Viktor Giacobbo

Knie startet zu seiner 88. Tournee – mit Fredi Hinz auf Suleika

RAPPERSWIL SG · Prompt entdeckt der Berufskiffer Fredi Hinz, der es jetzt doch als Pausenclown und Running Gag zum Zirkus Knie gebracht hat, einen alten Bekannten im Publikum und bittet ihn um einen Gefallen. Bundespräsident Moritz Leuenberger zögert keine Sekunde, denn: «Ich arbeite ja auch im Zirkus.» Worauf Fredi nachfragt: «In dem kleinen in Bern, in dem man nie weiss, wer eigentlich der Direktor ist?»

Diese spontane Episode aus dem neuen Programm unseres National-Circus Knie illustriert trefflich, wie eng da – nein, nicht Hinz und Kunz, wohl aber Hinz, der bekennende Sozialfall, und sein Schöpfer Viktor Giacobbo, Satiriker, Kolumnist und Schauspieler, zusammenarbeiten. Sie reihen sich würdig ein in die Knie-Tradition, einen Spassmacher durchs Programm führen zu lassen. Einst war Kabarettist Emil Steinberger da, dann die Clowns Dimitri und Pic, das Duo Fischbach und Massimo Rocchi.

Gemeinsam finden Hinz und Giacobbo die richtige Mischung: hier ein träfer politischer Spruch, dort ein Ulk, hier ein frecher persönlicher Seitenhieb, dort Klamauk. Und als Hinz, laut Selbstzeugnis ein Meister in der «hohen Schule des Trampeltiers», rückwärts zwischen den Höckern des braven Kamels Suleika sitzt, «diesen Airbags», und auf der Blockflöte «Blowin‘ in the Wind» intoniert – da ist die Parodie auf den Zirkus gleich auch noch mit dabei im Gesamtpaket. Das Publikum honorierts mit stürmischem Applaus.

Das 88. Knie-Programm steht unter dem Motto «Sooo guet!» und ist reich an Höhepunkten: Mary-José Knie lässt, man glaubt es nicht, Lamas und Guanakos höchst anmutig tanzen, Géraldine Katharina Knie ihre Pferde, Franco Knie jr. die Elefanten, eine Frauentruppe aus China ihre diabolischen Dinger an Schnüren. Wem gehört da die Palme?

Für Ballettmeister Heinz Spoerli ist klar: «Eindeutig dem Vertical Tango von Sam und Sandra, dieser Umsetzung eines erotisch-sinnlichen Tanzes an die vertikale Turnstange – fantastisch, grossartig!» Diesem Urteil schliessen sich an: Wilfried Maurer, ehemaliger Zirkusrezensent des «Tages-Anzeigers» mit 34 Dienstjahren, Bandleader Pepe Lienhard, Thomas Leuenberger vom Duo Flügzüg, Bundespräsident Moritz Leuenberger, Maya und Thierry Lalive d’Epinay, sie gewesene Nationalrätin, er amtierender SBB-Präsident, und Artist David Dimitri. Der Vertical Tango der Schwyzerin Sandra Feusi und des Amerikaners Sam Payne, beide seit 13 Jahren beim Zirkus und seit elf verheiratet, holt sich bei unserer Umfrage mit grossem Abstand die meisten Stimmen.

Irgendwo geistert Prinzessin Stéphanie von Monaco herum, hält sich aber, anders als auch schon, von der Familie Knie fern, wird auch nicht mit Fredi Hinz erwischt und ist schon wieder verschwunden. Zirkus-Chef Franco Knie, seine dritte Ehefrau Claudia am Arm, ist glücklich über die stehenden Ovationen, mit denen sich das Publikum für den Abend bedankt: «Das wird ein sehr guter Jahrgang werden.»

Nicht ganz so entspannt ist unser Bundespräsident. Mit seinem lockeren Spruch im Zirkuszelt hat er sich ganz schön was eingebrockt: Bis über Mitternacht hinaus wird er bei der Premierenfeier von seiner Tischrunde und den Journalisten bestürmt, er möge doch bitte die Vorgänge in der Berner Manege etwas detaillierter beschreiben.

