Viktor Giacobbo

, 3. September 2005, von Charlotte Staehelin

Am grossen Vorbild nicht gescheitert

Im Casinotheater Winterthur pokert Viktor Giacobbo hoch mit der teuren Eigenproduktion von Neil Simons «Ein seltsames Paar» – und gewinnt.Wer sich von Oskar ein Sandwich wünscht, darf zwischen Grün (das heisst sehr jungem Käse oder sehr altem Fleisch) und Braun wählen. Das Bier ist warm, die Pommes Chips schmecken ranzig, dicker Zigarrenrauch durchzieht den schicken Loft, unter dem Christoph Schubiger das verschnörkelte Gold der kleinen Bühne verschwinden lässt. Der Qualm legt sich sanft über die pokernde Männerrunde und vernebelt die Sicht auf den ungemütlichen Alltag. Auf kapriziöse und anspruchsvolle (Ex-)Ehefrauen, auf Paartherapien, offene Alimentenzahlungen und drohende Ferienreisen.

Doch zeichnet sich nervöse Anspannung in den fünf konzentrierten Pokerfaces ab. Es braucht bloss einen einzigen leicht verspäteten und derangierten Felix, um das labile Gleichgewicht zu kippen und den Männerbund in einen hysterischen Kriseninterventionsstab zu verwandeln. Felix, der von seiner Frau verlassen wurde, wird zur Suizidprävention bei Oskar einquartiert. Was zu saftigen Komplikationen führt.

Es sind vier starke Theaterakte, welche die Truppe um Viktor Giacobbo und Mike Müller aus Neil Simons Komödie «Ein seltsames Paar» («The Odd Couple») schöpft. Die vierzig Jahre, die seit der Uraufführung des Stücks in New York und der kurz darauf folgenden Verfilmung mit Jack Lemmon und Walter Matthau vergangen sind, scheinen am Stoff abzuperlen. Dies ist einerseits Giacobbos Textadaption zu verdanken, die effizient knappe Dialoge und süffige Mundart mischt. Dann aber auch der sorgfältigen Arbeit von Stefan Huber.

Der Regisseur setzt nicht auf Knalleffekte, sondern auf Nuancen. In nur vier intensiven Probewochen hat er mit einem überzeugenden Ensemble geduldig die unzähligen psychologischen Knoten und Verwicklungen des Stücks aufgedröselt und die latenten Ängste der Männer freigelegt: das drohende Versagen, die Konkurrenz, die Eifersucht und die ewige Suche nach Geborgenheit. So flüchtet sich Giacobbo in der Rolle des zerbrechlichen Felix vor seinen Minderwertigkeitsgefühlen wechselnd in vorwurfsvolle Hypochondrie und aufsässige Putzorgien, während Mike Müllers Oskar als geschiedener Single und Sportreporter seine Depressionen vergeblich hinter bärbeissiger Gelassenheit zu verstecken sucht.

Leider verlässt Huber der künstlerische Röntgenblick, wenn es im dritten Akt um die Frauenfiguren geht. Katharina von Bock und Rebekka Burckhardt haben in den Rollen zweier verschwisterter Nachbarinnen einen schweren Stand. Zwar sehen die beiden Bühnen-Täubchen mit hochgestecktem Blondhaar und tief geschnittenen Décolletés blendend aus, doch hakt die Inszenierung sich da an der schrillen Oberfläche fest. Beide Frauen bleiben auf laszives Räkeln und deplatziertes Lachen reduziert. So wird das Spiel in ihrer Gegenwart absehbar, ohne dass die beiden Schauspielerinnen eine Chance bekommen, dagegenzuhalten. An diesem Abend bleiben die Männer besser unter sich.

Weitere Vorstellungen bis 1. 10.

2017