Viktor Giacobbo

, 13. Januar 2008, von Martin Walder und Regula Freuler

Die News-Junkies vom Sonntagabend

Mit «Giacobbo/Müller – Late Service Public» startet SF eine neue Satiresendung. Aushängeschild Viktor Giacobbo sieht den hohen Erwartungen gelassen entgegen.

Das Ende der Satiresendung «Viktors Spätprogramm» im Dezember 2002 – ein von Viktor Giacobbo erwünschtes Ende – war ein herber Verlust für das Schweizer Fernsehen (SF). Über eine halbe Million schaltete einmal im Monat mittwochabends zu, der Marktanteil betrug zur Spitzenzeit 57 Prozent. Danach hat man in der Unterhaltungsabteilung am Leutschenbach verschiedene neue Humor-Formate ausprobiert. Seit 2003 werden Auftritte des «Arosa Humorfestivals» ausgestrahlt, 2004 lancierte man die Sendung «Punkt CH», 2005 folgten «Edelmais & Co.», «Rätpäck» und «Black’n’Blond», 2006 startete «Genial daneben». Doch an den televisionären Satire-König Giacobbo kam zuschauerzahlenmässig keiner heran.

Kein Wunder, klopfte man bei ihm immer wieder an. Fünf Jahre lang. Jetzt ist es so weit: Am Sonntag, dem 27. Januar, kehrt Viktor Giacobbo zurück auf den Bildschirm, nach Auftritten im Kino, im Zirkus und auf der eigenen Bühne (er ist Verwaltungsratspräsident des Casinotheaters Winterthur). «Giacobbo/Müller – Late Service Public» heisst der satirische Wochenrückblick, den Giacobbo mit Schauspieler und Komiker Mike Müller präsentieren wird. Sonntags um 19 Uhr 30 wird die Sendung im Festsaal des Kaufleuten Zürich vor Publikum aufgezeichnet, um ca. 21 Uhr 45 ausgestrahlt.

Satire mit Meinungen

Gäste werden eingeladen, «echte» und Kunstfiguren treten auf, bei Bedarf Giacobbos Debbie Mötteli oder Fredi Hinz sowie neue Figuren des Nachwuchs-Parodisten Fabian Unteregger. Ausserdem gibt es einen Musiker und Kabarettisten. Dazu kommen kurze Einspielfilme. Auf «Kreuzverhöre» werden die Talkmaster verzichten. Man arbeitet nicht mit fertigen Texten, sondern vorwiegend mit Stichworten. Diese liefert ein vierköpfiges Autorenteam, geleitet von Headwriter Domenico Blass.

Im Laufe des Abends kommentieren Giacobbo und Müller die News der Woche, Politisches, Sport, Klatsch. «Wir sind News-Junkies und haben eine Meinung zu dem, was auf der Welt passiert», sagt Giacobbo. «Satire braucht eine klare Haltung, die aber nicht parteipolitisch sein muss.» Die linke Vergangenheit des bald 56-Jährigen – er war in den siebziger Jahren Mitglied einer kommunistischen Organisation – liegt lange zurück, oft «wird zugegebenermassen der eigene Standpunkt einer guten Pointe geopfert». Einen Unterschied in der Empfindlichkeit bei Rechten und Linken ist ihm schon bekannt. «Es gibt Fragen, welche die SVP aufbringt, deren Lösung ich nicht gut finde, aber dass sie die Frage aufbringt, finde ich gut. Und da sind die Linken schnell einmal prophylaktisch beleidigt.» Irgendjemanden mit seinen Auftritten von der politischen Haltung abbringen könne er sowieso nicht. «Mit Satire bestärkt man die Leute höchstens in ihrer – zustimmenden oder ablehnenden – Meinung.»

Bei SF war man wohl so froh, Giacobbo wieder an Bord zu haben, dass er sich nun weder mit inhaltlichen noch mit Quotenvorgaben konfrontiert sieht. Er versucht die Erwartungen etwas herunterzuschrauben: «Wir werden weder das Fernsehen noch Late Night, noch die Satire neu erfinden.» Was wird also neu sein, ausser dass die Sendung wöchentlich und nicht monatlich stattfindet und die beiden zu zweit sind?

Wenn man sich nochmals die Aufzeichnungen der letzten Ausgaben von «Viktors Spätprogramm» anschaut, hat man weniger formale als inhaltliche Bedenken. Das war, im November und Dezember 2002, kein besonders prickelnder Abgang. Wird Giacobbo sich als so «unverbraucht» und «voller neuer Ideen» erweisen, wie er beteuert? Natürlich profitieren er und Müller von der heute verschärften politischen wie medialen Auseinandersetzung. «Eine klare Mörgelisierung der politischen Debatte. Die SVP hat allerdings auch das zweifelhafte Verdienst, dass man komplexe Probleme mit simplen populistischen Mitteln angeht.»

Auf einem Promo-Foto des Schweizer Fernsehens sitzt Giacobbo nach vorne gelehnt und zeigt mit beiden Zeigefingern auf sich, hinten hebt Mike Müller, in Dummerchen-Pose, zaghaft die Hand: Herr Lehrer, ich würde auch gerne etwas sagen. Dass er die Sendung nur mit Mike Müller machen würde, war Giacobbos Bedingung. Ist er, mit seinen 13 Jahren Erfahrung als TV-Satiriker, also der Tätschmeister des Abends? «Nein, wir sind absolut gleichberechtigt.»

Aus der Mitte lachen

Dennoch: SF hat fünf Jahre lang bei Giacobbo angeklopft, nicht bei Müller. Das spricht nicht gegen Müller, im Gegenteil. Nimmt man Giacobbos Auftritte in den fünf TV-freien Jahren als Gradmesser, traut man Müller durchaus das Potenzial zu, dem Abend etwas Neues beizusteuern. Viele Fans mögen Giacobbo ohnehin lieber als Debbie Mötteli, Harry Hasler oder Fredi Hinz denn Giacobbo als Giacobbo den Interviewer, dem Noch-Bundesrätin Ruth Dreifuss es damals in der letzten Sendung abnahm, die meisten Pointen zu liefern.

Das liegt an seiner satirischen Form: der Ironie. Es ist die klassische Haltung jener, die wissen, wie man austeilt, und darum wissen, wie wichtig es ist, möglichst wenig Angriffsfläche auf die eigene Person zu bieten. Giacobbo bietet gar keine, darin ist er Meister. Gleichzeitig ist das sein Pferdefuss als Satiriker: Irgendwann verleidet dem Zuschauer diese Position, es fehlt die Publikumsverbündung. Giacobbo lacht von unten nach oben (gegen Mächtige), von oben nach unten (das Spiel mit der Political Correctness), aber er lacht nie «aus der sicheren Mitte heraus, aus der Herde derer, die sich zusammenscharen und beten, der Hohnesblitz möge an ihnen vorbeizacken», wie die «Zeit» es über Harald Schmidts Sendungspartner Oliver Pocher schrieb. Insofern hat Giacobbo mit Mike Müller den bestmöglichen Partner gefunden: einen sympathischen Buddha, einen, der sich immer ein bisschen wehren muss.

Dieses «Gefälle» zwischen ihnen beiden werden sie auch ausspielen, sagt Giacobbo. Er ist eben ein Profi.

«Giacobbo/Müller – Late Service Public», ab 27. 1. auf SF 1 (1. Sendung 22.10 Uhr).

2017