Viktor Giacobbo

«Cancel Culture» nennt sich die moralisch begründete öffentliche Ächtung von Personen und Institutionen. Komiker Viktor Giacobbo wünscht sich statt der gnadenlosen Verurteilung wieder mehr Streitkultur in den sozialen Medien.

Viktor Giacobbo, können Sie uns «Cancel Culture» erklären? Man hört und liest den Begriff derzeit überall.

Zunächst einmal ist es ein Modebegriff. Er bezeichnet die allgemeine Empörung über das angebliche Fehlverhalten einer Person, die im äussersten Fall dazu führt, dass diese zum Beispiel ihren Job verliert. Oder gegen eine Institution, die dann boykottiert wird. Es handelt sich um einen hochmoralisierten Mechanismus, der sich vor allem in den sozialen Medien abspielt, die ja nicht umsonst auch hysterische Medien genannt werden. Cancel Culture ist der Preis für die Demokratisierung gesellschaftlicher Debatten.

Inwiefern?

Früher waren solche Debatten den Experten, Feuilletonisten und Kommentatoren vorbehalten. Heute können dank sozialer Medien alle mitmachen, was ja auch gut so ist. Aber: Nur weil sich dort eine Person oder auch eine Gruppe über etwas empört, heisst das noch lange nicht, dass sie recht hat. Ich habe allerdings das Gefühl, dass die Cancel Culture selber zurzeit gecancelt wird.

Auch Sie wurden unlängst auf Twitter für Ihre satirische Rajiv-Figur kritisiert und mussten sich in den Medien erklären.

Cancel Culture gilt eigentlich als ein Werkzeug der Linken, interessanterweise kam die Kritik an Rajiv aber aus der rechten Ecke. Für meine politischen Intimfeinde aus der SVP war das natürlich ein gefundenes Fressen: Seht her, auch der Giacobbo hat sich einmal das Gesicht braun angemalt und sich über Minderheiten lustig gemacht.

Haben Sie das?

Bei Rajiv hat die Hautfarbe nie eine Rolle gespielt, sondern der indische Akzent. Ausserdem war er zwar etwas ordinär, aber immer der Gewinner. Ich entschuldige mich nicht für meine Figuren, die alle der jeweiligen Zeit entspringen. Ich spiele einzelne nicht mehr, das betrifft aber nicht nur Rajiv, sondern zum Beispiel auch Donatella oder Ueli Maurer. Und das sicher nicht aus Gründen der Hautfarbe, sondern weil diese satirischen Rollen für mich nicht aktuell sind. Vielleicht werden sie das wieder einmal, und dann hole ich sie hervor. Selten spiele ich live noch den Junkie Fredi Hinz. Oder den primitiven (und stets gut gebräunten) Autofan Harry Hasler, etwa wenn Peter Spuhler bei Stadler Rail einen neuen Zug präsentiert. Dort entsteht die nötige Fallhöhe der satirischen Komik.

Gerade wurde bekannt, dass Facebook künftig Inhalte mit «Blackfacing» blockieren wird. Da würde wohl auch Rajiv durchfallen.

Facebook sollte besser dafür sorgen, dass es rassistische Seiten und Posts sperrt. Der ursprüngliche Begriff Blackfacing hat mit Europa und der Schweiz wenig zu tun. Früher durften Afroamerikaner in den USA nicht in Bühnenshows auftreten. Schwarze Figuren mussten dann von geschminkten Weissen gespielt werden. Die rassistische Diskriminierung ist die Ungerechtigkeit – das Blackfacing der weissen Schauspieler war nur eine Folge davon.

Gedeiht Cancel Culture vielleicht auch in einem gesellschaftlichen Klima, das viele als unentspannt empfinden?

Ich denke schon. Die sozialen Medien sind voller Opfer, voller moralischer Anklagen. Alle können mal kurz mit einem Klick Scharfrichter sein. Ich stelle das auch in meiner eigenen Branche fest, die in letzter Zeit zum wortreichen, reflexartigen Moralisieren neigt, statt politisch-satirisch auszuteilen.

