Viktor Giacobbo

, 13. März 2002, von Gerda Wurzenberger

Kleiner Mann in grosser Mission

Komik ist eine ernste Angelegenheit mit strengen Gesetzen. Ob es etwas mit der langen Tradition der direkten Demokratie zu tun hat, dass in der Schweiz immer sehr viel über Komik debattiert wird? Jedenfalls gehören Komödien auch hierzulande zu den erfolgreichsten Filmen im Kino. Doch so grundsätzlich wie etwa in «Die Schweizermacher» oder in «Beresina oder Die letzten Tage der Schweiz» gehen die deutschsprachigen Nachbarn höchstens literarisch mit ihrem Land ins Gericht. Existiert die Schweiz vielleicht doch sehr viel mehr, als wir glauben?

In der neusten Schweizer Filmkomödie geht es unter anderem auch darum, «wie in der Schweiz Politik gemacht wird». Der das sagt, ist nicht nur einer der erfolgreichsten Satiriker (und Komiker) der Schweiz, sondern auch Drehbuchautor und Hauptdarsteller von «Ernstfall in Havanna»: Viktor Giacobbo. Als ihm vor einigen Jahren ein Bekannter erzählte, dass die Schweizer Botschaft in Kuba auch die Interessen der USA vertrete (da die USA bekanntlich keine diplomatischen Kontakte mit Kuba pflegen), da begann es im Satirezentrum von Giacobbos Gehirn zu rumoren. Er setzte die Zürcher Produzentin Ruth Waldburger davon in Kenntnis, die sowieso schon lange einen Film mit Giacobbo machen wollte. – Gemeinsam mit Domenico Blass wurde ein Drehbuch geschrieben und dieses Sabine Boss zum Lesen gegeben, die ihr Talent in der Schauspielerführung mit ihrem ersten Langspielfilm unter Beweis gestellt hatte, der Fernsehproduktion «Studers erster Fall». Sie bestand darauf, das Casting selbst vorzunehmen, da für sie von Anfang an ausgeschlossen war, dass irgendjemand aus dem Umfeld von «Viktors Spätprogramm» mit dabei sein sollte, mit Ausnahme von Giacobbo – und am Ende auch von Mike Müller.

Gedreht wurde dann mehrheitlich in Santo Domingo in der Dominikanischen Republik, wo man laut Sabine Boss bestens auf Filmcrews eingerichtet ist, die keine Dreherlaubnis in Kuba bekommen. Nur Panoramaaufnahmen konnten im wirklichen Havanna gemacht werden. Natürlich wurde dort auch eifrig recherchiert – in der echten Schweizer Botschaft oder im Villenviertel, wo die Botschaftsangehörigen wohnen. Schliesslich sollte eine realistische Komödie gedreht werden, ganz nach dem Motto: «Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind unbeabsichtigt, aber erwünscht.» Ähnlichkeit mit einem typischen Schweizer Bundesrat (gespielt von Jean-Pierre Cornu) beispielsweise, einem amerikanischen Senator, einem US-Präsidenten oder einer CNN-Reporterin. So ist es auch die sehr gelungene Darstellung dieses internationalen politischen Personals, welche dem Film über einzelne schauspielerische Schwächen im «privaten» Teil der Geschichte hinweghilft.

Wie bei einem Krimi soll man auch bei einer guten Filmkomödie die Story niemandem erzählen, der vorhat, sich das Ganze selber zu Gemüte zu führen. Und «Ernstfall in Havanna» ist eine solche gute Komödie. Sie beginnt langsam, fast behäbig. Die Figuren werden vorgestellt, die Fäden ausgelegt, an denen später gezogen werden wird, um jenen Dominoeffekt an komischen Verwicklungen auszulösen, die um ein Haar die weltpolitische Lage aus den Fugen gehoben hätten: Der Schweizer Botschafter in Kuba (Jürg Löw) muss an die jährliche Botschafterkonferenz nach Bern. Nur ungern überlässt er die Amtsgeschäfte seinem mässig begabten Mitarbeiter Stefan Balsiger (Viktor Giacobbo), der sich gern in der Bar der Kubanerin Miranda (Carla Sanchez) herumtreibt.

Kaum «en charge», wird Balsiger auch schon mit einer äusserst heiklen Mission betraut: Er soll sich um US-Senator Russell (Stephen Lack) kümmern, der früher als erwartet zu Geheimgesprächen mit der kubanischen Regierung in Sachen US-Embargo anreist. Eine Kleinigkeit, glaubt Balsiger. Und kein Grund, den Botschafter bei seinem Heimatbesuch zu stören. Doch der Senator tut nicht, was ein braver Schweizer Botschaftsangestellter tun würde, und so ergeben sich alsbald Verwicklungen, die internationales Format annehmen, hat doch eine kritische Schweizer Photographin (Sabina Schneebeli) inzwischen den amerikanischen Nachrichtensender CNC informiert. Und mittendrin steht der kleine Schweizer Balsiger und versucht mit Hilfe seines Natels, seiner schweizerdeutschen «Geheimsprache» und seines etwas trotteligen Sicherheitsbeamten (Mike Müller) die Sache in den Griff zu bekommen.

Es gehört zu den Stärken des Films, dass er die Verwicklungen so weit treibt, dass eine einfache «Ent-Wicklung» nicht mehr vorstellbar scheint. Natürlich geht am Ende doch noch alles gut aus, und zwar ohne massiven Pointen-Einsatz. So wie der Film generell nicht zum Klamauk neigt. Die Pointen sind dezent und gut gesetzt und wirken nur hin und wieder wegen darstellerischer Zaghaftigkeiten (zum Beispiel Viktor Giacobbos) ein bisschen flau. Aber das ändert nichts daran, dass «Ernstfall in Havanna» beste Unterhaltung bietet – unterstützt (auch musikalisch) vom sowieso populären kubanischen Flair – und einen dazu bringt, sich über gewisse Absurditäten der schweizerischen und der Weltpolitik sehr gepflegt zu amüsieren. (Kinos ABC, Corso, Plaza in Zürich)

2017