Viktor Giacobbo

Mit «Giacobbo/Müller – Late Service Public» startet SF eine neue Satiresendung. Aushängeschild Viktor Giacobbo sieht den hohen Erwartungen gelassen entgegen.

Das Ende der Satiresendung «Viktors Spätprogramm» im Dezember 2002 – ein von Viktor Giacobbo erwünschtes Ende – war ein herber Verlust für das Schweizer Fernsehen (SF). Über eine halbe Million schaltete einmal im Monat mittwochabends zu, der Marktanteil betrug zur Spitzenzeit 57 Prozent. Danach hat man in der Unterhaltungsabteilung am Leutschenbach verschiedene neue Humor-Formate ausprobiert. Seit 2003 werden Auftritte des «Arosa Humorfestivals» ausgestrahlt, 2004 lancierte man die Sendung «Punkt CH», 2005 folgten «Edelmais & Co.», «Rätpäck» und «Black’n’Blond», 2006 startete «Genial daneben». Doch an den televisionären Satire-König Giacobbo kam zuschauerzahlenmässig keiner heran.

Kein Wunder, klopfte man bei ihm immer wieder an. Fünf Jahre lang. Jetzt ist es so weit: Am Sonntag, dem 27. Januar, kehrt Viktor Giacobbo zurück auf den Bildschirm, nach Auftritten im Kino, im Zirkus und auf der eigenen Bühne (er ist Verwaltungsratspräsident des Casinotheaters Winterthur). «Giacobbo/Müller – Late Service Public» heisst der satirische Wochenrückblick, den Giacobbo mit Schauspieler und Komiker Mike Müller präsentieren wird. Sonntags um 19 Uhr 30 wird die Sendung im Festsaal des Kaufleuten Zürich vor Publikum aufgezeichnet, um ca. 21 Uhr 45 ausgestrahlt.

Satire mit Meinungen

Gäste werden eingeladen, «echte» und Kunstfiguren treten auf, bei Bedarf Giacobbos Debbie Mötteli oder Fredi Hinz sowie neue Figuren des Nachwuchs-Parodisten Fabian Unteregger. Ausserdem gibt es einen Musiker und Kabarettisten. Dazu kommen kurze Einspielfilme. Auf «Kreuzverhöre» werden die Talkmaster verzichten. Man arbeitet nicht mit fertigen Texten, sondern vorwiegend mit Stichworten. Diese liefert ein vierköpfiges Autorenteam, geleitet von Headwriter Domenico Blass.

Im Laufe des Abends kommentieren Giacobbo und Müller die News der Woche, Politisches, Sport, Klatsch. «Wir sind News-Junkies und haben eine Meinung zu dem, was auf der Welt passiert», sagt Giacobbo. «Satire braucht eine klare Haltung, die aber nicht parteipolitisch sein muss.» Die linke Vergangenheit des bald 56-Jährigen – er war in den siebziger Jahren Mitglied einer kommunistischen Organisation – liegt lange zurück, oft «wird zugegebenermassen der eigene Standpunkt einer guten Pointe geopfert». Einen Unterschied in der Empfindlichkeit bei Rechten und Linken ist ihm schon bekannt. «Es gibt Fragen, welche die SVP aufbringt, deren Lösung ich nicht gut finde, aber dass sie die Frage aufbringt, finde ich gut. Und da sind die Linken schnell einmal prophylaktisch beleidigt.» Irgendjemanden mit seinen Auftritten von der politischen Haltung abbringen könne er sowieso nicht. «Mit Satire bestärkt man die Leute höchstens in ihrer – zustimmenden oder ablehnenden – Meinung.»

Bei SF war man wohl so froh, Giacobbo wieder an Bord zu haben, dass er sich nun weder mit inhaltlichen noch mit Quotenvorgaben konfrontiert sieht. Er versucht die Erwartungen etwas herunterzuschrauben: «Wir werden weder das Fernsehen noch Late Night, noch die Satire neu erfinden.» Was wird also neu sein, ausser dass die Sendung wöchentlich und nicht monatlich stattfindet und die beiden zu zweit sind?

Wenn man sich nochmals die Aufzeichnungen der letzten Ausgaben von «Viktors Spätprogramm» anschaut, hat man weniger formale als inhaltliche Bedenken. Das war, im November und Dezember 2002, kein besonders prickelnder Abgang. Wird Giacobbo sich als so «unverbraucht» und «voller neuer Ideen» erweisen, wie er beteuert? Natürlich profitieren er und Müller von der heute verschärften politischen wie medialen Auseinandersetzung. «Eine klare Mörgelisierung der politischen Debatte. Die SVP hat allerdings auch das zweifelhafte Verdienst, dass man komplexe Probleme mit simplen populistischen Mitteln angeht.»

Auf einem Promo-Foto des Schweizer Fernsehens sitzt Giacobbo nach vorne gelehnt und zeigt mit beiden Zeigefingern auf sich, hinten hebt Mike Müller, in Dummerchen-Pose, zaghaft die Hand: Herr Lehrer, ich würde auch gerne etwas sagen. Dass er die Sendung nur mit Mike Müller machen würde, war Giacobbos Bedingung. Ist er, mit seinen 13 Jahren Erfahrung als TV-Satiriker, also der Tätschmeister des Abends? «Nein, wir sind absolut gleichberechtigt.»

