Viktor Giacobbo

, 26. September 2003, von Tobias Gerosa

Selbstinszenierung als Therapie

«Sickmen» von Viktor Giacobbo, Patrick Frey und Mike Müller im Casino-Theater Winterthur

 

Ärztliche Betreuung von vor dem Eingang bis zum Ausgang: Das Winterthurer Casino-Theater bietet in seiner neuen Eigenproduktion einen kabarettistisch-medizinischen Totalservice. Als Spätprogramm mit anderen Mitteln dürfte es vor allem Entzugserscheinungen kurieren.

Ein schwarzer Vorhang, drei Lederstühle und drei Männer mittleren Alters in Anzügen: Die Ausstattungskosten für – gut anglo-eidgenössisch – «Sickmen» halten sich in Grenzen, da wäre das ursprünglich geplante Politstück «Der saubere Krieg» mit seinem Bodenseehochseefrachter bestimmt teurer geworden.

Welche komplizierten medizinisch-philosophisch-männerbündlerischen Verwicklungen und Eitelkeiten diesen Plan, den selbst die Künstleraktionärskollegen des Winterthurer «Monte Verità mit Sponsoren statt FKK» nicht retten konnten, vereitelt haben, davon erzählt «Sickmen», oder besser: Davon erzählen Viktor Giacobbo, Patrick Frey und Mike Müller in ihrem «Konversationsstück von und für drei Männer». Und wo andere Theaterschaffende einen Regisseur benötigen, brauchen die drei Spätprogramm-Cracks einen Männertrainer. Dass politisches Theater (schon wieder) passé sei, nimmt «Sickmen» en passant mit, wie so einige Randbemerkungen zu den Formaten, welche die drei Darsteller TV-DRS-weit bekannt gemacht haben.

Erfrischend spritzig

Wie arm und anfällig und wehleidig die drei «Malades imaginaires» aber sind, wenn es darum geht, ein neues Stück zu schreiben, davon erzählen sie nun als Selbsttherapie in Ermangelung eben dieses Stückes. Dass Gourmet-Hedonist Müller, Pharmajünger Giacobbo und Glutamatkreuzritter Frey sich nicht finden konnten, erstaunt nicht, wenn man hört, mit welcher Häme die drei Figuren in wechselnder Konstellation übereinander herfallen. Sie tun dies mit inszenierter Selbstironie (bisweilen auf einer Meta-Meta-Ebene) und einer erfrischenden sprachlichen Spritzigkeit.

Und in diesem Umfeld bekommt sogar die eingestreute Werbung für die Sponsoren und Veranstaltungen des Casinotheaters einen Touch, der sie schon fast wieder erträglich macht.

[i] Sickmen im Casino Theater Winterthur bis 11. Oktober. www.casinotheater.ch

2017