Viktor Giacobbo

Fast die ganze Schweiz lacht, sofern er will. Viktor Giacobbo ist Komiker. Sagen wir es so: Er ist der neue Emil aus der Schweiz. Oder so: Lustiger als Harald Schmidt ist er auf alle Fälle. Nach Deutschland will er trotzdem nicht.Everybodies Darling. Seine Blamagenlosigkeit, schrieb die Schweizer Wochenzeitung (Woz), sei für jeden Rechercheur peinlich. Selbst seine Gegner und Opfer lieben ihn. Opfer? Gegner? Vielleicht die falschen Worte. Richtige Gegner sind sie nicht. Er veräppelt sie. Karikiert sie.
Wenn schon Politik, dann eher die Sozialdemokraten. Doch das hat nicht sollen sein. Nur wäre das eine andere Geschichte, die in den 68er-Jahren abrupt endete nach einer Demonstration vor dem Winterthurer Volkshaus: «Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten! Wer hat uns?»
Wer er ist? Viktor Giacobbo. Schweizers Liebling im Fach Komik. So etwas wie der Harald Schmidt der Eidgenossen – aber echt besser. Der Hofnarr der Nation. Der neue Emil, der damals wie der Emmentaler zum helvetischen Exportschlager in Deutschland wurde. Nur anders. Moderner. Und politisch – unkorrekter. Und eben – kein Exportartikel.
Gut möglich, dass sie seinen Namen nach diesem Porträt nie mehr lesen. Wenn Sie Deutsche/r sind, ist die Chance groß. «Ich muss schon in der Schweiz neun von zehn Anfragen für Auftritte ablehnen», sagt Giacobbo ohne Arroganz, «wozu soll ich nach Deutschland, wo der Markt härter ist? Die deutschen Komiker, die wir in der Sendung haben, sind total begeistert, wie es bei uns her und zu geht. Sie hätten so gar kein Fernsehgefühl, es sei wie eine normale Vorstellung.»
Sendung? Zehnmal im Jahr seit zehn Jahren lachen Herr und Frau Schweizer vor der Fernsehkiste, wenn mittwochs «Viktors Spätprogramm» aus dem Zürcher In-Club Kaufleuten sendet; mit traumhaften Quoten im Schweizer Fernsehen. Viktor Giacobbo spielt sich selber. Karikiert den Zürcher Eingeborenen so brutal wie Comiczeichner Deix die Wiener. Äfft mit Schauspielern wie Walter Andreas Müller und Birgit Steinegger Schweizer PolitikerInnen nach. Köstlich. Wunderbar.
Für Lachkrämpfe sorgen seine Parodien auf den Präsidenten der SVP, der Schweyzerischen Volchspartey. Der heißt Ueli Maurer und ist ein Klon des helvetischen Blut-und-Boden-Volkstribuns Christoph Blocher, der gut und gerne der Bruder vom Austria-Haider sein könnte. Die Volchspartey, früher eine Bauernpartei, gewinnt aus dem Reservoir der Heimatdümmelnden, Senioren und Europagegnern Wahl um Wahl.
Und natürlich hat die SVP-Hilfstruppe «Bund der Steuerzahler» versucht, den Viktor Giacobbo von der Bühne des Casinos wegzupusten. Dank ihm haben die politischen Rechten die deutsche Sprache mit der Wortschöpfung «Linksreiche» bereichert. Im Casino Winterthur, einer verlotterten kommunalen Theaterliegenschaft, soll eine Bühne für das helvetische Kabarettschaffen entstehen.
Prompt erzwängten die senkrechten Vatterländischen eine Volksabstimmung, die Giacobbo und seine Freunde gewannen zur Ehrenrettung der Winterthurer Museum- und Kulturstadt. Bald geht es los mit der Sanierung, ab 2001 soll wieder gespielt, gelacht, geklatscht, getrunken, gestanden, gewartet, gegessen werden. «Ich bin es nicht allein, der das Casino möglich macht», wehrt Giacobbo ab. Er ist der Motor der Aktion von über 40 Schweizer Kunstschaffenden, die das Casino von der Stadt kaufen. Viel Arbeit für Giacobbo, aber auch viel Spaß. Und Freiraum für Ideen. «Wir werden neue Sachen zeigen, auch für Experimente offen sein.»

Schlagfertigkeit war eher meine Sache. Aber ich war nicht ein permanenter Blödler.
Wann hat er gemerkt, dass er komisches Talent hat? «Als in der Schule der Sport aktuell wurde, war ich nicht bei den Ersten. Schlagfertigkeit war eher meine Sache. Doch ich war nicht ein permanenter Blödler.» Von Natur aus wirkt er als der introvertierte Mr. Schüchtern. Richtig aus sich heraus geht er wohl erst, wenn er sich verkleidet und sich in eine seiner Phantompersönlichkeiten verwandelt.
Im Rampenlicht stehen. Und doch mit seinen Talkgästen fair umgehen, und wäre es die Bundesrätin Ruth Dreyfuss. Als dumm-scharfe Blondine Debbie Mötteli im Interview mit helvetischen Servelatpromis wie Ex-Miss-Schweiz Stephanie Berger oder der Tessiner Sängerin Nella Martinetti. Indisch kann er es auch. Als Rajiv. Das Volk hält sich die Bäuche.

Oder der Kiffer Fredi Hinz. So gut, dass sich Psychiater schon fragen, ob Giacobbo mit diesen Rollen sein wahres Ich verstecken wolle.
Bei Harry Hasler, einem dumm-dreisten, brustbehaarten, immer in weißem Cowboylederoutfit auftretenden Playboy aus Zürich-Schwamendingen, wollte das psychologische Hinterfragen gar nicht mehr enden. «Wänd weisch wan i mein» – um bei Haslers Standardantwort zu bleiben, mit der es Giacobbo bis in die Top Ten der Schweizer Hitparade schaffte. Saletti Chatze!
Die Figuren sind aus Zufall entstanden, oft aus einem Notstand, denn the play must go on – der Sendetermin wartet nicht. Eine Planung – von Moskaus Weltrevolution ferngesteuert, wie die Rechten im kalten Krieg mutmaßten – stand nie dahinter. «Beim Hinz suchten wir einen Kiffer, und weil ich das schon lange einmal spielen wollte, übernahm ich den Part. Ich hätte nicht gedacht, dass die Rolle beim Publikum so gut ankommt.»
Ähnlich Debbie Mötteli, die in grässlich bunten Fetzen mit wogenden Brüsten vor die Fernsehkameras stöckelt. Der grandiose Harry Hasler hieß in der ersten Sendung noch Herr Berger. «Zufall, warum wir was wie machen. Vielleicht lassen wir den Hasler mit seinem Ami-Schlitten in der nächsten Sendung in die Wand knallen und er stirbt.»
Nicht sterben, aber leiden würde Viktor Giacobbo, wenn er längere Zeit keinen guten Kaffee bekäme. Ein richtiger Kaffeefreak. Zu Hause steht eine Megamaschine mit zwei Kolben, die Bohnen immer von Café Ferrari in Dietikon. «Ich liebe seinen wunderbaren dunklen Espresso Napoli, den er im Holzofen röstet. Er ist der einzige, der das noch so macht in der Schweiz. Mein Kaffee muss frisch gemahlen sein und säurefrei. Natürlich muss die Tasse vorgeheizt sein, weil die ja sonst sofort die Hitze aufnimmt.»
Der Kenner spricht. Der Genießer. Der geschmäcklerisches Tun über alles hasst. Das ganze Brimborium und Gegurgel der alleskennenden Gurus beim Wein. Das Möchtgerngehabe. «Ich rauche darum nicht gerne Cohiba, das ist für mich die überzahlte Werbercigarre. Und sie ist ja auch die meistgefälschte Puro.» Fotografieren lassen mit Cigarre ist nicht sein Ding – Cigar-Fotograf Marcel Studer hat es trotzdem geschafft – und öffentlich rauchen auch nicht, lieber privat genießen und ungestört. Ein, zwei Puros die Woche smokt er, im Urlaub können es auch mehr werden.

