Viktor Giacobbo

, 5. Oktober 2009, von Sabine Lüthi

«Peinlicherweise finden wir uns manchmal selbst lustig»

Mathias HaehlAb nächstem Sonntag darf abends wieder gelacht werden: Dann startet die vierte Staffel der Sendung «Giacobbo/Müller» auf SF 1. Der kulturschaffende Schnellsprecher Viktor Giacobbo über Humor und Liebe, über Mike Müller, Roman Polanski und den Bundesrat.

Viktor Giacobbo, haben Sie heute schon herzhaft gelacht?

Oh ja! Wir sind derzeit am Drehen und Ausprobieren von neuen Figuren, die gut zu gelingen scheinen – das findet man dann peinlicherweise selber manchmal lustig. Mike Müller und ich lachten weniger über die Nummern, da wir die selbst geschriebenen Pointen kennen, sondern vielmehr über die Improvisation – und die ist meistens nicht sendefähig.

Was sind das für Figuren?

Vor der ersten Sendung möchte ich darüber nichts sagen, sonst ist die Überraschung weg.

Dafür überraschen wir Sie mit einem Witz …

Oh, mein Gott!

… «Weshalb sind Blondinenwitze so kurz? – Damit Männer sie auch verstehen.» Ist der gut?

Na ja. Sagen wir mal so: Dass hier nicht gegen die Blondinen, sondern gegen die Männer geschossen wird, ist schon mal ein überraschender Ansatz.

Kennen Sie einen besseren?

Ich kann mir keine konfektionierten Witze merken. Mir sind Witz-Erzähler sowieso ein Graus. Sobald einer damit beginnt, frage ich mich sofort: «Wie komme ich da wieder raus?» Denn sie erzählen nie nur einen einzigen.

Wir schon. Und fragen weiter: Was ist guter Humor?

Wenn er lustig ist. Und das ist reine Geschmackssache. Wir machen den Humor, den wir lustig finden – unser einziges Kriterium.

Sie lockten sonntags mehr als eine halbe Million Leute vor den Bildschirm. Besitzen Sie einen massentauglichen Humor?

In der Fernseh- und Filmindustrie wird heute kaum mehr eine Szene gedreht, in der nicht getestet wird, ob und wo die Leute wie lachen. So entsteht eine hilflose Sauce von Mainstream-Komik. Wir machen es genau umgekehrt: Wir bringen unseren Witz und schauen, ob es Leute gibt, die ihn goutieren.

Dies dürfte mal mehr, mal weniger der Fall sein.

Genau. Die einen finden «Boppeler & Stark» primitive Zürcher Kotzbrocken – was sie ja auch sind –, die anderen finden sie lustig. Gut so.

Wie stehen Sie zum Skandal Roman Polanski?

Ich gönne es keinem 76-Jährigen, dass er in den Knast muss. Aber ich habe mich gefragt, wie es wäre, wenn ein unbekannter Pizzaverkäufer in Los Angeles vor 30 Jahren eine 13-Jährige mit Drogen abgefüllt, vergewaltigt und sich einem Prozess entzogen hätte. Würden bei dessen Verhaftung auch weltweit Kulturschaffende protestieren? Er ist ein genialer Regisseur, sogar einer meiner liebsten. Aber was kümmert das die Rechtsgleichheit?

Ist Polanski ein Thema, das sich für die Satire eignet?

Natürlich. Es gibt kaum ein Thema, das sich nicht eignet. Die Frage ist immer: Wie bringe ich es rüber, welchen Standpunkt nimmt man ein und wo ist die Zielscheibe.

Eignen sich heikle Themen?

Religion ist zum Beispiel ein heikler Klassiker. Wenn wir das Wort Papst nur in den Mund nehmen, empören sich religiöse Fundamentalisten, ohne genau hingehört zu haben, was wir gesagt haben. Offenbar bringt ein einzelner Joke über eine Bibelstelle ihr ganzes Gottvertrauen ins Wanken.  Daneben gibt es aber auch Progressive, die meinen, ihre persönlichen Tabus gelten generell für die Satire.