Doch Leuenberger unterlässt das wohlweislich. Er kennt schliesslich seine Elefanten, Lamas und Kamele.

Ein Kamel kommt selten allein

26. März 2006, SonntagsZeitung, von Roger Anderegg

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Das Casinotheater Winterthur feiert und finanziert sich selberWinterthur · Die Idee hatte der neue künstlerische Leiter des Hauses, Direktor Paul Burkhalter, und die beiden Verwaltungsratspräsidenten, Viktor Giacobbo für die Casino Theater AG Winterthur und Patrick Frey für die Casino Immobilien AG Winterthur, stimmten sofort zu: Mit einer festlichen Benefizveranstaltung sollte das Haus für Kleinkunst, Kabarett und Comedy neue Mittel äufnen, um künftige mögliche Defizite schon mal weitsichtig abzufangen. Das Gerücht, das Theater, in dem auch schon die renommierte Branchentrophäe Salzburger Stier verliehen wurde, sei inzwischen selber stier, wurde in aller Form dementiert.

Also feierten gestern Nacht 350 Gäste die Gala 05, samt Kleinkunst, grossem Buffet, Tanz und Tombola, und das zum stolzen Platzpreis von 450 Franken. Das Casinotheater finanziert sich weitgehend selber: Die Aktionäre legen Geld ein, bezahlen trotzdem stattliche Eintrittspreise und treten möglicherweise gar noch selber auf – oder doch mindestens, wie an diesem Samstagabend, in Erscheinung. «Wir folgen eben einem eigenen Wirtschaftsprinzip», sagt Giacobbo, «und das ist die verdeckte Selbstausbeutung.» Und Frey ergänzt: «Und alle geniessen es und profitieren davon.»

Tatsächlich: Diesem Perpetuum mobile der Kleinkunst, das in Winterthur erfunden worden ist, strömen die hochkarätigen Gäste nur so zu. Schauspieler Mathias Gnädinger ist mit Ehefrau Ursula da. Kabarettist Franz Hohler, der Doyen der Branche, kommt von Oerlikon her gewandert oder mindestens vom Hauptbahnhof Winterthur. Ständerat Ernst «Aschi» Leuenberger ist gar von Solothurn hergefahren – «aus Bewunderung für Giacobbo». Später gibt der Eisenbahngewerkschafter dem zweiten Winterthurer Lokalstar Beni Thurnheer ein paar Tipps, die sich Beni erbittet, weil sein Sohn Lokführer werden möchte.

Möglicherweise würde sich auch SBB-VR-Präsident Thierry Lalive d’Epinay gerne an dieser Diskussion beteiligen, der, mit seiner schönen Frau Maya, wenig später über den roten Teppich schreitet – so verbindet der Humor so gar Klassen. «Ein genialer Profi» sei Giacobbo für ihn, sagt er, und auch Beni schwärmt vom ungewöhnlichen Businessmodell des Casinotheaters: «Es ist aus einer Initiative von Künstlern entstanden, die zusammenstehen und das aus eigener Kraft betreiben, ohne Subventionen. Es macht Spass, dabeizusein, es ist eine Art kultureller Schmelztiegel.» Und wie immer, wenn die Initiative der Kleinen gewürdigt wird, ist Kurt Felix nicht weit: «Das Casinotheater ist ein Gegenmodell zur subventionierten Hochkultur – und mir deshalb eine ganz besondere Freude.»

Nationalrätin Christine Egerszegi hat es als Mitglied des berühmten Lehrer-Cabarets Mellingen hergezogen. Sie schreibt selber Texte; «im Rat in Bern gibt es dafür Stoff genug», sagt sie, woran niemand in der Runde zweifelt. Sängerin Vera Kaa und Schauspielerin Bettina Dieterle albern herum. Regisseurin Katja Früh ist mit Schauspieler Ludwig Boettger gekommen, den wir aus «Lüthi und Blanc» kennen.