Sein rauchiger Liebling ist die Hoyo de dieux und da ist er gar nicht unglücklich, dass die keine Banderole hat. Er braucht das Prestige der Edelpuro nicht für sein Selbstbewusstsein. Schweizer Understatement? Gerne zieht er an einer Montecristo No. 2, mit anderen Provenienzen hat er seine Mühe. «Der kubanische Tabak ist der beste der Welt, und so ist auch eine schlechte Havana noch besser als irgendeine andere Cigarre.»
Den Vergleich mit dem Wein schiebt Giacobbo nach. Schweizer Landweine seien wohl auch nicht schlecht, aber er liebe halt den italienischen Tiganello. Die Weine aus Italien hätten deutlich mehr Understatement als die Franzosen. Wenn es hochprozentiger sein soll, schlürft Giacobbo gerne einen Malt Whisky. «Aber nicht die torfigen.»
Könnte gut sein, dass Viktor Giacobbo demnächst etwas mehr smokt. Man wird sehen, ob er den zuckersüssen kubanischen Kaffee mag oder dann doch lieber eisigen Moijto. Anfang 2001 ist Kuba in seiner Agenda eingetragen. Zu viel verraten darf er noch nicht. Aber wenigstens ein bisschen? «Wir werden eine Politkomödie für das Kino drehen. Die Geschichte geht davon aus, dass die Schweiz seit der amerikanischen Wirtschaftsblockade die USA diplomatisch in Havana vertritt.»
Und «Viktors Spätprogramm»? Wird das auch in Cuba gedreht? «Nein, ich fliege während den Dreharbeiten in die Schweiz.» Keine Abnützungserscheinungen nach zehn Jahren? «Stimmt, die Pace ist ziemlich hart, und mit zehn Cabaretprogrammen in einem Jahr ist der Verschleißquotient hoch. Wir werden die Sendung sicher nicht mehr so lange machen, wie wir sie bis jetzt schon gemacht haben.» Schön salomonisch. Die Fassade bleibt, die Türe geht nie ganz auf. Eine Homestory gibt es von Komiker Viktor Giacobbo nicht. Keine Badewannebilder für die illustrierte Schweiz. Die Presse weiß es, und wenn es dann wirklich etwas zu knipsen gäbe, schnallen sie es doch nicht. Da war die Verleihung vom «Prix Walo» in Zürich und immer eine Frau an der Seite vom Viktor. Für das Siegerfoto wurde sie weggeschoben, das Team von «Viktors Spätprogramm» sollte doch drauf.
Wer war die Frau? Nadeschkin ihr Künstlername. Die andere Hälfte des jungen Schweizer Komikerduos Ursus und Nadeschkin. Mit auffällig blond gefärbten Rastazöpflis. Damals die neue Flamme von Giacobbo. Niemand schnallte es, aber heute wissen es alle. Sie lassen sich auch zusammen fotografieren. Nur nicht privat. «Man gibt viel in so einem Job», sagt Giacobbo, «und da brauche ich irgendwo ein Daheim. Einen Ort, wo ich mich sein kann.»
Während der Sendung zweihundert Prozent für das Publikum und dafür die freien Minuten auch zweihundert Prozent für sich – und gute Freunde. Ein Sympathieträger, aber nicht zum Anfassen für jedermann. Einer, der noch viele Ideen in sich trägt. Der versteckte Witz in den Augen lässt sie nur ahnen. Aber zeigt längst nicht alles allen. Außer sein Lachen.
Das vergeht ihm, wenn er an einer Confiserie vorbei soll, ohne einzutreten. «Das kann ich fast nicht, und vor allem nicht beim Weber in Winterthur, der hat die besten Linzertörtchen!» Und wenn er essen geht? Er mag Beizen wie das «Rössli» in Winterthur, das im Keller einen Humidor versteckt, vor dem Cigarier schon einmal feuchte Augen kriegen. Oder den Italiener um die Ecke, eine Trattoria, wo es einfach das gibt, was der Koch da hat. «Total grässlich eingerichtet, dafür mit unheimlich viel Atmosphäre.»
Aber jetzt will er gehen – einen Kaffee trinken.

Hofnarr mit Cigarre

1. Oktober 2000, Cigar, von Bruno Bötschi

Fast die ganze Schweiz lacht, sofern er will. Viktor Giacobbo ist Komiker. Sagen wir es so: Er ist der neue […]

KLUG, Clever, Komisch: Viktor Giacobbo
1 TV-Sendung, 1 Kolumne, 1 Buch, 1 Casino-Theater. Er ist die Nummer 1 seiner Branche. 1 Viktor-Giacobbo-Porträt.“Viktor ist ein Mensch mit überdurchschnittlicher Intelligenz. Ich habe mir seine Sendung auf Video angeschaut. Ich bin beeindruckt von seinem Ideenreichtum. Guter Humor braucht Weisheit. Und die hat Viktor. Humor ist der Regenschirm der Weisen.“
Uriella auf die Frage, warum sie in „Viktors Spätprogramm“ auftrete.

Kultur ist eine Melkmaschine. Ihre Produkte sind dann erfolgreich, wenn Flüssigkeiten fliessen: Tränen bei der Romanze, Adrenalin beim Drama, Sperma beim Porno, Rezensionstinte bei Schweizer Literatur. Auch der Erfolg von Komik wird physisch gemessen: in Dezibel Lachstärke, Zentimeter Mundwinkelverschiebung oder – im Idealfall – in Milliliter unfreiwillig abgegebenen Urins.
Zu den Paradoxen des Kulturbetriebs gehört, dass das, was Augen, Ohren, Münder, Herzen und Hosenläden öffnet, nicht selten kalten Herzens und kühlen Kopfes konstruiert ist. Hollywoodträume, Schönheitsideale, Sexfantasien, Gespenster, Lieblingswitze und -argumentationen, kurz: 99 Prozent unseres intellektuellen und emotionalen Repertoires ist eingekaufte Ware, fabriziert von Profis. Kein Wunder, dass Kunst von Laien oft hartnäckig für Berufung statt Beruf gehalten wird: Was bei Bekleidung und Innenarchitektur selbstverständlich ist, gilt beim seelischen Interieur als Skandal. „Bei wem kaufen Sie Ihre Anzüge?“ ist ein Kompliment, „Bei wem lassen Sie denken?“, „Bei wem beziehen Sie ihre Gefühle?“ eine Attacke.
Die spieluhrenhafte Mechanik bestimmt auch das subtile wie populäre Produkt Komik & Humor. Wie das Schlager-Schleimtier oder der fesselnde Krimi-Octopus ist auch die fröhliche, anarchistische Sau der Komik ein Cyborg: zu grossen Teilen ein Automat. Die mechanischen Anteile sind seit Generationen dieselben: etwa das Unterlaufen einer Erwartung („Ja, wir haben oft über Scheidung gesprochen. Aber die Kinder haben uns zusammengehalten. Ich wollte sie nicht und sie auch nicht“), des Vergleichs („Nationalrat Mühlemann sah von vorne aus wie ein Elefant von hinten“), der Übertreibung („Constantin redete so viel, dass seine Zunge Sonnenbrand hatte“), der Rollenumkehrung (Männer im Fummel) oder des Zeitsprungs: (Erster Helvetier: „Noch eine Strasse! Diese Römer verschandeln die Gegend.“ Zweiter Helvetier: „Also, wer will schon von Zürich nach Winterthur in zwei Tagen laufen?“)
Kein dummer Satz

