Not to Be». Auch jetzt bei der arabischen Revolution schrieben Leute, es sei unter jedem Niveau, darüber Witze zu machen. Wohin genau der Witz aber zielt, das bekommen sie vor lauter Empörung dann gar nicht mehr mit.

Haben Sie denn kein Verständnis dafür, wenn zum Beispiel jemand persönlich betroffen ist?

Ich habe für viele abweichende Meinungen Verständnis, aber ich teile sie nicht. Wenn jemand sich bei mir grundsätzlich über die Sendung beschwert, dann sage ich ihm: Ihre Meinung in Ehren, aber vielleicht sollten Sie sich die Sendung einfach nicht mehr anschauen. Ich schaue mir auch keine religiösen Sendungen an und gehe mich dann darüber beschweren, dass man dort Werbung macht für den Herrgott.

Welcher Diktator ist satirisch noch unentdeckt?

Einen Diktator habe ich gerade keinen auf der Liste, denn das kann man nicht im Voraus planen. Wen ich parodieren möchte, aber noch nicht so richtig hingekriegt habe, ist der Papst Benedikt. Sein Vorgänger Papst Wojtyła war da einfacher, den konnte man gut spielen, vor allem gegen den Schluss. Das wurde uns auch schwer verübelt.

Bekommen Sie auf andere Figuren auch negative Reaktionen?

Die Figur des Inders Rajiv gab ebenfalls schon Anlass für Beschwerden. Christoph Mörgeli forderte zum Beispiel, da müsse doch die Antirassismuskommission eingreifen. Die meldeten sich dann tatsächlich und forderte ernsthaft, ich solle dieser Kunstfigur doch ein paar positive Eigenschaften geben. Ich sagte, ich wäre dazu bereit, unter der Bedingung, dass Christoph Blocher seiner Kunstfigur Christoph Mörgeli auch ein paar positive Eigenschaften gebe.

Wie gehen Sie persönlich mit Kritik um?

Wir teilen aus, also müssen wir auch einstecken können. Dazu kommt, dass wir mit uns selber einigermassen streng sind. Es gibt Sketche oder Sequenzen, die finden Mike und ich im Nachhinein auch einen Scheiss, wir waren nicht gut, die satirische Haltung war missverständlich usw. Letztlich ist es einfach eine entspannte Late-Night-Sendung, die wir mal weniger, mal besser hinkriegen.

Also trifft Kritik Sie persönlich nicht?

Doch, natürlich. Viele Künstler sind manchmal bei der kleinsten Kritik empfindlich, aber man steckt es professionell weg. Bei mir kommt dazu, dass ich gerne streite. Ich kann auch mit scharf formulierter Kritik leben. Mich nervt, wenn Unwahrheiten verbreitet werden oder wenn dem Kritiker die Fachkompetenz abgeht. Zum Beispiel die Aufregung wegen des Schnitts in der letzten Sendung. Wir schneiden ja oft, wie jede andere Late-Night-Sendung auch. Diesmal ist es einfach aufgefallen, weil der Schnitt so hart und technisch nicht einwandfrei war. Und wenn jemand das dann als Skandal aufbereitet, dann frage ich mich, was er von der Sache überhaupt versteht. Aber wir sind natürlich auch dankbar. Für uns ist das dann ja wieder Material für die nächste Sendung.

2017