Viktor Giacobbo

Viktor Giacobbo über dreizehn Jahre Fernsehunterhaltung

Am kommenden Mittwoch ist «Viktors Spätprogramm» zum letzten Mal zu sehen. Dreizehn Jahre lang prägte diese Sendung die Deutschschweizer Vorstellung von Fernsehsatire. Gerda Wurzenberger hat sich mit Viktor Giacobbo darüber unterhalten.
Viktor Giacobbo, Sie haben dreizehn Jahre lang eine Satiresendung für SF DRS gemacht. Sie sind so etwas wie die personifizierte Satire dieses Senders. Was waren die Bedingungen?
Giacobbo: Sie meinen, ob wir eine spezielle Art von Programm machen mussten? Das war überhaupt nicht so. Wir sind angetreten mit unserer Art von Humor, mit unserer Vorstellung von Unterhaltung. Die Sendung hat mit mir bzw. mit unserem Team zu tun und nicht mit dem Schweizer Fernsehen. Uns hat niemand dreingeredet.
Das Programm von SF DRS hat eine ganz bestimmte Ausstrahlung. Gewisse Dinge sind möglich, andere nicht. «Viktors Spätprogramm» hat stattgefunden. Was heisst das?
Ich habe es immer bedauert, dass es nicht mehr Fernsehsatire gibt. Aber ich bin verantwortlich für diese eine Sendung und sonst nichts. Wir waren einfach die Ersten, die die Chance einer satirischen Sendung im Hauptabendprogramm bekamen. Und diese haben wir genutzt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Nun ist aber Schluss mit «Viktors Spätprogramm». Das hat sich ja schon länger abgezeichnet. Was sind die Gründe?
Ich finde, dreizehn Jahre sind eine wahnsinnig lange Zeit im Fernsehen. Ich habe gemerkt, dass es für mich zur Routine wird. Und zum Stress: Während der Dreharbeiten zu «Ernstfall in Havanna» musste ich fürs «Spätprogramm» extra aus Santo Domingo anreisen. Den nächsten Film möchte ich nicht mehr unter diesem Zeitdruck machen.
Hat das Ende von «Viktors Spätprogramm» auch damit zu tun, dass Sie an Grenzen gestossen sind? So quasi: Wir haben alles, was wir wollten, ausprobiert?
Das spielt auch eine Rolle, natürlich. Man ist halt von gewissen formalen Bedingungen abhängig. Wir hatten beispielsweise die besten Imitatoren, die es zurzeit in der Schweiz gibt. Aber auch sie können nicht alle Figuren spielen. Darum hatten wir oft keine Wahl, konnten z. B. keine Couchepin-Nummer machen, wenn Couchepin aktuell war, oder wir haben dafür andere Formen finden müssen. Sonst haben wir in unserem Rahmen durchaus Experimente gewagt. Etwa mein Entschluss, als Kunstfigur zu moderieren – als Debbie Mötteli oder Rajiv. Das ist extrem absturzgefährdet in einer Live-Sendung.
Trotz den vielen Figuren, die Sie gespielt haben, hat man das Gefühl, Viktor Giacobbo sei doch immer derselbe. Hatten Sie nie den Wunsch, einmal ein ganz anderer zu sein?
Eine originelle Frage insofern, als ich meistens das Gegenteil höre. Ich war Redaktor, Autor, Moderator, Schauspieler, Imitator. Ich habe Theater gemacht, Live-Komik, versteckte Komik . . . mehr kann ich nicht. Man hat halt einfach seinen Stil. Dieser Stil bindet ja auch das Publikum. Christoph Marthaler hat seinen Stil, ein Musiker wie Polo Hofer hat seinen Stil, und so haben auch alle Kabarettisten ihren Stil.
Politiker und Politikerinnen waren die wichtigsten Protagonisten Ihrer Sendung. Sind Sie ein politischer Mensch?
Ja, natürlich, ich war immer schon politisch engagiert – persönlich. In letzter Zeit vor allem in Sachfragen, weniger parteipolitisch. Ich muss mich jeden Tag informieren. Ich brauche das. Politik ist ja auch ein Grundstoff der Satire – ein Grundstoff, der uns zur Unterhaltung dient, da muss man sich keine Illusionen machen. Satire ist eine Unterhaltungsform, die die Realität mit einbezieht und in der man den eigenen Standpunkt darlegen kann.
Wenn Sie Politiker als Gäste einladen, bieten Sie diesen dann nicht eine günstige Plattform?
Na und? Wenn es unterhaltsam ist, warum nicht? Auf dieser Plattform zeigt ein Politiker oft mehr von sich, als wenn man ihm die ultimativ kritische Frage stellt. Man kann einem Blocher oder einem Bodenmann keine neue Frage stellen. Wenn sie aber versuchen, lustig zu sein, oder wenn sie über etwas anderes reden als ihr Kernthema, dann ist das häufig aufschlussreicher.
Christoph Blocher war für mich ein Gegenbeispiel. Er hat es in Ihrer Sendung geschafft, immer wieder auf seine Themen zu kommen.
Ja, natürlich. Aber das ist doch auch eine Erkenntnis. Ich habe Blocher beispielsweise auf seine Methode angesprochen, immer dann, wenn er etwas nicht wahrhaben will, «vo dem weiss i nüt!» zu sagen. Und gleich darauf hat er es wieder gesagt! Das muss man dann eben heraushören. Ich wurde jahrelang gefragt: Warum ladet ihr nicht den Blocher ein? Und ich habe geantwortet: Weil ich weiss, wie es ist, wenn der Blocher kommt. Das kann man im Voraus sagen.
Warum haben Sie ihn trotzdem eingeladen?
Ich wollte es einfach versuchen. Ganz spontan.
Wie lautet Ihr Fazit? Waren Sie zufrieden?
Ja, es war ein schnelles und amüsantes Gespräch. Aber es war von vornherein klar: Die Linken werden es schlimm finden, dass der jetzt wieder ein Forum bekommt. Aber diese Leute überlegen sich nicht, dass sie halt einmal selber dieses Forum besetzen müssten. Ich wünschte mir, es gäbe auf der linken Seite jemanden, der so zu fighten versteht wie ein Blocher.
Warum wollten Sie überhaupt Politiker in Ihrer Sendung haben?
Aus Unterhaltungsgründen. Weil wir politische Unterhaltung machen. Ich bin übrigens der Ansicht, dass ich nicht immer das letzte Wort haben muss. Ich lade die Leute nicht ein, um zu zeigen, wie schlagfertig ich bin. Ich hoffe, dass meine Gäste punkten, dass sie Applaus holen. Ich will nicht der Hauptakteur sein.
Ist es schwerer, linke Politiker zu provozieren?
Nein, im Gegenteil, leichter. Weil eben viele Linke oder Progressive das Gefühl haben, sie hätten ein Recht auf Satireverschonung. Sie glauben, Satire sei immer nur gegen die Rechten. Wir haben nie Rücksicht genommen auf politische Vorgaben.
Wie waren die Reaktionen auf die Verkündigung des Endes von «Viktors Spätprogramm»?
Viele Leute bedauern es. Aber das muss man alles auch relativieren. Es ist einfach eine Sendung, die zu Ende geht. Und wir hören auf, obwohl wir sehr erfolgreich sind. Aber: Wir haben nie auf Quoten gesetzt. Als Harry Hasler richtig bekannt wurde, hab ich ihn praktisch nicht mehr gespielt. Dabei hätten wir damit billig Quoten machen können. Ganz billig.
Das wäre halt eher kurzfristig gedacht gewesen.
Ja, natürlich. Aber Fernsehen wird nun mal nicht für die Ewigkeit gemacht. Im Gegensatz zur gehobenen E-Kultur, wo Ewigkeit schon im Exposé lauert.