Die Frage, wie gut oder wie schlecht ein Produkt wie Komik ist, ist eine Frage des Stils: Wie kann dasselbe wieder frisch serviert werden? Ausschlaggebend ist hier das Tempo (etwa bei Otto, der unzählige Arztwitze auf vier Worte bringt: „Schwester! Zange – Tupfer – Sterbeurkunde!“), die möglichst reibungslosen Übergänge (am genialsten bei Monty Python: „Und jetzt zu etwas ganz anderem!“) und der persönliche Touch: das Tempo, der Rhythmus, die Eleganz.
Die Nummer eins in der Schweiz, Viktor Giacobbo, ist eine erstaunlich harte Nuss für die Wie-hat-er-das-eigentlich-gemacht-Analyse. Dabei liegt Material zuhauf vor: Giacobbo existiert als echte Produktepalette (von Live-Auftritten über den Kolumnensammelband „Der Spargel der Vergeltung“ bis zu 57 Prozent Marktanteil seiner Sendung „Viktors Spätprogramm“), spaltet sich in ein schizophrenes Figurenarsenal (vom Kiffer Freddy Hinz bis zum SVP-Parteichef Ueli Maurer) und ist einer der meistinterviewten Menschen des Landes. Trotzdem bleibt er öffentliche Figur und unbekanntes Wesen zugleich: Wie bei einem Kraken sieht man vor lauter Armen den Kopf nicht mehr.
Ein erster Grund dafür ist, dass er ein Genie des Medienauftritts ist: Er gibt den Affen kräftig Zucker, aber nicht den geringsten Einblick. Obwohl er von „Blick“ bis „Schweizer Illustrierte“ Stoff und Statements liefert – („Ich bin keine Zicke“, sagte er zur WoZ), findet sich keine einzige Homestory, keine einzige private Bemerkung. („SonntagsZeitung“: „Sie und Nadeschkin sind ein Paar.“ Giacobbo: „So. So.“ – „Alles, was die Öffentlichkeit über Ihr Privatleben erfährt, sind die Namen Ihrer Katzen.“ – „Ja, das mögen die Leute.“ – „Das müssen wir in dem Fall nicht mehr bringen.“ – „Ich rede nicht gern über mein Privatleben.“)
So weit, so klar. Unklar bleibt, wie es Giacobbo schafft, in einer Jahre zurückreichenden, faustdicken Pressemappe keinen einzigen dummen Satz zu sagen: „Warum? Ich gebe immer dasselbe Interview“, begründete er es der WoZ gegenüber und gab auch ihr dasselbe Interview: „Nein, ich bin keine meiner Figuren. Ich spiele Harry Hasler nur, wenn ich ihn für einen Sketch brauche“, sagte er, oder: „Frechsein ist noch nicht lustig. Du kannst zwar den Osterhasen ans Kreuz nageln, das ist frech, aber lustig ist das noch nicht“; oder: „Komik ist vielleicht nicht so wertvoll wie E-Literatur: Sie geht nicht ganz in die Tiefe des Lebens. Dafür ist Scharlatanerie im U-Bereich nicht möglich. Im E-Bereich ist doch fünfzig Prozent geschummelt. Aber verquaste E-Sosse gilt erstmal a priori als wertvoll. Es ist schön, dass sich jemand damit beschäftigt.“ Oder: „Nein, ich bin nicht davon angewandelt, ernste Rollen für die Nachwelt zu spielen. Ich muss auch nicht immer auf der Bühne stehen. Mein Traum ist, auf den Cook-Islands gute Bücher zu lesen und von Zeit zu Zeit einen Artikel zu schreiben.“
So weit, so vernünftig, so unspektakulär. Giacobbos Antidot gegen Medien ist der Cocktail Vernunft und Höflichkeit – es lässt sich nichts daraus machen. Die Zusammenfassung sämtlicher Interviews liefert die Internet-Suchmaschine des schweizerischen Mediendienstes, die auf das Stichwort „Giacobbo“ wegen zu vielen Treffern den trockenen Kommentar liefert: „Ihre Sucheingabe war nicht so gut“. Spektakulär hingegen ist, dass dasselbe Resultat wie für den Privatmann auch für den Satiriker und Komiker gilt: Sein Werk gibt keinen Stoff für psychoanalytische Spekulationen, seine Witze erzählen nichts von seinen Obsessionen, in seiner reichen Produktion an Blödsinn findet sich kein wirklich dummer Satz. Seine Blamagenlosigkeit ist für jeden Rechercheur peinlich. Viktor Giacobbo ist wie das Nebenprodukt der Raumfahrt: die Teflonpfanne. Er verbrät die politischen Quarktaschen und das Fastfood des Tages, aber nichts bleibt an ihm hängen.
Wie das? Er hat alle Gelegenheiten für Ausrutscher. Das Team ist klein (die Sketche werden zu viert gebrainstormt und dann zu zwei mit dem Berner Markus Köbeli geschrieben), es gibt keine herummarodierende Redaktion, die Produktionszeiten sind horrend, mit den Promigästen wird live getalkt: viele Möglichkeiten, Katastrophen zu bauen – no way. Das Gefühl, dass Giacobbo ein kastriertes Weichei ohne Schärfe oder ohne Stil ist, stellt sich ebenfalls nicht ein. Vom Schiff aus lässt sich nur feststellen, dass da ein kleiner Mann mit Brille und Segelohren sitzt, der verdammt intelligent, verteufelt schnell (etwa bei der Zuschauerfrage: „Was machst du bei Haarausfall?“ – „Kommt darauf an, wo sie ausfallen. In der Achselhöhle gehts noch.“) und bei aller Höflichkeit ein echtes Bühnentier ist: Er lässt sich nicht in den Schatten stellen, nicht durch seine Schauspieler und schon gar nicht durch seine Gäste.
Giacobbos Komik ist wie der Mann: clever, vif, professionell, obsessionslos, dabei mit einem erstaunlichen, ebenso bedauerns- wie bewundernswerten Gespür für Takt. Basis des Ganzen ist, so Götterspass-Komiker Patrick Frey, dass „Giacobbo nicht nur einen Kanal hat, sondern viele Tasten“. Giacobbo, gelernter Schriftsetzer, Korrektor, dann Fernseharchivar, laut Frey „von seinen Figuren am ehesten die graue Maus, der Funktionär, der nie den Boden unter den Füssen verloren hat, aber sehr, sehr flexibel und unverfroren“ machte den Kabarett-Weg von der Pike auf: Stuzzicadenti, Zampanoo’s Variété, Haruls Topservice, Medienkritik-Sketches am TV, „Satiramisu“ am Radio, seit 1990 mit „Viktors Programm“. Damit hat er genügend Saiten auf der Fiedel, um zu mixen: Blödeln, Slapstick, Intellogags, Stimmenimitation, Stand-Up und dank seines „weichen, fast zarten Gesichts“ (Frey) und den Kunsthaaren und Gummigebissen seiner Maskenbildnerin Hedvika Salzmann die Möglichkeit, im Fummel aufzutreten. Viktors Repertoire ist crashfest. Da bei einem Publikum von bis zu 600 000 Leuten nicht jeder Gag bei jedem zünden kann, ausserdem natürlich nicht jeder der grosse Kracher ist, muss nicht nur der Komikgehalt hoch, sondern auch die Performance gut und der Scheissdetektor sicher sein. „Bei Opern“, zitiert Giacobbo Loriot, „sagen die Leute, wenn es ihnen nicht gefallen hat: Ich verstehe nichts davon. Bei Humor sind sie sauer.“ Giacobbos Rezept ist das Aufteilen des Gewichtes auf verschiedene Komikformen und -figuren: den Spiesser Erwin Bischofsberger, die hasenzähnigen Priester und Nonnen (mit einer schönen Konzessionsklage für einen Sketch, als die katholische Kirche gerade Darwin anerkannt hatte und Viktor einen Schimpansen mit einer modifizierten Hostie in Bananenform zu missionieren versuchte), die Legasthenikerin Debbie Mötteli, den Inder Rajiv („Gilbert Gress? Your name is Marihuanna?“), den Hascher Freddy Hinz, den Vollidioten Ueli Maurer oder Harry „Saletti“ Hasler.
Diese Figuren erleichtern a) das Textschreiben, profitieren b) vom Runninggag-Effekt von Sendung zu Sendung – je öfter, desto komischer – und sind auch c) Programm. „Ich kann doch nicht mehr den zerstreuten Professor spielen“, wehrte sich Giacobbo gegen den Vorwurf der Drögeler-Verspottung. Dabei schwang ungesagt mit: „Ich kann nicht weiter die rechten Spiesser, Immobilienhaie, Block- und Abwärte“ spielen – also die Klischeefiguren sowohl des vorgestrigen Nummern- als auch des gestrigen Zeigefingerkabaretts.
Klamauk & Politik

Beim Start von „Viktors Programm“ 1990 lieferte Giacobbo in der WoZ folgende Beschreibung seines Tagesablaufs:
Nach der scherzfreien morgendlichen Begrüssung und einem frisch geschroteten Eichelkaffee beginnen wir uns im Satire-Laden die neuesten Witze zu erzählen. Zusammengetragen werden ausschliesslich Gags, die unsern strengen Richtlinien entsprechen. Sie werden eingehend nach Sexismus, bürgerlicher Kleinkariertheit und unverbindlicher Blödelei durchforstet, bevor wir sie für unsere regelmässig erscheinende Publikation „Der kämpferische Scherzkeks“ freigeben. Natürlich entstehen mitunter recht heftige Debatten. Häufig geht es dabei um die Frage, ob ein Witz im Zweifelsfall vorwiegend lustig oder mehrheitlich standpunktorientiert sein soll.
Diese Diskussionen sind vorbei. Danke, Gott. Wer je schlechte linke Kabarettisten auf der Bühne gesehen hat, weiss, dass diese (etwa mit den üblichen Managerschurken-Performances oder der Waldsterbennummer: „Dä Wald isch tot! Dä Wald isch tot!“) nur zwei Möglichkeiten lassen: Entweder uriellahaft lächelnd der Gemeinde beizutreten oder brüllend Bäume zu fällen, Angestellte zu geisseln oder der Autopartei beizutreten. Dass Giacobbo, Ex-ML-Mitglied und heute „politischer Eklektiker“, weder zur Besinnung noch zur Revolution aufruft, kann man ihm nicht vorwerfen: nicht, solange das Linksradikalste hierzulande pastorale Grüne und pasteurisierte Sozialdemokraten sind. Vernünftig – wie scheinbar alles an Viktor G. – ist auch die Konzeption, dass „Satire eine Unterhaltungsform, nicht eine Message darstellt. Unsere Komik ist: Klamauk wahllos mit Politik gemischt.“ Vernünftig deshalb, weil der Klamauk zerstörerischer wirkt, als die plane Agression: Was Giacobbo/Köbeli dem SVP-Präsidenten Ueli Maurer angetan haben, ist ungeheuer grausam und grausam komisch: Die alberne Kopie ist besser als das alberne Original. Bei jedem seiner Interviews sieht man Giacobbos Parodie. Als er sich die Haare schnitt, um nicht mehr ganz dem bösartigen glatzköpfigen Clown zu gleichen, der er ist, lachte bei Sessionsbeginn das ganze Parlament.
Natürlich sind nicht alle Gags gut, aber Giacobbos Sendung hat genügend Schwung, um über eventuelle Löcher zu hopsen: physisch gemessen bleibt zwar die Unterhose frisch, aber die Mundwinkel lassen einige Luft an die Zähne. Ausserdem erhält das grosse, graue Organ zwischen den Ohren angenehme Vibrationen – und was gewisse Schlüpfrigkeiten betrifft, bemerkte der Komikkritiker Robert Gernhardt zu Recht: „Es gibt kein niveauvolles Lachen, wie es keinen niveauvollen Orgasmus gibt.“ Ein Zeichen von Disziplin war auch Giacobbos Dreh, von der Inflation seiner Erfolgsfigur Harry Hasler wieder herunterzukommen, nachdem man bereits fürchtete, Giacobbo müsse nur noch „Saletti“, „Chatze“ oder „Bruschthaar“ sagen, um die Lacher ab jetzt gratis abzukassieren. Er wurde in Versuchung geführt, und er widerstand.
Nicht zuletzt ist „Viktors Programm“ die Leistung eines Teams: Die Truppe ist hervorragend – und eine von Giacobbos herausragendsten Eigenschaften muss die Fähigkeit zu Freundschaft oder zumindest zum Burgfrieden sein: Die uneitle Koproduktion von Texten mit dem Regisseur Markus Köbeli spricht für sich, ebenso wie die (wahrscheinlich erfolgreiche) Übernahme des Casino-Theaters Winterthur zusammen mit Patrik Frey, Gardi Hutter, dem Duo Fischbach, Ursus und Nadeschkin plus Haruls Top-Service. Als Star und einzigem TV-Satiriker, als Liebling des Publikums, Günstling des „Blicks“ und der Illustrierten sollte ihm eigentlich giftgrüner Neid entgegenschlagen.
Kurz: Giacobbos Karriere scheint geprägt zu sein von Hartnäckigkeit, Disziplin, Takt, Handwerk, Vernunft, Intelligenz, Zeitungslektüre, Neugier, Freundlichkeit und Stilgefühl – die Sonntagsschulkarriere einer menschlichen Teflonpfanne. In tausend Teufel Namen, das wird, das kann, das darf nicht die Wirklichkeit sein. Irgendwo darunter muss ein kleines Höllenfeuer brennen.

Ist er eine menschliche Teflonpfanne?