Ist die konstante Aufregung ein guter Nährboden für Satire?

Für Satire gibt es nur gute Zeiten. Komik lässt sich nicht bändigen und hat etwas zutiefst Anarchisches. Auch die grössten Moralisten werden manchmal davon überwältigt. Oder wie es der deutsche Schriftsteller Robert Gernhardt ausdrückte: Es gibt ebensowenig ein niveauvolles Lachen, wie es einen niveauvollen Orgasmus gibt. Hinzu kommt, dass niemand ein Recht hat, von Satire verschont zu bleiben. Auch moralisch noch so berechtigte Bewegungen zeitigen Auswüchse, denen man nur mit einem satirischen Joke beikommt. Auch Greta Thunberg, die ich toll finde, ist davon nicht ausgenommen.

Ihre satirischen Twitter-Posts werden von SVP-Vertretern stets hämisch kommentiert. Ist das auch Humor – oder ernst gemeint?

Teilweise ist es satirisch gemeint, manchmal hilflos missverstanden oder unfreiwillig lustig. Aber witzige Antworten like ich. Auf Twitter findet manchmal immer noch eine Debatte statt, die über den eigenen Bubble-Rand hinausgeführt wird. Zum Beispiel haben Christoph Mörgeli und ich uns noch nicht gegenseitig blockiert. Wir zoffen uns, aber wir canceln nicht. Da ist ein Rest politischer Kultur, auch wenn es inhaltlich keinerlei Übereinstimmungen gibt.

Sie können Cancel Culture nicht viel Gutes abgewinnen.

Auch wenn das von mir altem Mann etwas klischiert tönt: Ich habe volles Verständnis für die bewegte Jugend. Sie hat ein Anrecht auf Empörung, und manchmal gerät sie halt etwas ausser Kontrolle. Ich ging damals als Teenager an eine Veranstaltung von James Schwarzenbach (Begründer der 1970 abgelehnten Überfremdungs-Initiative, Anmerkung der Redaktion) und störte seine Rede mit «Heil Hitler»-Rufen. Das finde ich rückblickend ziemlich einfältig. Er war fremdenfeindlich, aber kein Nazi. Man sollte auch in der Empörung noch in der Lage sein zu differenzieren. Cancel Culture ist Teil einer Bewegung gegen den strukturellen Rassismus, die sehr gut und nötig ist. Aber diese gnadenlose Verurteilung, wenn jemand einmal etwas Falsches sagt, die wird hoffentlich wieder einer spannenden Streitkultur weichen.

„Alle können mit einem Klick Scharfrichter sein“

20. August 2020, Migros-Magazin, von Kian Ramezani

«Cancel Culture» nennt sich die moralisch begründete öffentliche Ächtung von Personen und Institutionen. Komiker Viktor Giacobbo wünscht sich statt der […]

Die Satiresendung ist zu Ende, aber Viktor Giacobbo und Mike Müller bleiben dem Publikum auf Bühne, Bildschirm und Leinwand erhalten. Ein Gespräch über Freundschaft, Filterblasen, Missen und das satirische Potenzial von Rechtspopulisten. Denn: «Wir haben mit Trump verabredet, dass wir aufhören, falls Trump gewinnt».

Mike Müller und Viktor Giacobbo, 2016 ist zu Ende und damit auch Ihre gemeinsame Satiresendung «Giacobbo/Müller». Werden Sie die regelmässige Zusammenarbeit vermissen?

Viktor Giacobbo: Ich denke nicht, wir sind ja gute Freunde und haben bereits gemeinsame Pläne für die Zukunft. Für die ist es vielleicht sogar befruchtend, wenn wir mal für eine Weile nicht jede Woche neue Ideen aushecken müssen.
Mike Müller: Genau. Jeweils am Ende einer Staffel waren wir schliesslich ganz froh, wenn wir mal zwei, drei Tage nicht miteinander telefonieren mussten…

Giacobbo: …wenn nicht sogar vier oder fünf…

Müller: …dann hatten wir aber Streit, weil es so lange gedauert hat…

Giacobbo: …mehr als acht Tage waren es jedenfalls nie.

