Viktor Giacobbo

, 26. März 2006, von Roger Anderegg

Ein Kamel kommt selten allein

Knie startet zu seiner 88. Tournee – mit Fredi Hinz auf Suleika

RAPPERSWIL SG · Prompt entdeckt der Berufskiffer Fredi Hinz, der es jetzt doch als Pausenclown und Running Gag zum Zirkus Knie gebracht hat, einen alten Bekannten im Publikum und bittet ihn um einen Gefallen. Bundespräsident Moritz Leuenberger zögert keine Sekunde, denn: «Ich arbeite ja auch im Zirkus.» Worauf Fredi nachfragt: «In dem kleinen in Bern, in dem man nie weiss, wer eigentlich der Direktor ist?»

Diese spontane Episode aus dem neuen Programm unseres National-Circus Knie illustriert trefflich, wie eng da – nein, nicht Hinz und Kunz, wohl aber Hinz, der bekennende Sozialfall, und sein Schöpfer Viktor Giacobbo, Satiriker, Kolumnist und Schauspieler, zusammenarbeiten. Sie reihen sich würdig ein in die Knie-Tradition, einen Spassmacher durchs Programm führen zu lassen. Einst war Kabarettist Emil Steinberger da, dann die Clowns Dimitri und Pic, das Duo Fischbach und Massimo Rocchi.

Gemeinsam finden Hinz und Giacobbo die richtige Mischung: hier ein träfer politischer Spruch, dort ein Ulk, hier ein frecher persönlicher Seitenhieb, dort Klamauk. Und als Hinz, laut Selbstzeugnis ein Meister in der «hohen Schule des Trampeltiers», rückwärts zwischen den Höckern des braven Kamels Suleika sitzt, «diesen Airbags», und auf der Blockflöte «Blowin‘ in the Wind» intoniert – da ist die Parodie auf den Zirkus gleich auch noch mit dabei im Gesamtpaket. Das Publikum honorierts mit stürmischem Applaus.

Das 88. Knie-Programm steht unter dem Motto «Sooo guet!» und ist reich an Höhepunkten: Mary-José Knie lässt, man glaubt es nicht, Lamas und Guanakos höchst anmutig tanzen, Géraldine Katharina Knie ihre Pferde, Franco Knie jr. die Elefanten, eine Frauentruppe aus China ihre diabolischen Dinger an Schnüren. Wem gehört da die Palme?

Für Ballettmeister Heinz Spoerli ist klar: «Eindeutig dem Vertical Tango von Sam und Sandra, dieser Umsetzung eines erotisch-sinnlichen Tanzes an die vertikale Turnstange – fantastisch, grossartig!» Diesem Urteil schliessen sich an: Wilfried Maurer, ehemaliger Zirkusrezensent des «Tages-Anzeigers» mit 34 Dienstjahren, Bandleader Pepe Lienhard, Thomas Leuenberger vom Duo Flügzüg, Bundespräsident Moritz Leuenberger, Maya und Thierry Lalive d’Epinay, sie gewesene Nationalrätin, er amtierender SBB-Präsident, und Artist David Dimitri. Der Vertical Tango der Schwyzerin Sandra Feusi und des Amerikaners Sam Payne, beide seit 13 Jahren beim Zirkus und seit elf verheiratet, holt sich bei unserer Umfrage mit grossem Abstand die meisten Stimmen.

Irgendwo geistert Prinzessin Stéphanie von Monaco herum, hält sich aber, anders als auch schon, von der Familie Knie fern, wird auch nicht mit Fredi Hinz erwischt und ist schon wieder verschwunden. Zirkus-Chef Franco Knie, seine dritte Ehefrau Claudia am Arm, ist glücklich über die stehenden Ovationen, mit denen sich das Publikum für den Abend bedankt: «Das wird ein sehr guter Jahrgang werden.»

Nicht ganz so entspannt ist unser Bundespräsident. Mit seinem lockeren Spruch im Zirkuszelt hat er sich ganz schön was eingebrockt: Bis über Mitternacht hinaus wird er bei der Premierenfeier von seiner Tischrunde und den Journalisten bestürmt, er möge doch bitte die Vorgänge in der Berner Manege etwas detaillierter beschreiben.

Doch Leuenberger unterlässt das wohlweislich. Er kennt schliesslich seine Elefanten, Lamas und Kamele.

2017