11. Februar 1999, Wochen-Zeitung, von Constantin Seibt

KLUG, Clever, Komisch: Viktor Giacobbo 1 TV-Sendung, 1 Kolumne, 1 Buch, 1 Casino-Theater. Er ist die Nummer 1 seiner Branche. […]

VPB 61.67 Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 7. März 1997; b.

Art. 3 RTVG in Verbindung mit Art. 49 und 55bis Abs. 2 BV. Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit und Schutz religiöser Gefühle in Satiresendungen.

– Ein Interessenkonflikt, der sich aus der Konfrontation der Glaubensfreiheit mit der Programmfreiheit des Veranstalters ergeben kann, ist im Rahmen einer Güterabwägung zwischen den widerstreitenden Verfassungsrechten zu lösen.

– Eine Satiresendung, in der eine Hostie mit einer Banane gleichgesetzt und Affen zum Frass vorgeworfen wird, verletzt die religiösen Gefühle der Zuschauer und damit das Programmrecht.I

A. Am 20. November 1996 strahlte das Schweizer Fernsehen DRS die Satiresendung «Viktors Spätprogramm» aus. Die Sendung war in den Tagen zuvor mit einem Trailer angekündigt worden. Darin wies ein vor einem Affenkäfig stehender «Pfarrer» – gespielt von Viktor Giacobbo – auf die kürzlich erfolgte Anerkennung der Evolutionslehre durch den Papst hin. Damit seien jetzt auch Affen in den kirchlichen Dienst integriert, und man habe eine neue Oblatenform entwickelt. Mit diesen Worten reichte der Pfarrer einem in einem Käfig sitzenden Schimpansen eine Banane. In der Sendung selbst wurde der an den Trailer anknüpfende Kurzfilm «Kirche und Darwin» gezeigt. In einem Interview legte der bereits im Trailer aufgetretene «Pfarrer» in satirischer Form die möglichen Auswirkungen der Evolutionslehre auf die katholische Kirche dar. Während eine erste Szene dieses Interviews in einer Art Studierzimmer spielte, fand die zweite in demselben Dekor wie bereits der Trailer statt. Vor dem Affenkäfig äusserte sich der «Pfarrer» zu den neuen Bestrebungen der katholischen Kirche, «Affen vermehrt in die Kirche zu integrieren». Zu diesem Zwecke mache man derzeit Versuche mit kirchlichen Insignien und untersuche, wie die Affen darauf reagierten. Während er dies äusserte, warf der «Pfarrer» den Schimpansen im Käfig, die er mit Namen hoher Würdenträger der katholischen Kirche betitelte, diverse Utensilien aus dem klerikalen Bekleidungsbereich zu.

B. Gegen den Trailer und den Filmbeitrag erhebt der Beschwerdeführer am 10. Januar 1997 Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (im weitern: Unabhängige Beschwerdeinstanz oder UBI). Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, die Beiträge verletzten die religiösen Überzeugungen von gläubigen Christen und störten den religiösen Frieden. Sie stünden in diametralem Gegensatz zum Kulturauftrag von Radio und Fernsehen und verletzten damit Art. 3 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG, SR 784.40).

II

2. Der Beschwerdeführer wirft der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hauptsächlich vor, eine Sendung ausgestrahlt zu haben, die «gläubige Christen verschiedener Konfessionen als blasphemisch empfinden müssen» und «eine öffentliche Verunglimpfung tiefster religiöser Überzeugungen von Christen» bedeute. Deshalb liege ein Verstoss gegen den kulturellen Leistungsauftrag von Radio und Fernsehen vor.

2.1. Der Leistungsauftrag von Art. 55bis Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (BV, SR 101) verpflichtet die Veranstalter von Radio- und Fernsehsendungen insbesondere zum Schutz kultureller Werte. Darunter fallen namentlich die juristisch fassbaren Rechtsgüter, die der BV, der Europäischen Menschenrechtskonvention der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101) und dem Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2) selbst zu entnehmen sind. Zu diesem Ensemble unbestrittener Grundelemente eines demokratischen Verfassungsstaates gehört ebenfalls die Glaubensfreiheit im Sinne von Art. 49 BV (VPB 59.66, S. 552; 53.48, S. 342).

Art. 3 Abs. 1 RTVG konkretisiert das kulturelle Mandat insoweit, als er dessen Erfüllung in der Gesamtheit der Programme fordert. Daraus folgt, dass nicht jede einzelne Sendung einen positiven Beitrag zur Hebung der kulturellen Werte leisten muss. Unzulässig wäre indessen eine Sendung, die in direktem Gegensatz zu dieser Verpflichtung stünde, ihr geradezu entgegenwirkte, etwa infolge vorwiegend destruktiven Charakters (VPB 60.85, S. 765; 59.66, S. 553; 53.47, S. 337).

2.2. In diesem Zusammenhang ist jedoch stets der in Art. 55bis Abs. 3 BV garantierten Programmautonomie des Veranstalters Rechnung zu tragen, die ihm insbesondere bei der Bestimmung seiner Themen, ihrer gestalterischen Umsetzung und der Wahl des Stilkonzepts einen weiten Spielraum gewährt (VPB 60.85, S. 760; 56.13, S. 99). Im Rahmen des Leistungsauftrags muss es somit jedem Veranstalter erlaubt sein, sich kritisch mit den verschiedensten Bereichen des staatlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Lebens auseinanderzusetzen. Insbesondere muss an Radio und Fernsehen Kritik und Opposition auch gegen dominierende politische Meinungen, herrschende Strukturen, Mehrheitsauf-fassungen und etablierte Ansichten und Institutionen möglich sein. Es ist kein Thema denkbar, das einer kritischen Erörterung in den elektronischen Medien entzogen sein müsste. Eine Grenze liegt indessen in der Art und Weise der redaktionellen und gestalterischen Umsetzung (VPB 59.67, S. 559; 59.66, S. 553).

3. Ein Interessenkonflikt, der sich aus der Konfrontation der Glaubensfreiheit mit der Programmfreiheit des Veranstalters ergeben kann, ist im Rahmen einer Güterabwägung zwischen den widerstreitenden Verfassungsrechten zu lösen.

3.1. Die Glaubensfreiheit im Sinne von Art. 49 BV garantiert die religiöse Überzeugung als selbstverantwortlicher Bereich des einzelnen Menschen (Ulrich Häfelin, Kommentar der Bundesverfassung, ad Art. 49 BV, Rz. 42). Werden religiöse Fragen in der Öffentlichkeit thematisiert, so erfordert dieses Grundrecht einen behutsamen Umgang mit den religiösen Gefühlen von Betroffenen. Für die elektronischen Medien gilt dabei ein strengerer Massstab als für Presseerzeugnisse, weil Radio und Fernsehen durch Art. 55bis BV in ein kulturelles Mandat eingebunden sind (VPB 54.47, S. 299). Zwar schützt die Glaubensfreiheit auch die Freiheit, Kritik zu üben an der Religion, an ihren Grundsätzen sowie an den religiösen Überzeugungen anderer. Mit Art. 261 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB, SR 311.0) hat der Bundesgesetzgeber jedoch eine Strafnorm geschaffen, «die der übermässigen und böswilligen Kritik an religiösen Anschauungen anderer Einhalt gebietet» (Häfelin, a. a. O., Rz. 146). Art. 261 Abs. 1 StGB bringt diesen Schutz zum Ausdruck, indem er die Beschimpfung oder Verspottung von Überzeugungen in Glaubenssachen oder die Verunehrung von Gegenständen religiöser Verehrung unter Strafe stellt. Die UBI hat in ihrer ständigen Praxis festgehalten, dass die Beurteilung einer Sendung unter strafrechtlichen Gesichtspunkten nicht in ihre Kompetenz fällt und dies allenfalls Aufgabe des Strafrichters sei. Eine Berücksichtigung von Normen des Strafrechts erachtet sie aber insofern als angezeigt, als diese allgemeine und elementare Prinzipien der Rechtsordnung zum Ausdruck bringen und einzelnen Rechtsgütern einen besonderen Schutz zukommen lassen (VPB 54.47, S. 298). Das Bundesgericht bezeichnet in seiner Praxis die Glaubensfreiheit, genauer die Achtung vor dem Mitmenschen und seiner Überzeugung in religiösen Dingen, als das von Art. 261 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut (BGE 86 IV 19, S. 23, bestätigt in BGE 120 Ia 220, S. 224 f.).

3.2. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz räumt der Glaubensfreiheit abwägungstechnisch in dem Mass ein besonderes Gewicht ein, als sie Glaubensfragen zu den sensiblen Bereichen zählt (VPB 54.47, S. 300 ff.; 53.48, S. 345). Praktisch äussert sich diese Privilegierung in der besonderen Sorgfalt, die vom Veranstalter hinsichtlich der Art und Weise verlangt wird, in der er religiöse Themen behandelt. Eine genügende Sorgfalt in den gestalterischen Modalitäten vorausgesetzt, ist der Veranstalter grundsätzlich jedoch frei, auch delikate Fragen aufzugreifen (VPB 59.66, S. 553).

4. Im konkreten Fall ist bei der verfassungsmässigen Interessenabwägung neben der Glaubensfreiheit die Meinungsfreiheit in die Waagschale zu legen.