Macht es die Zusammenarbeit leichter oder schwieriger, wenn man so gut befreundet ist? Kann man sich eher mal sagen, wenn man etwas vom anderen nicht so witzig findet?

Giacobbo: Wir haben die Kritik institutionalisiert. Es war immer klar, dass man dem anderen sagen konnte, wenn man etwas nicht so gut fand, dann wurde diskutiert. Und wenn das nichts brachte, gab es ein Vetorecht, und die Idee kam nicht in die Sendung.

Kam das öfters vor?

Giacobbo: Nicht häufig, aber es kam vor.

Müller: Während der Sendung selbst nützte es uns enorm, dass wir uns so gut kennen. Da mussten wir manchmal spontan und schnell Entscheidungen treffen, und das konnte jeder von uns quasi blind – im Wissen, dass der andere genau gleich entschieden hätte. Wir sahen einander auch immer an, wenn der andere einen Hänger hatte und konnten schnell einspringen.

Giacobbo: Auch wenn der gerade an etwas anderes dachte, zum Beispiel an den Kühlschrank zu Hause.

Müller: Und das war dann nicht immer nur ich!

Giacobbo: Überhaupt nicht, das hat auch niemand behauptet…

Müller: Doch, doch, das ist wieder typisch, wir sind noch keine fünf Minuten hier und schon…

Giacobbo: …jetzt fühlt er sich gleich wieder angegriffen…

Das Zusammenspiel läuft offensichtlich prima…

Giacobbo: Genau. Es gibt in der Branche natürlich viele talentierte Kolleginnen und Kollegen, aber das gemeinsame Improvisieren funktioniert nicht mit jedem.

Müller: Wir kennen uns ja auch schon lange. Ich bin über «Viktors Spätprogramm» quasi schleichend in die Branche reingekommen…

Giacobbo: …ein blutjunger Newcomer war er. Eigentlich wollte er Schlosser werden, aber ich sagte, nein, werde Kabarettist.

Müller: Er hat mich als Verdingbub aus einem Kohlebergwerk gerettet. Jedenfalls entstand aus der Zusammenarbeit nach und nach eine berufliche Freundschaft und später auch eine persönliche. Mit vielen arbeitet man zusammen, ohne dass eine Freundschaft entsteht. Bei uns hingegen wuchs die Liebe sehr stark über die Jahre.

Giacobbo: Wir haben auch intensiv daran gearbeitet…

Müller: …und wir planen jetzt ein Buch darüber zu schreiben…

Giacobbo: …über Paarberatung. Es hilft auf jeden Fall, wenn man mit der Zeit die Macken des anderen kennt, sympathische wie schwierige.

Wie häufig haben sich Leute bei Ihnen über Beiträge in der Sendung beklagt oder offiziell den SRF-Ombudsmann angerufen?

Müller: Es kam schon regelmässig vor. Wir bekamen dann jeweils eine Kopie des Berichts vom Ombudsmann. In der Regel waren es fundamental-katholische Kreise oder Leute rechts der SVP.

Giacobbo: Oder Minoritätenkreise auf linker Seite.

Und fanden Sie jemals: Hm, doch, das war vielleicht ein bisschen zu heftig?

Giacobbo: Grundsätzlich finden wir es verständlich, dass sich jemand daran stört, wenn wir Witze über ihn machen. Und es kam durchaus vor, dass wir im Nachhinein unzufrieden mit uns waren. Nicht weil wir zu weit gegangen, sondern weil wir zu ungenau waren.

Müller: Wenn man geschludert hat, muss man das auch eingestehen können. Die Schweiz ist in diesen Dingen aber zum Glück sehr liberal, Satiriker geniessen grosse Freiheiten.