Aus der Mitte lachen

Dennoch: SF hat fünf Jahre lang bei Giacobbo angeklopft, nicht bei Müller. Das spricht nicht gegen Müller, im Gegenteil. Nimmt man Giacobbos Auftritte in den fünf TV-freien Jahren als Gradmesser, traut man Müller durchaus das Potenzial zu, dem Abend etwas Neues beizusteuern. Viele Fans mögen Giacobbo ohnehin lieber als Debbie Mötteli, Harry Hasler oder Fredi Hinz denn Giacobbo als Giacobbo den Interviewer, dem Noch-Bundesrätin Ruth Dreifuss es damals in der letzten Sendung abnahm, die meisten Pointen zu liefern.

Das liegt an seiner satirischen Form: der Ironie. Es ist die klassische Haltung jener, die wissen, wie man austeilt, und darum wissen, wie wichtig es ist, möglichst wenig Angriffsfläche auf die eigene Person zu bieten. Giacobbo bietet gar keine, darin ist er Meister. Gleichzeitig ist das sein Pferdefuss als Satiriker: Irgendwann verleidet dem Zuschauer diese Position, es fehlt die Publikumsverbündung. Giacobbo lacht von unten nach oben (gegen Mächtige), von oben nach unten (das Spiel mit der Political Correctness), aber er lacht nie «aus der sicheren Mitte heraus, aus der Herde derer, die sich zusammenscharen und beten, der Hohnesblitz möge an ihnen vorbeizacken», wie die «Zeit» es über Harald Schmidts Sendungspartner Oliver Pocher schrieb. Insofern hat Giacobbo mit Mike Müller den bestmöglichen Partner gefunden: einen sympathischen Buddha, einen, der sich immer ein bisschen wehren muss.

Dieses «Gefälle» zwischen ihnen beiden werden sie auch ausspielen, sagt Giacobbo. Er ist eben ein Profi.

«Giacobbo/Müller – Late Service Public», ab 27. 1. auf SF 1 (1. Sendung 22.10 Uhr).

Die News-Junkies vom Sonntagabend

13. Januar 2008, NZZ am Sonntag, von Martin Walder, von Regula Freuler

Mit «Giacobbo/Müller – Late Service Public» startet SF eine neue Satiresendung. Aushängeschild Viktor Giacobbo sieht den hohen Erwartungen gelassen entgegen. […]

«Undercover» heisst der neue Film mit Viktor Giacobbo. Er liegt im Trend der neuen Schweizer Erfolgsfilme.

 

Im Vorfeld waren Unkenrufe zu vernehmen: «Undercover», der neue Spielfilm von und mit Viktor Giacobbo, sei besser, aber weniger lustig als der Kinoerstling «Ernstfall in Havanna». «Das habe ich auch schon von zwei Seiten gehört», bestätigt der Comedy-Star. Wir können Entwarnung geben: «Undercover» ist mehrschichtiger und realitätsnaher als der Vorgänger, weniger komisch ist er nicht. Komik ist sowieso eine Frage der Definition: «Man kann noch viel weniger  sein, damit etwas lustig ist», findet die Regisseurin Sabine Boss: «Ich hätte den Film sogar noch ruhiger gemacht.» Aber natürlich weiss sie, dass eine Genre-Form ihre Gesetze für die Umsetzung auf der Leinwand einfordert.

Sabine Boss, Viktor Giacobbo und sein Co-Autor Domenico Blass sind ein  Erfolgsteam. 313 000 Eintritte hat «Ernstfall in Havanna» erreicht, ein Höhenflug für Schweizer Verhältnisse. Warum also das Rezept nicht wiederholen? Es habe schon anders werden sollen, bekräftigt die Produzentin Ruth Waldburger, «etwas einfach zu wiederholen, ist aus Erfahrung nie gut, aber die Handschrift der Autoren ist unübersehbar – ebenso das Gemeinsame der beiden Filme: Komödien, die auch politisch sind, über Politik sprechen, über etwas, das spezifisch schweizerisch ist, obwohl in Italien gedreht».

Stressiges Doppelleben

Fettnäpfchentrampel Balsiger von der Schweizer Botschaft in Havanna aus dem Erstlingsfilm hat hier einem tüchtigen Ermittler der Bundeskriminalpolizei namens Boris Ruf (Giacobbo) Platz gemacht. Die furchterregende Eröffnungssequenz in Afghanistan setzt den Ton, der aber bald Behäbigerem weicht. Ruf führt gleich zweifach ein Doppelleben – privat und beruflich, Komplikationen sind garantiert. «Undercover» ist eine sich auch selber geniessende Agentenkomödie über Berlusconi-Italien, Küche, Fussball, Kokain, Kaffee und «treuhänderische» Geldwäscherei mit Mafiamethoden (und mit Mike Müller als Bösewicht), eine augenzwinkernde Konfrontation schweizerischer, italienischer und ein bisschen bajuwarischer Mentalität – deren Klischierung inklusive. In den Thriller eingebaut ist die Farce einer stressigen Liebesaffäre zwischen dem Agenten und seiner Chefin in der Bundeskriminalpolizei (Nana Krüger); diese will Bundesanwältin werden und strauchelt beinah über die Aktionen ihres auch erotisch Untergebenen.