4.1. Mit Blick auf die zu beurteilende Sendung ist zu beachten, dass es sich bei «Viktors Spätprogramm» um eine Humor- und Satiresendung handelt. Literatur und Rechtsprechung anerkennen, dass der Satire auch ein künstlerischer Wert zukommen kann (vgl. Georgios Gounalakis, Freiräume und Grenzen politischer Karikatur und Satire, Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1995, S. 809-816; Anja Bogler, Der verfassungsrechtliche Schutz von Satire und Karikatur, Archiv für Urheber- Film- Funk- und Theaterrecht [UFITA] 1988, S. 83-113; Georg Nolte, Falwell vs. Strauss: Die rechtlichen Grenzen politischer Satire in den USA und der Bundesrepublik, Europäische Grundrechte Zeitschrift [EuGRZ] 1988, S. 253-259; Thomas Würtenberger, Satire und Karikatur in der Rechtsprechung, NJW 1983, S. 1144-1151). Weil das Bundesgericht auch künstlerische Äusserungen durch die (ungeschriebene) Meinungsfreiheit geschützt sieht (Entscheid des BGer in Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung [ZBl] 1963, S. 365; BGE 101 Ia 255), ist im Rahmen der vorliegenden Güterabwägung dieses Grundrecht der Glaubensfreiheit gegenüberzustellen.

4.2. Mit der Glaubensfreiheit und der Meinungsfreiheit stehen sich zwei ideelle Grundrechte gegenüber; im Sinne der Wertordnung der Verfassung kann somit nicht von einem grundsätzlichen Vorrang des einen über das andere gesprochen werden. Unter den Bedingungen der elektronischen Medien schützt die Meinungsfreiheit gemäss Art. 55bis BV in erster Linie die freie Meinungsbildung des Publikums. Dem Veranstalter garantiert diese institutionell verstandene Freiheit in Abs. 3 lediglich die Programmautonomie (vgl. oben, E. 2.2). Wie das Bundesgericht betont, gilt diese nur im Rahmen der allgemeinen Informationsgrundsätze von Art. 4 RTVG bzw. von Art. 55bis Abs. 2 BV (BGE 122 II 471, S. 479; 121 II 29, S. 34).

5. Die Satire ist ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung, bei dem sich die Form bewusst nicht kongruent zur angestrebten Aussage verhält. Die Form der Satire übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich (VPB 60.91, S. 838). Ob sie jeweilen das Prädikat geistreich verdient, ist nicht Gegenstand einer Beurteilung durch die Beschwerdeinstanz. Voraussetzung der Tolerierung auch einer geschmacklosen Sendung ist aus programmrechtlicher Sicht freilich, dass die Zuhörer oder Zuschauer die von den Medienschaffenden gewählte Form auch als Satire erkennen können, und dass sie nicht verletzend ist. Solches kann leicht der Fall sein, wenn sie etwa den sensiblen Bereich des Religiösen, anderer gesellschaftlicher Wertvorstellungen oder von Liebe und Sexualität berührt, oder wenn sie Gewalt gegenüber Frauen, die Ausgrenzung benachteiligter Minderheiten, die Diskriminierung von Menschen anderer Rasse oder anderweitige Verletzungen der Menschenwürde banalisiert oder sich darüber lustig macht (11. Jahresbericht der UBI vom 19. Mai 1995, S. 18).

Hingegen liegt es im Rahmen der von der Verfassung gewährten Programmautonomie, dass sich ein Veranstalter in der Form der Satire kritisch mit den verschiedenen Bereichen des staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und – in zurückhaltender Weise – religiösen Lebens auseinandersetzt, dabei auch mit dominierenden politischen Meinungen, herrschenden Strukturen, Mehrheitsauffassungen sowie etablierten Ansichten und Institutionen. Die Beschwerdeinstanz hat jedoch in ihrer Praxis (VPB 60.91, S. 839; 55.37; 53.48; 52.30) festgehalten, dass auch der satirischen Behandlung eines Themas Grenzen gesetzt sind. Diese ergeben sich im konkreten Fall insbesondere aus dem sensiblen und deshalb besonders geschützten Bereich religiöser Gefühle.

6. Im Lichte dieser Grundsätze sind die angefochtenen Beiträge der Sendung «Viktors Spätprogramm» vom 20. November 1996, d. h. der Kurzfilm «Kirche und Darwin» und der Trailer zur Sendung, zu prüfen. Wegen der inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen den beiden Beiträgen beurteilt die UBI den Trailer und den Kurzfilm «Kirche und Religion» als zusammengehörendes Ganzes. Die programmrechtliche Würdigung der Sendung orientiert sich am Eindruck, den diese auf das Publikum macht; anders als etwa bei der strafrechtlichen Beurteilung ist nicht das Verschulden, die Absicht oder die subjektive Gesinnung der Medienschaffenden massgeblich. Die UBI hat Sendungen, so wie sie ausgestrahlt und empfangen wurden, zu beurteilen und allenfalls den Veranstalter zur Verantwortung zu ziehen.

6.1. Bei «Viktors Spätprogramm» handelt es sich um eine bekannte Humor- und Satiresendung, die regelmässig im Programm des Schweizer Fersehens DRS ausgestrahlt wird. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Zuschauer wissen konnten, auch in der Sendung vom 20. November 1996 mit Satire konfrontiert zu werden. Obwohl religiöse Themen wegen der besonderen Verletzlichkeit religiöser Gefühle nur mit Zurückhaltung zum Gegenstand von satirischen Sendungen im Fernsehen gemacht werden sollten, kann dem Veranstalter nicht vorgeworfen werden, dass er die päpstliche Botschaft zur Evolutionslehre in der angefochtenen Sendung thematisiert hat. Es ist der SRG darin zuzustimmen, dass die Anerkennung der Darwinschen Evolutionstheorie in einer im «Osservatore Romano» publizierten Botschaft des Papstes nach vielen Jahren ihrer vehementen Ablehnung spektakulär ist. Wie die SRG schreibt, ist diese Botschaft in den Medien weltweit zur Kenntnis genommen und zum Teil unter der Schlagzeile «Der Mensch stammt nun auch nach katholischer Glaubenslehre vom Affen ab» glossiert worden. Weil es zur Eigenart der Satire gehört, die letzten, wenn auch grotesken Folgerungen eines Ereignisses zu ziehen, durfte eine derartige Kehrtwendung einer mächtigen Institution zum Gegenstand einer Satiresendung gemacht werden. Solches zu verbieten, hiesse die Programmfreiheit des Veranstalters unverhältnismässig einzuschränken (VPB 53.48, S. 342 f.).

6.2. Wie bereits in E. 2.2 dargelegt, ist Voraussetzung einer Behandlung dieses heiklen Themas in einer Satiresendung jedoch, dass mit der Art und Weise in der sie gestaltet ist, auf die religiösen Überzeugungen der Gläubigen Rücksicht genommen wird. Diesbezüglich hält die angefochtene Sendung vor den Anforderungen des Programmrechts nicht stand, wie nachfolgend zu zeigen ist.

7. Im Rahmen der Sendung «Viktors Spätprogramm» vom 20. November 1996 leitete Viktor Giacobbo den Kurzfilm «Kirche und Darwin» ein mit den Worten: «…da muss man sich nicht wundern, dass jetzt der Papst herausgefunden hat, dass wir alle vom Affen abstammen. Damit meine ich nicht nur die Leute, die ich erwähnt habe, um Gottes Willen (…), alle Menschen stammen ja vom Affen ab. Eines aber ist sicher, die katholische Kirche ist die einzige Institution, die sich da noch recht umgewöhnen muss». Im nachfolgenden Kurzfilm, wurde ein von Viktor Giacobbo gespielter «katholischer Pfarrer» von einem Journalisten über die Folgen der päpstlichen Anerkennung der Lehre Darwins interviewt. Der erste Teil des Interviews spielte im «Studierzimmer» des «Pfarrers», die zweite vor einem Affenkäfig. Nachdem es im ersten Teil um mögliche Auswirkungen der erfolgten Anerkennung auf die redaktionelle Formulierung der Schöpfungsgeschichte ging, lenkte der Journalist vor dem Affenkäfig das Gespräch auf die Tatsache, dass der Mensch «ja jetzt auch nach der Kirchenlehre vom Affen» abstamme. Der «Pfarrer» äusserte hierauf, dass die katholische Kirche als Konsequenz davon nun versuche, den Affen vermehrt in die Kirche zu integrieren. Während er dies äusserte, warf der «Pfarrer» den Schimpansen im Käfig, die er mit Namen hoher Würdenträger der katholischen Kirche betitelte, diverse Bekleidungsstücke katholischer Priester zu.

Die Unabhängige Beschwerdeinstanz ist der Auffassung, dass dieser Kurzfilm an der Grenze einer Programmrechtsverletzung liegt. Nicht als besonders problematisch erachtet sie zunächst die Tatsache, dass die gezeigten Schimpansen mit Namen hoher Würdenträger betitelt wurden. Mit Blick auf den Schutzbereich der Glaubensfreiheit ist entscheidend, dass es hierbei in erster Linie um die katholische Kirche als Institution gegangen ist und nicht um die religiösen Überzeugungen von Gläubigen. Während religiöse Gefühle und Glaubensüberzeugungen von einzelnen Menschen besonders rasch verletzt sein können, benötigen die Kirche als mächtige Institution der Gesellschaft und ihre Exponenten als Personen öffentlichen Interesses keinen erhöhten Schutz als solche und dürfen – im Rahmen der E. 2.2 – auch kritisiert werden. Schwerer wiegt hingegen, dass den Affen im Käfig Bestandteile von religiösen Gewändern zum Spiel vorgeworfen wurden. Die SRG bringt hierzu vor, dass für die Zuschauer erkennbar gewesen sei, dass es sich hierbei nicht um originale, sondern um nachgeahmte kirchliche Gewänder handelte. Auch wenn dies zutreffen mag, ändert es nichts daran, dass der gezeigte Umgang mit Gegenständen, denen im katholischen Glauben ein symbolischer Wert zukommt, an sich problematisch ist. Dennoch betrachtet die UBI diesen Kurzfilm für sich alleine noch nicht als programmrechtsverletzend.

8. Etwas anderes gilt hingegen für den Trailer, mit dem die Sendung «Viktors Spätprogramm» im Vorfeld ihrer Ausstrahlung vom 20. November 1996 angekündigt wurde.