Kein linkes Recht auf Satire-Verschonung

6. Dezember 2002, Neue Zürcher Zeitung, von Gerda Wurzenberger

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Komik ist eine ernste Angelegenheit mit strengen Gesetzen. Ob es etwas mit der langen Tradition der direkten Demokratie zu tun hat, dass in der Schweiz immer sehr viel über Komik debattiert wird? Jedenfalls gehören Komödien auch hierzulande zu den erfolgreichsten Filmen im Kino. Doch so grundsätzlich wie etwa in «Die Schweizermacher» oder in «Beresina oder Die letzten Tage der Schweiz» gehen die deutschsprachigen Nachbarn höchstens literarisch mit ihrem Land ins Gericht. Existiert die Schweiz vielleicht doch sehr viel mehr, als wir glauben?

In der neusten Schweizer Filmkomödie geht es unter anderem auch darum, «wie in der Schweiz Politik gemacht wird». Der das sagt, ist nicht nur einer der erfolgreichsten Satiriker (und Komiker) der Schweiz, sondern auch Drehbuchautor und Hauptdarsteller von «Ernstfall in Havanna»: Viktor Giacobbo. Als ihm vor einigen Jahren ein Bekannter erzählte, dass die Schweizer Botschaft in Kuba auch die Interessen der USA vertrete (da die USA bekanntlich keine diplomatischen Kontakte mit Kuba pflegen), da begann es im Satirezentrum von Giacobbos Gehirn zu rumoren. Er setzte die Zürcher Produzentin Ruth Waldburger davon in Kenntnis, die sowieso schon lange einen Film mit Giacobbo machen wollte. – Gemeinsam mit Domenico Blass wurde ein Drehbuch geschrieben und dieses Sabine Boss zum Lesen gegeben, die ihr Talent in der Schauspielerführung mit ihrem ersten Langspielfilm unter Beweis gestellt hatte, der Fernsehproduktion «Studers erster Fall». Sie bestand darauf, das Casting selbst vorzunehmen, da für sie von Anfang an ausgeschlossen war, dass irgendjemand aus dem Umfeld von «Viktors Spätprogramm» mit dabei sein sollte, mit Ausnahme von Giacobbo – und am Ende auch von Mike Müller.