Für Politiker scheint ein Auftritt bei «Giacobbo/Müller» heikel zu sein. Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppätt sagte, er sei nervöser gewesen als vor einem Auftritt in der «Arena».

Wer sich selber bleibt, Selbstironie und eine gewisse Gelassenheit zeigt, kann gut punkten – das hat Tschäppät ja auch bewiesen.

Anders als SP-Frau Jacqueline Fehr, die für ihren Auftritt kritisiert wurde.

Sie ist eine versierte Sachpolitikerin, ihre Aufgabe ist es nicht, Pointen zu machen. Dafür müssen schon Mike und ich sorgen.

Haben rechte Politiker mehr Humor? Haben Linke mehr Berührungsängste?

Die Rechten sind öfter entspannter, wenn sie bei uns sind. Warum? Keine Ahnung. Sie sagen sich wohl: Jetzt gehen wir mal zu diesen beiden Typen, die uns sonst immer anpinkeln, und haben es lustig. Einige Linke wiederum finden, Satire müsse sich generell gegen die Rechte wenden. Und wenn sie dann doch zum Ziel werden, verunsichert sie das offenbar. Aber auf beiden Seiten gibt es immer wieder Ausnahmen, die diese seltsame Regel bestätigen.

SVP-Präsident Toni Brunner etwa punktete endlos in der Sendung.

Brunner ist locker, er liebt ein deftiges Wortduell. Ihm ist es auch egal, was für Witze wir über seine Partei machen. Diese Lockerheit besitzen nicht alle.

Werden die Politiker gebrieft?

Nein. Ich weiss selber nicht, was geschehen wird. Manchmaltritt ein Gast auf die Bühne, und noch während er sich setzt, kommt mir in den Sinn, dass ich mir schlampigerweise noch keine erste Frage überlegt habe.

Wie spontan sind Talks mit Gästen? «Feuchtgebiete»-Autorin Charlotte Roche sagte über ihre Vorbereitung für einen Auftritt bei Harald Schmidt: «Ich brauche drei, vier Geschichten, zwei Gags pro Minute.»

So kann jemand nur total unspontan wirken. In den US-Late-Night-Shows gibt es Talkgäste, die Gagschreiber angestellt haben. Deshalb wirkt ihr Auftritt oft so überkandidelt und geprobt.

Bei Ihnen kann es genau umgekehrt sein: Der Gast kommt gar nicht zu Wort.

Bisher aber nur einmal. Da hatten wir Sabina Schneebeli zu Gast. Alle wussten, dass ich mit ihr ein bisschen spiele …

… und der Boulevard Ihnen eine Liaison mit der Schauspielerin angedichtet hatte …

Jedenfalls haben wir nicht geplant, dass sie gar nie zu Wort kommen würde. Das war die improvisierteste Sendung und wohl eine der lustigsten – übrigens auch für Sabina.

Und, läuft da nun etwas mit Sabina Schneebeli?

Seit unserer Sendung mit ihr sollte jedem und jeder klar sein, dass da nichts läuft. Wir bleiben gute Freunde, sie kriegt die Kinder und ich die Katze.

Sie sind demnach zu haben?

Ich bin immer zu haben. Fragt sich nur für wen und zu welchem Preis.

Wie sieht Ihre Traumfrau aus?

Keine Ahnung. Wer mit einer Mustervorlage sucht, kriegt keine Traumfrau, sondern einen Alptraum.

Anderer Meinung scheint Boris Becker zu sein: Er bleibt einem bestimmten Frauentyp treu.

Und man sieht, wie es rauskommt: Er heiratet alle eineinhalb Jahre, und zwar möglichst öffentlich. Ob das ein Erfolgsmodell ist?

Was macht eine tolle Frau aus?

