Viktor Giacobbo

, 6. Dezember 2002, von Gerda Wurzenberger

Kein linkes Recht auf Satire-Verschonung

Viktor Giacobbo über dreizehn Jahre Fernsehunterhaltung

Am kommenden Mittwoch ist «Viktors Spätprogramm» zum letzten Mal zu sehen. Dreizehn Jahre lang prägte diese Sendung die Deutschschweizer Vorstellung von Fernsehsatire. Gerda Wurzenberger hat sich mit Viktor Giacobbo darüber unterhalten.
Viktor Giacobbo, Sie haben dreizehn Jahre lang eine Satiresendung für SF DRS gemacht. Sie sind so etwas wie die personifizierte Satire dieses Senders. Was waren die Bedingungen?
Giacobbo: Sie meinen, ob wir eine spezielle Art von Programm machen mussten? Das war überhaupt nicht so. Wir sind angetreten mit unserer Art von Humor, mit unserer Vorstellung von Unterhaltung. Die Sendung hat mit mir bzw. mit unserem Team zu tun und nicht mit dem Schweizer Fernsehen. Uns hat niemand dreingeredet.
Das Programm von SF DRS hat eine ganz bestimmte Ausstrahlung. Gewisse Dinge sind möglich, andere nicht. «Viktors Spätprogramm» hat stattgefunden. Was heisst das?
Ich habe es immer bedauert, dass es nicht mehr Fernsehsatire gibt. Aber ich bin verantwortlich für diese eine Sendung und sonst nichts. Wir waren einfach die Ersten, die die Chance einer satirischen Sendung im Hauptabendprogramm bekamen. Und diese haben wir genutzt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Nun ist aber Schluss mit «Viktors Spätprogramm». Das hat sich ja schon länger abgezeichnet. Was sind die Gründe?
Ich finde, dreizehn Jahre sind eine wahnsinnig lange Zeit im Fernsehen. Ich habe gemerkt, dass es für mich zur Routine wird. Und zum Stress: Während der Dreharbeiten zu «Ernstfall in Havanna» musste ich fürs «Spätprogramm» extra aus Santo Domingo anreisen. Den nächsten Film möchte ich nicht mehr unter diesem Zeitdruck machen.
Hat das Ende von «Viktors Spätprogramm» auch damit zu tun, dass Sie an Grenzen gestossen sind? So quasi: Wir haben alles, was wir wollten, ausprobiert?
Das spielt auch eine Rolle, natürlich. Man ist halt von gewissen formalen Bedingungen abhängig. Wir hatten beispielsweise die besten Imitatoren, die es zurzeit in der Schweiz gibt. Aber auch sie können nicht alle Figuren spielen. Darum hatten wir oft keine Wahl, konnten z. B. keine Couchepin-Nummer machen, wenn Couchepin aktuell war, oder wir haben dafür andere Formen finden müssen. Sonst haben wir in unserem Rahmen durchaus Experimente gewagt. Etwa mein Entschluss, als Kunstfigur zu moderieren – als Debbie Mötteli oder Rajiv. Das ist extrem absturzgefährdet in einer Live-Sendung.
Trotz den vielen Figuren, die Sie gespielt haben, hat man das Gefühl, Viktor Giacobbo sei doch immer derselbe. Hatten Sie nie den Wunsch, einmal ein ganz anderer zu sein?
Eine originelle Frage insofern, als ich meistens das Gegenteil höre. Ich war Redaktor, Autor, Moderator, Schauspieler, Imitator. Ich habe Theater gemacht, Live-Komik, versteckte Komik . . . mehr kann ich nicht. Man hat halt einfach seinen Stil. Dieser Stil bindet ja auch das Publikum. Christoph Marthaler hat seinen Stil, ein Musiker wie Polo Hofer hat seinen Stil, und so haben auch alle Kabarettisten ihren Stil.
Politiker und Politikerinnen waren die wichtigsten Protagonisten Ihrer Sendung. Sind Sie ein politischer Mensch?
