Viktor Giacobbo

, 25. März 2006, von Alois Feusi

Nervenkitzel und ein Kamel auf dem Kamel

Saisonpremiere des Zirkus Knie mit Viktor Giacobbo in Rapperswil

Wo steckt bloss dieser blöde Zweifränkler? Die Vorstellung hat bereits begonnen, als ein belämmerter Althippie mit zotteliger Vorne-kurz- hinten-lang-Matte auf dem Kopf auftaucht und unbeeindruckt von Stallmeister und Publikum im Sägemehl herumscharrt. Denn Fredi Hinz, dieses Kamel, hat im letzten Sommer beim Grillieren exakt auf diesem Parkplatz eine Münze vergraben. «Muesch de Schtutz zerscht verloche, bevor d en wieder useholsch. Das han i vom Martin Ebner glehrt», verkündet Hinz alias Viktor Giacobbo mit treuherzigem Hundeblick in die Runde, ehe ihm dämmert, dass er im Zirkus gelandet ist und dass hier gearbeitet wird.

Blowin‘ in the Wind

Arbeiten beim Zirkus, das wäre eigentlich auch etwas für Fredi Hinz. Eine Tierdressur schwebt ihm vor, eine mit einem Walfisch, galoppierenden Zebras und einem Ritt auf einem Tiger. Ganz so ausgefallen wird die Nummer dann zwar nicht, aber am Schluss des neuen Programms des Zirkus Knie, das am Freitag in Rapperswil die Saisonpremiere erlebt hat, darf Hinz immerhin eine Art Kameldressur zeigen und, rücklings aus der Manege reitend, auf der Blockflöte ein krächzendes «Blowin‘ in the Wind» spielen.

Bis es so weit ist, gibt es eine Menge zu lachen mit Giacobbos Fredi Hinz, seinem schlitzohrigen Inder Rajiv und seinem Dumpfblondie Debbie Mötteli. Und obschon die eine oder andere Textpassage noch einen letzten Feinschliff vertragen kann, ist schon nach der Generalprobe vom Freitagnachmittag klar, dass die Familie Knie mit ihrer schon traditionellen Verpflichtung eines Grossen der Schweizer Kleinkunst einmal mehr ein glückliches Händchen gehabt hat. – Noch viel mehr Tradition als die Komiker-Gastspiele haben Knies Tiernummern. Géraldine Knie präsentiert eine sehr harmonische Freiheitsdressur mit Friesen und Palominos, ihr Vater Fredy Knie beweist augenzwinkernden Humor und galoppiert im Kreis um einen auf den Hinterbeinen tänzelnden Araberschimmel, und als sich der kecke Ivan Frédéric mit seinem Shetland-Pony dazugesellt, stehen gleich drei Generationen in der Manege. Ivans Grossmutter Marie-José zeigt fünf Lamas und fünf Guanakos, und Franco Knie senior und Franco junior begeistern mit einer ausserordentlich spielerischen, leichtfüssigen Dressur ihrer sechs Elefantendamen.

Zum wiederholten Mal dabei sind die jungen Frauen der Compagnie aus Kasachstan. Sie führen zusammen mit Giacobbo/Hinz durch ein Programm mit einer phantastischen siebenköpfigen Diabolo-Truppe sowie einem gelenkigen Ikarier- Paar aus China, einer kraftvollen Schleudernummer am russischen Barren und einem athletisch- sinnlichen Tango an der vertikalen Stange, vorgeführt von der in Freienbach am Zürichsee aufgewachsenen Sandra Feusi und ihrem amerikanischen Gatten Sam Payne.

Wagemutige Messerwerfer

Gleichsam die Klammer um das Programm schliessen ein italienisches Armbrust- und Messerwerfer-Duo sowie ein Brüderpaar aus Ecuador auf dem Todesrad. Wenn der Italiener seiner Frau einen Apfel vom Kopf schiesst oder mit Messern auf die an einer Scheibe rotierende Partnerin wirft, stockt dem Publikum der Atem ebenso, wie wenn die waghalsigen Südamerikaner todesmutig auf und in ihren Gitterrädern wirbeln: Das ist Nervenkitzel allererster Güte.

2017