Gedreht wurde dann mehrheitlich in Santo Domingo in der Dominikanischen Republik, wo man laut Sabine Boss bestens auf Filmcrews eingerichtet ist, die keine Dreherlaubnis in Kuba bekommen. Nur Panoramaaufnahmen konnten im wirklichen Havanna gemacht werden. Natürlich wurde dort auch eifrig recherchiert – in der echten Schweizer Botschaft oder im Villenviertel, wo die Botschaftsangehörigen wohnen. Schliesslich sollte eine realistische Komödie gedreht werden, ganz nach dem Motto: «Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind unbeabsichtigt, aber erwünscht.» Ähnlichkeit mit einem typischen Schweizer Bundesrat (gespielt von Jean-Pierre Cornu) beispielsweise, einem amerikanischen Senator, einem US-Präsidenten oder einer CNN-Reporterin. So ist es auch die sehr gelungene Darstellung dieses internationalen politischen Personals, welche dem Film über einzelne schauspielerische Schwächen im «privaten» Teil der Geschichte hinweghilft.

Wie bei einem Krimi soll man auch bei einer guten Filmkomödie die Story niemandem erzählen, der vorhat, sich das Ganze selber zu Gemüte zu führen. Und «Ernstfall in Havanna» ist eine solche gute Komödie. Sie beginnt langsam, fast behäbig. Die Figuren werden vorgestellt, die Fäden ausgelegt, an denen später gezogen werden wird, um jenen Dominoeffekt an komischen Verwicklungen auszulösen, die um ein Haar die weltpolitische Lage aus den Fugen gehoben hätten: Der Schweizer Botschafter in Kuba (Jürg Löw) muss an die jährliche Botschafterkonferenz nach Bern. Nur ungern überlässt er die Amtsgeschäfte seinem mässig begabten Mitarbeiter Stefan Balsiger (Viktor Giacobbo), der sich gern in der Bar der Kubanerin Miranda (Carla Sanchez) herumtreibt.

Kaum «en charge», wird Balsiger auch schon mit einer äusserst heiklen Mission betraut: Er soll sich um US-Senator Russell (Stephen Lack) kümmern, der früher als erwartet zu Geheimgesprächen mit der kubanischen Regierung in Sachen US-Embargo anreist. Eine Kleinigkeit, glaubt Balsiger. Und kein Grund, den Botschafter bei seinem Heimatbesuch zu stören. Doch der Senator tut nicht, was ein braver Schweizer Botschaftsangestellter tun würde, und so ergeben sich alsbald Verwicklungen, die internationales Format annehmen, hat doch eine kritische Schweizer Photographin (Sabina Schneebeli) inzwischen den amerikanischen Nachrichtensender CNC informiert. Und mittendrin steht der kleine Schweizer Balsiger und versucht mit Hilfe seines Natels, seiner schweizerdeutschen «Geheimsprache» und seines etwas trotteligen Sicherheitsbeamten (Mike Müller) die Sache in den Griff zu bekommen.

Es gehört zu den Stärken des Films, dass er die Verwicklungen so weit treibt, dass eine einfache «Ent-Wicklung» nicht mehr vorstellbar scheint. Natürlich geht am Ende doch noch alles gut aus, und zwar ohne massiven Pointen-Einsatz. So wie der Film generell nicht zum Klamauk neigt. Die Pointen sind dezent und gut gesetzt und wirken nur hin und wieder wegen darstellerischer Zaghaftigkeiten (zum Beispiel Viktor Giacobbos) ein bisschen flau. Aber das ändert nichts daran, dass «Ernstfall in Havanna» beste Unterhaltung bietet – unterstützt (auch musikalisch) vom sowieso populären kubanischen Flair – und einen dazu bringt, sich über gewisse Absurditäten der schweizerischen und der Weltpolitik sehr gepflegt zu amüsieren. (Kinos ABC, Corso, Plaza in Zürich)

Kleiner Mann in grosser Mission

13. März 2002, Neue Zürcher Zeitung, von Gerda Wurzenberger

Komik ist eine ernste Angelegenheit mit strengen Gesetzen. Ob es etwas mit der langen Tradition der direkten Demokratie zu tun […]

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