Ja, natürlich, ich war immer schon politisch engagiert – persönlich. In letzter Zeit vor allem in Sachfragen, weniger parteipolitisch. Ich muss mich jeden Tag informieren. Ich brauche das. Politik ist ja auch ein Grundstoff der Satire – ein Grundstoff, der uns zur Unterhaltung dient, da muss man sich keine Illusionen machen. Satire ist eine Unterhaltungsform, die die Realität mit einbezieht und in der man den eigenen Standpunkt darlegen kann.
Wenn Sie Politiker als Gäste einladen, bieten Sie diesen dann nicht eine günstige Plattform?
Na und? Wenn es unterhaltsam ist, warum nicht? Auf dieser Plattform zeigt ein Politiker oft mehr von sich, als wenn man ihm die ultimativ kritische Frage stellt. Man kann einem Blocher oder einem Bodenmann keine neue Frage stellen. Wenn sie aber versuchen, lustig zu sein, oder wenn sie über etwas anderes reden als ihr Kernthema, dann ist das häufig aufschlussreicher.
Christoph Blocher war für mich ein Gegenbeispiel. Er hat es in Ihrer Sendung geschafft, immer wieder auf seine Themen zu kommen.
Ja, natürlich. Aber das ist doch auch eine Erkenntnis. Ich habe Blocher beispielsweise auf seine Methode angesprochen, immer dann, wenn er etwas nicht wahrhaben will, «vo dem weiss i nüt!» zu sagen. Und gleich darauf hat er es wieder gesagt! Das muss man dann eben heraushören. Ich wurde jahrelang gefragt: Warum ladet ihr nicht den Blocher ein? Und ich habe geantwortet: Weil ich weiss, wie es ist, wenn der Blocher kommt. Das kann man im Voraus sagen.
Warum haben Sie ihn trotzdem eingeladen?
Ich wollte es einfach versuchen. Ganz spontan.
Wie lautet Ihr Fazit? Waren Sie zufrieden?
Ja, es war ein schnelles und amüsantes Gespräch. Aber es war von vornherein klar: Die Linken werden es schlimm finden, dass der jetzt wieder ein Forum bekommt. Aber diese Leute überlegen sich nicht, dass sie halt einmal selber dieses Forum besetzen müssten. Ich wünschte mir, es gäbe auf der linken Seite jemanden, der so zu fighten versteht wie ein Blocher.
Warum wollten Sie überhaupt Politiker in Ihrer Sendung haben?
Aus Unterhaltungsgründen. Weil wir politische Unterhaltung machen. Ich bin übrigens der Ansicht, dass ich nicht immer das letzte Wort haben muss. Ich lade die Leute nicht ein, um zu zeigen, wie schlagfertig ich bin. Ich hoffe, dass meine Gäste punkten, dass sie Applaus holen. Ich will nicht der Hauptakteur sein.
Ist es schwerer, linke Politiker zu provozieren?
Nein, im Gegenteil, leichter. Weil eben viele Linke oder Progressive das Gefühl haben, sie hätten ein Recht auf Satireverschonung. Sie glauben, Satire sei immer nur gegen die Rechten. Wir haben nie Rücksicht genommen auf politische Vorgaben.
Wie waren die Reaktionen auf die Verkündigung des Endes von «Viktors Spätprogramm»?
Viele Leute bedauern es. Aber das muss man alles auch relativieren. Es ist einfach eine Sendung, die zu Ende geht. Und wir hören auf, obwohl wir sehr erfolgreich sind. Aber: Wir haben nie auf Quoten gesetzt. Als Harry Hasler richtig bekannt wurde, hab ich ihn praktisch nicht mehr gespielt. Dabei hätten wir damit billig Quoten machen können. Ganz billig.
Das wäre halt eher kurzfristig gedacht gewesen.
Ja, natürlich. Aber Fernsehen wird nun mal nicht für die Ewigkeit gemacht. Im Gegensatz zur gehobenen E-Kultur, wo Ewigkeit schon im Exposé lauert.

2017