Blond, jung und reich. Quatsch, aber das kann man nur mit Banalitäten beantworten. Intelligenz und Humor jedenfalls können nicht schaden.

So wie Sie und Mike Müller. Wie funktionieren Sie beide vor der Kamera?

Einerseits haben wir verschiedene Temperamente, stehen aber auf dieselbe Komik. Erst dies ermöglicht die gemeinsame Improvisation. Ich wüsste nicht, mit wem sonst dies so gut funktionieren würde. Während der Sendung haben wir einen stichwortartigen Spick, aber wer was wann genau sagt, entscheidet sich live.

Manchmal wirkt das wie Jazz: Improvisation und Solieren.

Ja. Diesen Ausdruck hat auch der Kabarettist Josef Hader gebraucht als er in einem Interview die Sendung beschrieb. Er sagte, die Art und Weise, wie wir uns die Themen zuspielten, sei «Jazzig». Dieser Begriff gefällt mir.

Wer von beiden ist der Chef?

Das sieht man doch, oder? (lacht) Nein, natürlich machen wir diese Sendung gleichberechtigt zu zweit. Aber für die Fallhöhe der Komik ist es interessanter, wenn einer während der Sendung mal den Chef markiert. Ausserdem hat sich auch eine Art Arbeitsteilung ergeben. Ich führe die Talks und Mike kommt mit sprengenden Einwürfen quasi von hinten rein. Wenn wir beide gleich scharf auf den Gast losgehen würden, wäre das erstens unfair und zweitens bekämen die Zuschauer mit dem Gast Mitleid. Auch kann es so passieren, dass Mike die Position des Gastes einnimt und mich runtermacht.

Bundesräte sind immer wieder Teil Ihrer Sendung. Wie gefällt Ihnen der neue?

Didier Burkhalter ist die gelungene Verkörperung unseres Konkordanzsystems – und vermutlich ebenso langweilig. Selbst im lahmen deutschen Wahlkampf ging es immerhin um politische Positionen. Unsere Kriterien zur Wahl in die Regierung sind: Wohnort, Unauffälligkeit, Beliebtheit beim politischen Gegner. Ich bin kein Anhänger des Konkordanzsystemes, wo alle gemeinsam in einer permanenten grossen Koalition so tun müssen, als seien sie Kollegen. Dies ist kein zeitgemässes System mehr.

Was schwebt Ihnen vor?

Ein parlamentarisches Konkurrenzsystem. Eine Koalition von Parteien, die als Mehrheit eine bestimmte Politik durchziehen. Bin ich einverstanden mit dieser Politik, kann ich die Regierung wieder wählen. Wenn nicht, abwählen.

Wie wurden Sie politisiert?

Im berühmten – und oft glorifizierten – Jahr 1968 wurde ich politisiert. Ich war als Schriftsetzerlehrling gewerkschaftlich aktiv. Ich vertrete zwar nicht mehr die gleichen Positionen wie damals, aber politisiert bin ich immer noch – was in meinem Beruf nicht gerade ein Nachteil ist.

Was schauen Sie am Fernsehen eigentlich selber gerne?

News. Und eine meiner Lieblingssendungen heisst «Panda, Gorilla und Co.», eine rasend harmlose und komplett unpolitische Zoosendung. Als Tierfreund bin ich bei Tiergeschichten immer leicht zu rühren, deshalb schaue ich die Sendung zur Wahrung meines harten Images ausschliesslich alleine.

Wie gehen Sie mit dem Älterwerden um?

Ich geh nicht mit ihm um. Das Alter geht mit mir um. Aber da bin ich entspannt. Solange ich mir eine gewisse Neugier auf alles mögliche bewahre, fühle ich mich nicht alt. Ausserdem muss ich mir nicht mehr alles beweisen, nicht mehr allem nachrennen.

Haben Sie Tipps?

Wenn ich welche hätte, wäre das wohl nicht so entspannt, oder?

2017