8.1. Der Trailer zeigte den von Viktor Giacobbo gespielten «katholischen Pfarrer» vor einem Affenkäfig, der sich wie folgt äusserte: «Gemäss dem Heiligen Vater stammen wir alle ja jetzt vom Affen ab und darum versuchen wir jetzt auch den Affen zu integrieren in kirchliche Dienste. Wir haben hier eine neue Oblatenform entwickelt. Und jetzt schauen wir». Mit den Worten «So, noch nicht jetzt. Jetzt kannst du ihn nehmen.» langte der «Pfarrer» dem im Käfig sitzenden Affen die als Oblate bezeichnete Banane. Damit endete der nur wenige Sekunden dauernde Trailer.

8.2. In einem früheren Entscheid zu einer Satieresendung am Radio («Kaktus») hat die UBI im Zusammenhang mit dem Schutz religiöser Gefühle festgestellt, dass die Grenze einer Programmrechtsverletzung dann überschritten ist, wenn zentrale Glaubensinhalte lächerlich gemacht werden (VPB 53.48, S. 342 f.). In der von der UBI hauptsächlich gerügten Sequenz der Sendung «Kaktus» ging es darum, dass der Geschlechtsakt zweier Personen von einem Priester in der Form einer Litanei begleitet wurde. Die Beschwerdeinstanz hielt dazu fest, dass die Programmschaffenden damit den hohen emotionalen Gehalt der Litanei als zentraler Bestandteil des katholischen Kultus missachteten und damit das Programmrecht verletzten (VPB 53.48, S. 344 f.). Der vorliegende Fall wird von der UBI als ähnlich gelagert betrachtet. Hier liegt die Hauptproblematik darin, dass die Hostie damit lächerlich gemacht wurde, dass sie mit einer Banane gleichgesetzt und Affen gefüttert wurde. Die Hostie, d. h. eine dünne, aus Weizenmehl und Wasser gebackene Scheibe, ist das Abendmahlsbrot (Hostie). Der Hostie kommt im Rahmen der katholischen Glaubensüberzeugungen eine zentrale Bedeutung zu, da mit ihr im Sinne der Eucharistie die wahrhafte und wirkliche Gegenwart von Jesus Christus in der Gestalt des Brotes gemeint ist. Durch ihre Konsekration sind die eucharistischen Gestalten und damit auch die Hostie zu einem fortdauernden Sakrament geworden. Die satirische Aufmachung der Szene hat nichts daran zu ändern vermocht, dass namentlich Zuschauer katholischen Glaubens den Trailer als Gleichsetzung einer Hostie beziehungsweise des Leibes Christi mit einer Banane verstehen mussten. Im Ergebnis erschien ihnen damit der Umstand, dass die Banane den Affen zum Frass vorgesetzt wurde, als Verunehrung eines Sakraments. Weil auf diese Weise der zentrale Gegenstand des katholischen Glaubens lächerlich gemacht wurde, hat der Veranstalter die religiösen Überzeugungen der Zuschauer verletzt. Deshalb ist die Beschwerde in diesem Punkt begründet.

9. Unter Würdigung der angefochtenen Beiträge in ihrer Gesamtheit kommt die Beschwerdeinstanz zum Ergebnis, dass die Sendung «Viktors Spätprogramm» vom 20. November 1996 die Programmvorschriften verletzt hat. Während der Kurzfilm «Kirche und Darwin» noch im Rahmen des Tolerierbaren geblieben ist, wurden mit dem Trailer die religiösen Überzeugungen der Zuschauer verletzt. Als Ganzes beurteilt, hat die fragliche Sendung damit die Grenze einer Rechtsverletzung überschritten. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen.

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Homepage der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen

Entscheid der UBI wegen Verletzung religiöser Gefühle

7. März 1997, Publikation der Bundeskanzlei

VPB 61.67 Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 7. März 1997; b. Art. 3 RTVG in Verbindung […]

HUMOUR: Le QI inversement proportionnel à la toison qu’il exhibe sur sa poitrine, il est devenu une star outre-Sarine.Harry Hasler a trois passions. Dans l’ordre: les grosses bagnoles, les «heissi Wiiber», comprenez «chaudes femelles», et les poils blonds roussis de son thorax. Ces poils qui laissent pantelantes – c’est Harry qui le dit du haut de ses talonnettes blanches – toutes les «chattes» de Schwamendingen, la banlieue popu de Zurich où sévit l’abominable macho, chemise béante, veste à franges et pantalon moulant.

Harry Hasler a un métier, l’import-export de cassettes vidéo «culturelles», et des loisirs, il s’envole pour Bangkok «si tu vois ce que je veux dire», lance-t-il en décrochant plusieurs clins d’oeil appuyés. Pourtant, quand ce Monsieur peu fréquentable monte sur la scène du Kaufleuten, la boîte branchée où la télévision alémanique tourne le show mensuel du cabarettiste et chroniqueur Viktor Giacobbo, c’est un véritable tabac.

IL LES VEUT TOUTES Pour ne pas mourir idiot, sachez que Giacobbo et Hasler ne font qu’un, comme Marie-Thérèse Porchet et Joseph Gorgoni. Mais que, différence de taille, si Marie-Thérèse s’avoue truie, elle n’en pince que pour un seul, Massimo, alors qu’Harry, lui, les veut toutes du moment qu’elles s’échauffent. Succès aidant, Viktor-Harry a sorti un disque – avec des poils blonds imprimés sur le CD – qui ne décolle plus du hit-parade depuis juin et un clip d’un goût particulier puisque Harry y frotte ses fameux poils aux arguments forcément généreux et tressautants de danseuses dénudées.

Depuis, une onde de choc électrise les eaux de la Limmat. Dans cette ville où un lancer de confettis pourrait être taxé de manifestation phallique, où le parler politiquement correct est devenu une seconde nature, Harry plonge les Alémaniques hilares dans un grand doute existentiel. D’où vient ce rire? Qui sommes-nous pour nous tordre devant tant de vulgarité? Enfin: Harry existe-t-il?

Sachant qu’un problème posé est à moitié résolu, les Alémaniques ont décidé d’en parler. Et ils en parlent, une véritable logorrhée déferle sur les ondes des télévisions et des radios, locales et nationales, envahit toutes les colonnes des journaux, du «Blick» populaire à l’intellectuelle «Weltwoche» pour se poursuivre dans les soirées privées. Ce mardi soir-là, Harry est invité à la ronde de discussion du «Zischtig-Klub», où plutôt Viktor Giacobbo, légèrement dépassé par le succès de sa créature.

Engoncés dans leur fauteuil, les invités devisent et se posent donc la question: Harry existe-t-il? Harry est-il rigolo? Une féministe affirme qu’elle ne connaît aucun spécimen de ce genre et qu’il n’y a rien à rire, sa voisine, psychologue, est persuadée au contraire que le monde est plein de machos, enfin un «nouvel homme» militant pour sa masculinité porte un regard compassé sur ce pauvre Hasler qui fanfaronne et n’ose pas se montrer faible, ni pleurer devant ses amis. Pour lui, Harry, c’est un perdant, plus ridicule que rigolo.

VIVE LES MACHOS Vera Dillier, la plus célèbre connaisseuse de la jet-set de Saint-Moritz, n’est pas du tout d’accord. Les perdants sont les compréhensifs, les hommes kleenex, les softies. Elle, elle aime beaucoup Harry, les machos en général, les hommes quoi, les vrais, «comme on n’en trouve plus qu’en Argentine». Une recrue à peine sortie de la puberté affirme que toute sa compagnie parle comme Harry. «Pour rire», précise-t-il. Viktor Giacobbo, lui, ne cesse de répéter que son personnage est une invention, une satire, et qu’il n’est pas comme lui, même s’il lui porte une certaine affection.

Dans les soirées entre amis, on tombe généralement d’accord: Harry existe! On en trouve à chaque Stammtisch de quartier. La preuve: certains s’identifient à lui comme on a pu le lire dans les journaux. Cette déléguée du CICR a trouvé là l’explication: «On rit parce que c’est de la „Realsatire“.» Une jeune Zurichoise s’amuse peu du personnage, mais affirme que ceux qui rient sont sûrement «des types goûtant cet humour gras au premier degré».

Bien. Nous détenons ainsi un bout de réponse: la Suisse alémanique serait divisée en deux catégories d’hilares: d’un côté ceux qui sont aussi beauf qu’Harry et se tapent les cuisses quand il chante que «dans mon pantalon, il y a une grosse banane», de l’autre ceux qui sourient de cette classe d’ignares et d’antiféministes primaires représentée par Monsieur Hasler qui ose demander à une psychologue: «Quand vous dites relation, je dois comprendre baiser?»

Mais peut-être bien qu’un troisième rire se cache derrière le succès formidable du personnage. Un rire qui vient de loin, longtemps retenu, qui bout lentement puis arrache sur son passage tous les barrages mentaux pour jaillir comme un carnaval lubrique et débridé à la tête des féministes du monde entier.

LE BLUES ALÉMANIQUE Parce qu’Harry, c’est aussi la revanche du mâle alémanique qui ne dit plus jamais Mademoiselle et écrit «cheffe» en marmonnant dans la barbe qu’il n’a plus, qui se fait injurier quand il offre un verre à une belle inconnue et dont la gorge ne laisserait plus jamais passer un sifflement, si ce n’est pour appeler son chien. Ah oui, cet Harry est une espèce en voie de disparition et c’est tant mieux, mais il aimerait tant avouer à sa compagne que ce n’est pas son grand coeur ni son doctorat en biologie qui le rendent fou, mais bel et bien la partie la plus charnue de son anatomie. C’est sans doute pour ce genre de raisons que les Romands ne rient pas, ou si peu, quand ils découvrent cet Harry dégoûtant sur le petit écran: de ce côté-ci de la Sarine, on prononce sans sourciller des plaisanteries salaces et politiquement incorrectes, les femmes s’en offusquent peu, et l’on comprend donc mal le blues de l’homme alémanique.