Überraschungsgast Piet Klocke trifft ein, Regierungsrat Markus Notter ist da und Ex-Fernsehmann Peter Wettler. Filmproduzentin Ruth Waldburger ist in Begleitung von Regisseurin Sabine Boss, die demnächst mit den Dreharbeiten beginnen wird für «Under Cover», eine Agentenkomödie mit einem gewissen Viktor Giacobbo in der Hauptrolle. Gross- aktionär – «ja, ja, eine sechsstellige Summe» – Roger Schawinski ist aus Berlin angereist, und Nationalrat und Jean-Frey-CEO Filippo Leutenegger immerhin aus der rechten Ecke der FDP.

Die ganze Welt ist sozusagen nach Winterthur gekommen. Nur einen wundert das nicht. Der Winterthurer Stadtpräsident Ernst Wohlwend weiss: «Winterthur ist eine trendige Stadt geworden, und unser populärstes Kulturgut ist das Casinotheater.»

So wars:
Stimmung: Ausgelassen
Highlight: All die alten Bekannten
Gesprächsthema: Wer ist denn bloss dieser Überraschungsgast?
Fazit: Volle Kasse

Perpetuum mobile des Humors

20. März 2005, SonntagsZeitung, von Roger Anderegg

Das Casinotheater Winterthur feiert und finanziert sich selberWinterthur · Die Idee hatte der neue künstlerische Leiter des Hauses, Direktor Paul […]

Satiriker Viktor Giacobbo gibt einen Unternehmer – die neueste Rolle ist vielleicht seine besteAuch mancher Verwaltungsratspräsident hat klein angefangen. Viktor Giacobbo zum Beispiel begann als Securitaswächter. Den gab er bei Firmenjubiläen und Banketten so überzeugend, dass ihm die Gäste bei der Eingangskontrolle freiwillig ihre Handtaschen zur Inspektion überliessen. Erst wenn der Mann allzu intime Fragen zu deren Inhalt stellte, dämmerte den Leuten, dass das bereits Bestandteil der Show war.

Die Truppe, die solcherart für Verunsicherung sorgte und den Begriff des Theaters keck ausweitete, nannte sich «Harul’s Top Service» und wurde als parodistischer Stosstrupp auch als «die verrückten Kellner» bekannt.

Kellner – das war für Giacobbo denn auch die nächsthöhere Stufe. Dann wechselte er, zunächst als satirischer Schlusspunkt der TV-Sendung «Medienkritik», auf den Bildschirm. Nach zwei Jahren bekam er seine eigene Show. Heute präsentiert er regelmässig «Viktors Spätprogramm», schreibt Kolumnen, ist im Kino in «Ernstfall in Havanna» zu sehen und moderiert private Galas. Sein Repertoire besteht mittlerweile aus mehr als zehn Figuren, Harry Hasler, Fredi Hinz, Debbie Mötteli, Rajiv & Co.

Jetzt hat sich Giacobbo seine grösste Rolle angelacht: Knapp 15 Jahre nach seinem Debüt als Securitaswächter präsidiert er den Verwaltungsrat der Casino Theater AG. Er ist auf dem Gipfel seiner Karriere angelangt.

Natürlich sieht das ein Satiriker anders. «VR-Präsident ist ganz im Gegenteil der Tiefpunkt meiner Karriere», sagt Giacobbo. «Das ist ja heute der meistgeschimpfte Job im Lande. Man braucht sich bloss so die Berufskollegen anzuschauen…»

Immerhin steht er einem Unternehmen der innovativen Art vor. Mit dem Casinotheater Winterthur, einem Haus für Kleinkunst, Kabarett und Komödie, erhält das Lachen eine ständige Adresse. Die Parodie, diese Streunerin, bekommt eine feste Bleibe. Die Satire, dieses flatterhafte Wesen, wird sesshaft.

Und die Künstler werden Aktionäre. Seit Giacobbo sein Projekt lanciert hat, herrscht in der Branche Generalmobil- machung. An die fünfzig Klein- und andere Künstler haben je mindestens 10 000 Franken investiert, Initiant Giacobbo selber «einen sechsstelligen Betrag unter einer halben Million».

