Viktor Giacobbo

, 2. Februar 2007

Swiss Premium Snow

Mit Freude und Stolz hat mich die Meldung erfüllt, dass der Schweizer Aussenhandel im vergangenen Jahr alle Rekorde gebrochen hat. Offenbar sind Produkte aus unserem Binnenland gefragt. Selbst bei den Importen zeichnete sich eine markante Erhöhung ab, und dies nicht nur wegen der Einfuhr von Schlager singenden Steuerflüchtlingen aus Frankreich.

Gerade als ich mich fragte, welche Produkte aus der Schweiz im Ausland wohl am begehrtesten sind, ist mir die Schlagzeile „Schweizer Schnee für Mauren“ ins Auge gesprungen. Unglaublich – das stolze nordafrikanische Berbervolk importiert Schweizer Schnee? Natürlich nicht, denn Mauren heisst eine nicht sehr stolze liechtensteinische Flachlandgemeinde, in der ein Langlaufrennen durchgeführt wird, obwohl der anhaltende Pistenbericht „Wiese grün“ lautet. Deshalb lassen die Organisatoren Schweizer Kunstschnee aus dem Städtchen Buchs SG, das sich auch Ökostrom City nennt, mit Lastwagen ins fürstliche Mauren karren.

Ignorieren wir die ökologischen Einwände und wenden uns den phantastischen Perspektiven zu, die sich unserem Land dadurch eröffnen. Nach Uhren, Schokolade und Federer dürfte Schnee zum Exportartikel der Zukunft werden. Durch die Klimaerwärmung wird die weisse Pracht zu einem knappen Gut und bald auf dem Weltmarkt wie Erdöl oder gar Kaviar gehandelt. Obwohl natürlich Kunstschnee überall auf der Welt als billige Massenware hergestellt werden kann (z.B. aus chinesischer Hors-Ciel-Produktion), hat die Schweiz gute Chancen, im zertifizierten Luxus-Naturschneesegment die Führung zu übernehmen. Selbst wenn die allgemeine Erwärmung fortschreitet, wird es an den höchsten Berggipfeln immer noch genügend weisses Gold geben, welches an schattigen Felswänden geschürft und zu hohen Preisen ins Ausland verkauft werden kann.

Neben dem Buchser Ökostrom-Kunstschnee wird Wildschnee aus den Hochalpen durch das Swiss-Miss-Holle-Label geschützt. Als Premium-Qualität wird er zur wirtschaftlichen Zukunftschance für die Berggebiete. Besondere Regionalmarken entstehen, etwa der Davoser halbhart, der wegen seiner griffigen Sämigkeit geschätzt wird. Auf den exklusivsten Parties der Welt, wird neben dem Kunstkaviar aus Turkmenistan ein Haufen Swiss Snow aufgeschüttet und für die Gäste eine mehrere Meter lange Piste präpariert. In den USA besonders gefragt ist die Zermatter Spätlese aus Bodenhaltung oder der etwas günstigere Lauberhorner moitié-moitié mit mindestens 50 Volumenprozent Kunstdünger. Für den fairen Handel bietet Max Havelaar handgepflückte Schneeflocken der Sorte Eiger-Mönch-Jungfrau extra vergine im wiederverschliessbaren Kühlbeutel an.

Natürlich wird die Konkurrenz diese Entwicklung nicht verpassen. Fälschungen aus Südostasien, wo Kinderhände die Eisfächer der Kühlschränke auskratzen müssen, werden den Markt überschwemmen, und Kolumbien wird nichts unversucht lassen, um Schneeexporteur Nummer eins zu bleiben. Das liechtensteinisch-schweizerische Rheintal bei Buchs und Mauren wird hingegen mit Sicherheit zur Wiege der schneeexportierenden Industrie, zum Snow Valley. Der liechtensteinische Fürst wird dann allerdings seine malariaverseuchte Trutzburg längst verlassen haben.

2017