Harry Hasler, la revanche du mâle alémanique

17. Oktober 1996, L'Hebdo, von Catherine Bellini

HUMOUR: Le QI inversement proportionnel à la toison qu’il exhibe sur sa poitrine, il est devenu une star outre-Sarine.Harry Hasler […]

VPB 60.91: Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 1. Dezember 1995; b.302

Fernsehen. Sachgerechtigkeitsgebot bei Satiresendungen.

Art. 64 Abs. 3 RTVG. Sistierung des Verfahrens vor der UBI.

Soweit Fragen, welche die freie Meinungsbildung des Publikums betreffen, losgelöst vom Ausgang hängiger Zivil- und Strafrechtsprozesse beurteilt werden können, ist eine Sistierung des Verfahrens nicht angezeigt.

Art. 4 Abs. 1 RTVG. Sachgerechtigkeitsgebot bei Satiresendungen.

Die Eigenart der Satireform räumt einen gestalterischen Spielraum ein, der seine Grenzen in den Bestimmungen des Programmrechts findet. Obwohl sich das Sachgerechtigkeitsgebot schwergewichtig an Informationssendungen richtet, ist es auch bei Satiresendungen zu beachten.I

A. In der Sendung «Victors Spätprogramm» vom 15. März 1995 führte der Sendeleiter Victor Giacobbo unter anderem ein Gespräch mit dem Kabarettisten Lorenz Keiser. Darin kam Giacobbo auch auf das Buch «Der Erreger» zu sprechen, das Lorenz Keiser vor einiger Zeit publizieren wollte. Keiser erklärte, dass seit zweieinhalb Jahren eine provisorische richterliche Verfügung den Buchverkauf verbiete. Giacobbo ergänzte: «Du hast darin behauptet, und das ist ja das, was nicht erlaubt ist, du hast den ehemaligen Nationalrat und heutigen Volksbankpräsidenten, Gianfranco Cotti, mit Geldwäscherei in Verbindung gebracht. Und das darf man ja nicht sagen.» Keiser entgegnete, dass Cotti nur meine, dass dies darinstehe und das Buch aus diesem Grunde habe verbieten lassen. Giacobbo und Keiser verständigten sich in der Folge darauf, dass die entscheidenden Stellen des Buches abzuschwärzen seien, so dass es wieder vertrieben werden dürfe. Giacobbo kommentierte das Hantieren Keisers mit einem dicken schwarzen Filzstift an einem mitgebrachten Exemplar des Buches: «…Jawohl, er schwärzt ab, dass Herr Cotti einmal etwas zu tun gehabt hat mit Geldwäscherei.» Wenig später doppelte Giacobbo nach: «…Das Wort Geldwäscherei und Gianfranco Cotti kommt nicht über unsere Lippen».

B. In der Sendung «Victors Spätprogramm» vom 14. Juni 1995 unterhielt sich Victor Giacobbo mit zwei Kabarettisten über Giuliano Bignasca, der am Vortag als Nationalrat vereidigt worden war. Der eine Kabarettist trat als «Bignasca» mit verbundenem Mund, der andere, Stolte Benrath, als «Bignasca-Experte» auf. Nachdem sich Giacobbo und Benrath über den Meinungsbildungsprozess Bignascas, der vor allem im Bauch stattfinde, belustigt hatten, fragte Giacobbo, ob es nicht ein Problem sei, dass Bignasca vorbestraft sei und mit ihm ein Delinquent im Parlament Einsitz nehme. Benrath antwortete: «Ich glaube nicht, dass das wirklich ein Problem ist. Ich meine, wir haben im Parlament auch andere Kriminelle. Da wäre einmal der Gianfranco…». Giacobbo fiel ihm ins Wort: «Ja den Namen nicht nennen, nicht schon wieder…».

C. Gegen beide Sendungen erhebt Gianfranco Cotti (hiernach: Beschwerdeführer) am 28. Juli 1995 Programmrechtsbeschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Er stellt namentlich den Antrag, «es sei festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin mit ihren Sendungen vom 15. März und vom 14. Juni 1995 die Programmbestimmungen des BG vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG, SR 784.40) sowie die Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft verletzt hat.» Konkret rügt er, dass sein Name in der Sendung vom 15. März 1995 von Giacobbo und Keiser wiederholt in Verbindung mit Geldwäscherei gebracht worden sei. In der zweiten angefochtenen Sendung vom 14. Juni 1995 sei er wider besseres Wissen als kriminell tituliert worden. Damit verstiessen beide Sendungen hauptsächlich gegen das Sachgerechtigkeitsgebot.

D. In Anwendung von Art. 64 Abs. 1 RTVG wurde die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) zur Stellungnahme eingeladen.

Sie beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie zu sistieren, weil gegenwärtig zivil- und strafrechtliche Verfahren zwischen dem Beschwerdeführer und Lorenz Keiser hängig seien. Subeventuell sei die Beschwerde abzuweisen. Materiell macht sie geltend, dass dem Publikum der satirische Charakter der fraglichen Sendungen erkennbar gewesen sei. Es seien keine affirmativen «schuldzuweisenden» Aussagen gemacht worden; vielmehr liessen gerade die verwirrenden Wortspiele das Publikum im Klaren darüber, dass der Inhalt des «Erregers» rechtlich nach wie vor umstritten und Gegenstand eines Prozesses sei.

E. Im Rahmen eines von der UBI angeordneten zweiten Schriftenwechsels hielten die Parteien an ihren Anträgen fest. Soweit angezeigt, wird auf die einzelnen Vorbringen der Parteien in den Erwägungen eingegangen.

II

1. Der Beschwerdeführer beschwert sich gegen zwei Sendungen, die am 15. März 1995 und am 14. Juni 1995 ausgestrahlt worden sind und somit innerhalb der dreimonatigen Frist von Art. 60 Abs. 2 RTVG liegen.

Damit auf eine sogenannte Zeitraumbeschwerde eingetreten werden kann, bedarf es nach der Praxis der UBI zusätzlich eines sachlichen Konnexes beziehungsweise eines thematischen Zusammenhanges der fraglichen Sendungen (VPB 59.42, S. 350; 55.34, S. 316). Weil in beiden Sendungen Gianfranco Cotti in Verbindung mit Geldwäschereigeschäften beziehungsweise kriminellen Handlungen gebracht wurde, ist dieser Zusammenhang vorliegend gegeben.

Der Beschwerdeführer war selbst Gegenstand der angefochtenen Sendung und ist somit zur Individualbeschwerde im Sinne von Art. 63 Abs. 1 Bst. b RTVG legitimiert. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Programmrechtsbeschwerde ist somit einzutreten.

2. Die SRG beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten beziehungsweise sie sei zu sistieren, weil gegenwärtig zivil- und strafrechtliche Verfahren zwischen dem Beschwerdeführer und Lorenz Keiser im Zusammenhang mit dem Buch und dem Theaterstück «Der Erreger» hängig seien.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die UBI zu Rügen nicht zu äussern hat, die sich – explizit oder implizit – auf Bestimmungen des Straf- oder Zivilrechts beziehen. Ihre Beurteilung fällt in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Weiter ist zu betonen, dass es in den erwähnten Prozessen um Ehr- und um Persönlichkeitsrechte zweier Privatpersonen im Zusammenhang von Publikationen und deren richterlichem Verbot geht. Im konkreten Fall stehen demgegenüber die Rechte des Publikums auf eine freie Meinungsbildung zur Prüfung; zu beurteilen ist mithin die kommunikative Wirkung der angefochtenen Sendungen auf die Zuschauer und die Erfüllung der durch die konkreten Umstände gebotenen Sorgfaltspflicht durch den Veranstalter (VPB 53.48, S. 342; BGE 119 Ib 166, 169). Diese Fragen können hier losgelöst vom Ausgang der hängigen Zivil- und Strafrechtsprozesse entschieden werden (BGE 120 Ib 156, 160).

3. Tritt die UBI auf eine Beschwerde ein, ist sie nach Art. 65 RTVG nicht an die Vorbringen der Parteien gebunden. Sie prüft daher im vorliegenden Fall die formgerecht beanstandete Sendung als Ganzes auf ihre Übereinstimmung mit den massgeblichen Programmbestimmungen, ohne von den Anträgen und Rügen der Beschwerdeführer eingeschränkt zu sein (VPB 60.23, S. 178).

4. Der Beschwerdeführer macht hauptsächlich die Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots geltend.

4.1. Das Gebot der sachgerechten Darstellung von Ereignissen ergibt sich dem Grundsatz nach aus dem umfassenden Leistungsauftrag von Art. 55bis Abs. 2 BV. Demzufolge haben Radio und Fernsehen insbesondere zur kulturellen Entfaltung und zur freien Meinungsbildung beizutragen und dabei auch die Eigenheiten des Landes zu berücksichtigen. Die in Art. 55bis Abs. 2 BV aufgeführten unbestimmten Gesetzesbegriffe sind im Prozess der Interessenabwägung zu konkretisieren. Dabei ist auch der in Art. 55bis Abs. 3 BV garantierten Programmautonomie des Veranstalters Rechnung zu tragen, die ihm insbesondere bei der Bestimmung seiner Themen, ihrer gestalterischen Umsetzung und der Wahl des Stilkonzepts einen weiten Spielraum gewährt (VPB 60.23, S. 178; 56.13, S. 99).