Schnell fügt er bei: «Die Menge der erworbenen Aktien hat nichts zu tun mit der Präsenz auf der Bühne.» Also nix da mit Unterhaltungsmafia. Spricht jetzt doch der Satiriker aus dem Verwaltungsratspräsidenten?

Nein, umgekehrt: Aus dem Satiriker spricht der Unternehmer. «Wir wirtschaften auf seriösem Boden, wir haben sehr vorsichtig kalkuliert», versichert der VR-Präsident. «Bei einem Umbaubudget von 13,5 Millionen haben wir heute nur null Komma etwas Prozent Mehrausgaben.» Nicht nur im Weltverbessern arbeiten Satiriker offenbar präziser als viele kommunale Bauherren und Politiker.

Winterthur als neue Humordestination wird die Lachgeografie des Landes ernsthaft verändern. Denn heute denkt ein Unternehmer wenn nicht global, so doch überregional. Giacobbo rechnet mit einem Einzugsgebiet, das bis Bodensee und Rhein reicht, bis St. Gallen und Schaffhausen, und die Stadt Zürich mit einschliesst: «Die Zürcher kommen immer gern nach Winterthur, wenn hier was los ist.»

Dabei weiss ein kluger Unternehmer auch den Lokalpatriotismus zu nutzen. TV- und Radio-Moderator Beni Thurnheer steht zwar eher im Rufe eines Schnellschnorris als eines Kleinkünstlers, ist aber immerhin bekennender Winterthurer und folglich mit dabei. Schriftsteller Peter Stamm, der sich mit seinem Ouvre («Agnes», «Ungefähre Landschaft») als begnadeter Jungtragiker profiliert hat, findet in seinem Frühwerk prompt zwei Humoresken, die im Juni auf der Casinobühne gegeben werden.

«Unser Kapital ist die grosse Aufmerksamkeit, die wir geniessen, weil wir viele bekannte Leute haben, die innovative Sachen bringen», sagt Giacobbo. Die engeren Branchenkollegen sind eh alle dabei: Patrick Frey (er inzwischen VR-Präsident der Casino Immobilien AG), Joachim Rittmeyer und Lorenz Keiser, Gardi Hutter und Franz Hohler. Müller Walter Andreas und Müller Mike. Aktionäre, wohin man schaut.

Ein weitsichtiger VR-Präsident sorgt auch für optimale Auslastung des Hauses. Giacobbo verfügt über beste Verbindungen zu Funk und Fernsehen, und die werden hier synergetisch genutzt: SF DRS zeichnet wöchentlich eine Comedy-Show auf, und Radio DRS überträgt die Verleihung des Salzburger Stiers live. Vielleicht jemand im Saal, der den noch nicht bekommen hat?

Während die Handwerker noch hämmern, führt uns der VR-Präsident stolz durchs Haus. Das Casinotheater ist ein stattliches Gebäude aus der Gründerzeit. Von aussen wirkt es nüchtern wie eine Humorfabrik. Im Restaurant kriegt das Servicepersonal gerade seine Einführung. Auf der Bühne probt Regisseurin Katja Früh mit lauter Aktionären das Premierenspektakel «Die Eröffnung». Die 15 Vorstellungen sind ausverkauft.

Dann stehen wir im imposanten Bankettsaal. Hier erlebte der VR-Präsident einst seine militärische Aushebung, die ihm den begehrten Stempel «Dienstuntauglich» eintrug. «Nicht ohne mein Zutun», sagt er und lächelt ironisch. «Die Buchungen für den Saal laufen super», schwärmt Giacobbo. Hier werden Tagungen und Bankette für bis zu 500 Leute ausgerichtet – und Aktionärsversammlungen. Nur noch die Kronleuchter waten auf die Endmontage.

Ernstfall in Winterthur

22. April 2002, SonntagsZeitung, von Roger Anderegg

Satiriker Viktor Giacobbo gibt einen Unternehmer – die neueste Rolle ist vielleicht seine besteAuch mancher Verwaltungsratspräsident hat klein angefangen. Viktor […]

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