Ganz schön draufgängerisch die Dame, und Boris/Giacobbo, der sich eigentlich nach nichts mehr sehnt als nach Sex wieder einmal in einem schlichten Bett, guckt fast so verzweifelt wie Woody Allen. Schliesslich dekliniert der Film eine nicht unkomplizierte Vater-Tochter-Beziehung so durch, dass die 16-Jährige (Anna Schinz) am angeblichen italienischen Ferienort just in die falschen Hände gerät, während die Mama (Silvie Rohrer), mit dem Harley-Macker Nick auf dem Befreiungstrip weg vom Langweiler Boris, die neusten Verzückungen ins Handy quäkt. Die Selbstironie, mit der Giacobbo hier mit dem Image des Biedermanns spielt, ist von feiner Komik.

Es ist also einiges los in «Undercover», woher denn eigentlich die Unkenrufe in Sachen Lustigkeit? Vielleicht sind sie symptomatisch für eine Erwartungshaltung im gegenwärtigen Schweizer Spielfilm, um dessen Popularität in Öchslegrad an Pointen konkurriert wird. Neuere Kino-Kassenschlager wie «Ernstfall in Havanna», «Achtung, fertig, Charlie!» (560 000 Eintritte), «Mein Name ist Eugen» (253 000) oder auch «Sternenberg» (123 000) stehen dafür. Die Pointe oder zumindest die Pointierung, die formal effektvolle Zuspitzung in Bild und Dialog, ist der gemeinsame Nenner von Filmen, die sich in manchem durchaus unterscheiden, deren Figuren sich aber primär durch die Situation charakterisieren, in die sie geraten – gemäss der Drehbuchmaxime: An ihrem Verhalten sollst du sie erkennen. Je verschachtelter, je bunter die Dramaturgie, desto vielversprechender die Ausbeute an Attraktionen. Mit andern Worten: In der Tendenz eine Fortsetzung der Fernseh-Soap mit Kinomitteln.

Nichts dagegen einzuwenden. Das Engagement des Fernsehens mit den Sonntagabend-Dialektfilmen hat in der Szene Schubkraft entwickelt, ermöglicht Regie- und Schauspieltalenten Kontinuität und Spielräume, überhaupt hat eine von altväterischem Respekt gegenüber dem Film unberührte Generation die Kamera in die Hand genommen. Der Schweizer Film tritt frischer auf, was dem Klima zwischen ihm und dem Publikum nur förderlich sein kann. Ein Trend zu Standards hockt sich aber im Bewusstsein fest, und wenn da inzwischen – auch! – ein Überdenken angesagt wäre, ist dies nicht zuletzt eine Forderung nach den jeweils adäquaten Kanälen der Filmförderung. Nicht um «Sternenberg» oder «Undercover» zu Problemfilmen über Landflucht und Geldwäscherei umzukrempeln; auch weiss Giacobbo, dass politische Satire im TV-Format aktuell besser aufgehoben ist. Es geht um die Kräftigung und Promotion der ganzen schönen Vielfalt an Qualitäten und Handschriften im gegenwärtigen Schweizer Film.

Neue Herausforderungen

Viktor Giacobbo ist da nicht skeptisch. Falls ein Trend zur Standardisierung tatsächlich bestehe, meint er, «dann wahrscheinlich als Reaktion auf die Zeiten, als man das innerhalb der Schweizer Filmszene nicht durfte, als die Bezeichnung  das grösste Schimpfwort war. Ich sehe eher die Tendenz, dass in der Schweiz Filme in den unterschiedlichsten Genres entstehen und diese nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden, dass eine Komödie nicht mehr grundsätzlich weniger wert ist als ein Flüchtlingsdrama. Zum Glück sind jetzt viele neue junge Filmer aufgetaucht, die sich um Muster, Tendenzen und Tabus nicht kümmern, sondern sehr kreativ an ihre Filme herangehen.»

«Undercover» kann ein Erfolg prognostiziert werden. Fortsetzung folgt? Kaum. Sabine Boss freut sich auf ihren Fernsehkrimi, wo sie mehr mit Bildern arbeiten will und «einem Drittel weniger Dialog – ich setze mir da immer so Vorgaben!» Und Viktor Giacobbo, der sympathische Star, hat ein Filmprojekt im Kopf, bei dem er Regie führen möchte. Vorerst aber heisst es eine Saison lang Zirkus Knie. Mit Fredi Hinz!

«Undercover» startet am 3. 11. 05.

Italokaffee und anderes Pulver

23. Oktober 2005, NZZ am Sonntag, von Martin Walder

«Undercover» heisst der neue Film mit Viktor Giacobbo. Er liegt im Trend der neuen Schweizer Erfolgsfilme.   Im Vorfeld waren […]

2017