4.2. Auf Gesetzesstufe findet sich das Sachgerechtigkeitsgebot in Art. 4 RTVG wieder. Die UBI hat aus dem in Abs. 1 dieser Bestimmung enthaltenen Gebot der sachgerechten Darstellung von Ereignissen in ihrer Praxis abgeleitet, die Hörer oder Zuschauer müssten sich aufgrund der in der Sendung vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt machen können und damit in die Lage versetzt werden, sich ihrerseits frei eine eigene Meinung bilden zu können (VPB 60.24, S. 183; 59.14, S. 110).

5. «Victors Spätprogramm» ist eine Humor- und Satiresendung, die sich im Programm des Fernsehens der deutschen und rätoromanischen Schweiz (DRS) etabliert hat.

5.1. Die Satire stellt ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung dar, in dem sich die Form bewusst nicht kongruent zur angestrebten Aussage verhält. Die Form der Satire übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich (nicht publizierter Entscheid der UBI [UBIE] b. 273 vom 27. August 1993, S. 5). Ob sie jeweilen das Prädikat geistreich verdient, ist nicht Gegenstand einer Beurteilung durch die UBI. Voraussetzung der Tolerierung auch einer geschmacklosen Sendung ist aus programmrechtlicher Sicht freilich, dass die Zuhörer oder Zuschauer die von den Medienschaffenden gewählte Form auch als Satire erkennen können, und dass sie nicht verletzend ist. Solches kann leicht der Fall sein, wenn sie etwa den sensiblen Bereich des Religiösen, anderer gesellschaftlicher Wertvorstellungen oder von Liebe und Sexualität berührt, oder wenn sie Gewalt gegenüber Frauen, die Ausgrenzung benachteiligter Minderheiten, die Diskriminierung von Menschen anderer Rasse oder anderweitige Verletzungen der Menschenwürde banalisiert oder sich darüber lustig macht (11. Jahresbericht der UBI vom 19. Mai 1995, S. 18).

5.2. Hingegen liegt es im Rahmen der von der Verfassung gewährten Programmautonomie, dass sich ein Veranstalter auch in der Form der Satire kritisch mit den verschiedenen Bereichen des staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und – in zurückhaltender Weise – religiösen Lebens auseinandersetzt, dabei auch mit dominierenden politischen Meinungen, herrschenden Strukturen, Mehrheitsauffassungen sowie etablierten Ansichten und Institutionen. Die UBI hat jedoch in ihrer Praxis (VPB 55.37, 53.48, 52.30, zuletzt im nicht veröffentlichten UBIE b. 273 vom 27. August 1993) festgehalten, dass auch der satirischen Behandlung eines Themas Grenzen gesetzt sind. Abgesehen von den oben erwähnten sensiblen Bereichen, die in concreto nicht tangiert sind, ergeben sich diese aus dem Sachgerechtigkeitsgebot.

5.3. Gemäss der Praxis der UBI richtet sich das Sachgerechtigkeitsgebot – zwar nicht ausschliesslich, aber doch schwergewichtig – an Sendungen, in denen Informationen übertragen werden. Bei Satiresendungen ist das Gebot unter Berücksichtigung der besonderen Formmerkmale des Genres anzuwenden, die in der in E. 5.1. erwähnten Definition zum Ausdruck kommen. Demnach besteht die Eigenart der Satireform darin, dass sie einen bestimmten Ausschnitt der Realität durch Veränderungen der Form übersteigert, verfremdet, umstellt, banalisiert, karikiert usw. Inhaltlicher Ausgangspunkt satirischer Verzerrungen ist grundsätzlich die von der Allgemeinheit als gültig erachtete Wirklichkeit. Sachgerecht ist somit eine Satire nur solange, als die ihr zugrundeliegende Wirklichkeit – trotz aller Verzerrung – identifizierbar bleibt und nicht etwa durch eine falsche Wirklichkeit, die Gültigkeit beansprucht, ersetzt wird.

6. Diese Grundsätze sind auf die beiden angefochtenen Sendungen vom 15. März beziehungsweise 14. Juni 1995 anzuwenden.

6.1. Die UBI hat den umstrittenen Beitrag der Sendung vom 15. März 1995 visioniert und kommt zum Ergebnis, dass er den Toleranzbereich, den die Satire zubilligt, überschritten hat. In concreto diente die Form der Satire lediglich als Deckmantel, um den Zuschauern den Aussagegehalt mitzuteilen, dass es sich bei Gianfranco Cotti um einen Geldwäscher handle. Entgegen der Behauptung der SRG stand weniger der Ausgang des Prozesses zum Publikationsverbot von Keisers Buch «Der Erreger» im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern – wegen ihrer Brisanz – vielmehr die Bezichtigung Cottis zur Geldwäscherei. Die UBI geht davon aus, dass die Sendung «Victors Spätprogramm» von einem Publikum rezipiert wird, das mit den Formen der Satire vertraut ist. Obwohl deshalb eine spezifische Erwartungshaltung der Zuschauer vorausgesetzt werden kann, verfügt die fragliche Sendung nicht über einen Freipass, sondern lediglich über einen gestalterischen Spielraum innerhalb der Grenzen des Programmrechts.

Die Bestimmungen des Programmrechts jedoch sind durch den beanstandeten Beitrag verletzt worden, weil der satirischen Verfremdung der Form die in E. 5.3. erwähnte reale Ausgangsbasis bezüglich des Inhalts fehlte. Es entspricht einem anerkannten Grundsatz der schweizerischen Rechtsordnung, dass jemand hinsichtlich eines bestimmten Tatbestandes des Strafgesetzbuches so lange als unschuldig zu gelten hat, als nicht ein rechtskräftiger Richterspruch das Gegenteil feststellt. Die SRG bringt nichts vor, das auf eine rechtskräftige Verurteilung Cottis schliessen liesse. Somit ist von der Unschuld Cottis hinsichtlich des Tatbestandes der Geldwäscherei auszugehen. Stellt die Unschuld Cottis die reale Basis dar, verletzt der angefochtene Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot, indem er suggeriert, dass die gegenteilige Aussage der Wirklichkeit besser entsprechen würde. Sätze wie: «…er schwärzt ab, dass Cotti einmal etwas zu tun gehabt hat mit Geldwäscherei» oder «Das Wort Geldwäscherei und Gianfranco Cotti kommt nicht über unsere Lippen», unterstellen, dass Cotti in Tat und Wahrheit ein Geldwäscher sei, diese «Wahrheit» aber weder gedruckt noch am Fernsehen verbreitet werden dürfe. Die Behauptung der SRG in ihrer Stellungnahme, dass keine «affirmativen Aussagen» gemacht worden seien, erscheint vor diesem Hintergrund als zu formalistisch. Würdigt man die umstrittene Sequenz in ihrer Gesamtheit, ist die mehrfache Gleichsetzung von Cotti mit Geldwäscherei das, was davon im Gedächtnis der Zuschauer haften bleibt; daran vermag auch der Trick nichts zu ändern, dass man die Aussage jeweils gleichsam algebraisch einklammerte und eine Negation vor die Klammer setzte.

Aufgrund der Würdigung des angefochtenen Beitrags in seiner Gesamtheit kommt die UBI zum Ergebnis, dass die Sendung «Victors Spätprogramm» vom 15. März 1995 das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt hat.

6.2. Aus der E. 6.1. folgt, dass die Beschwerde ebenfalls bezüglich der Sendung «Victors Spätprogramm» vom 14. Juni 1995 begründet ist. Umstritten ist hier die Formulierung Stolte Benraths: «Ich meine, wir haben im Parlament auch andere Kriminelle. Da wäre einmal der Gianfranco…» und die unmittelbar anschliessende Antwort Victor Giacobbos, der ihm mit folgender Äusserung die Rede abschnitt: «Ja den Namen nicht nennen, nicht schon wieder…». Auch die SRG räumt ein, dass mit diesem Wortwechsel offensichtlich Gianfranco Cotti gemeint war, und das Publikum dies auch so verstand. Diese tatsachenwidrige und wider besseres Wissen formulierte Suggestion ist auch nicht durch die Form der Satire zu rechtfertigen und vermag den Anforderungen journalistischer Sorgfaltspflicht nicht zu genügen. Bei Zuschauern, die lediglich diese eine Sendung gesehen haben, konnte der Eindruck haften bleiben, dass Gianfranco Cotti ein Rechtsbrecher sei. Zuschauer, die bereits die Sendung vom 15. März 1995 gesehen hatten, konnten in ihrem möglicherweise dort erzeugten Verdacht bestärkt werden,

dass es sich bei Cotti um einen Geldwäscher handle. Unter dem Gesichtspunkt der journalistischen Sorgfaltspflicht fällt erschwerend ins Gewicht, dass dieselbe Person in demselben Sendegefäss innert kurzer Frist ein zweites Mal ungerechtfertigt der Geldwäscherei beziehungsweise Kriminalität bezichtigt worden ist. Unabhängig von Fragen des Persönlichkeitsrechts und des Ehrenschutzes ist aus programmrechtlicher Sicht eine erhöhte Sorgfalt hinsichtlich der Verwendung von Kriminalitätsbezichtigungen zu fordern, die auch für Satiresendungen gelten muss. Diese Sorgfalt liess der fragliche Beitrag vermissen. Aus diesen Gründen hat er das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt.

7. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die angefochtenen Beiträge der Sendungen «Victors Spätprogramm» vom 15. März 1995 und vom 14. Juni 1995 das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt haben und die Beschwerde gutzuheissen ist.

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Homepage der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen

Entscheid der UBI zu Geldwäschereivorwurf und „sachgerechter Satire“

1. Dezember 1995, Publikation der Bundeskanzlei

VPB 60.91: Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 1. Dezember 1995; b.302 Fernsehen. Sachgerechtigkeitsgebot bei Satiresendungen. Art. […]

2017