Letzten Frühling hat die Trans-Community sich medienwirksam über einen Beitrag beklagt – wie beurteilen Sie die Sache nun mit etwas Abstand?

Giacobbo: Wir betonen immer, dass wir mit dem Beitrag nicht auf Transmenschen gezielt haben, sondern auf die SP-Frauen, die ihren Namen neu mit einem * ergänzten, um ihre Offenheit gegenüber Transmenschen zu signalisieren. Dabei verwendeten wir ein paar zu saloppe Ausdrücke, wie wir danach auch selbst fanden.

Müller: Was wir aber auch korrigiert haben.
Giacobbo: Jedenfalls gab es ein kleines Shitstörmli, weil diese Community sehr gut vernetzt ist; es meldeten sich aber auch einige von ihnen, die fanden, sie hätten schon auch lachen müssen. In einer späteren Sendung hatten wir dann eine tolle Transfrau als Gast, die sich mit viel Humor gut geschlagen hat.

Müller: Und die das Sternchen einigermassen bescheuert findet.

Giacobbo: Wir fanden es darüber hinaus bemerkenswert, dass etwas anderes offenbar niemandem aufgefallen ist: Diese Minderheit scheint lediglich bei den SP-Frauen willkommen zu sein. Würde die Partei Transmenschen richtig ernst nehmen, müsste sie doch den Hauptnamen mit einem Sternchen schmücken, also SP*, nicht?

Der Sender, für den Sie neun Jahre gearbeitet haben, steht politisch unter Druck. Wie erleben Sie das?

Giacobbo: Mike, sag doch da mal was Gutes.

Müller: Dafür brauchen wir dann aber schon zwei Stunden… Interessant ist ja, dass ausgerechnet die Zeitungsverleger, die sich zunehmend auf Autoverkaufsanzeigen im Internet verlegen, so eifrig gegen die SRG schiessen. Aber schon klar, der Sender muss sich überlegen, wie er sich im Zeitalter der Digitalisierung positionieren und verändern muss. Wir hatten eigentlich nie den Eindruck, dass wir bei einem Sender arbeiten, der mit Geld um sich wirft – das gilt übrigens auch für «Der Bestatter», der trotz Schweizer Löhnen 10 bis 20 Prozent günstiger produziert wird als vergleichbare Formate in Deutschland.

Giacobbo: Auch publizistisch kann man die SRG gut in Schutz nehmen: Der Sender ist politisch nun wirklich ausgewogen. Es klagen immer regelmässig beide Seiten, die Beiträge seien zu einseitig – solange das der Fall ist, macht man dort definitiv etwas richtig. Und wir konnten eh immer tun, was wir wollten, sogar unsere eigenen Chefs namentlich kritisieren. Ich kenne keinen anderen Medienbetrieb in der Schweiz, der so liberal ist, ganz sicher nicht Ringier, Tamedia, NZZ oder die Wanner Medien.

Wie informieren Sie sich?

Giacobbo: Ich lese die wichtigsten Schweizer Tageszeitungen, zusätzlich noch elektronisch den britischen «Guardian», die «New York Times», den «Spiegel», ich schaue auch TV-Newssendungen.

Müller: Das gehört ein Stück weit zum Job, ich lese zusätzlich noch «Die Zeit» und höre auch gerne die Informations- und Talkssendungen von Radio SRF.

Giacobbo: Das Schöne ist, dass sich hier persönliche Interessen und Arbeit praktisch komplett überschneiden.

Müller: Man kann seine Newsjunkie-Beschäftigung immer als Arbeit rechtfertigen.

Der Medienkonsument hält ja vermehrt nur noch das für wahr, was dem eigenen Weltbild entspricht – der Rest ist «Lügenpresse». Erleben Sie das auch so?

Giacobbo: Ein bisschen macht das ja jeder. Mich interessiert aber schon, was die «Weltwoche» findet oder Erdogan oder Trump. Die Tendenz zu Filterblasen und zu fake news finde ich aber tatsächlich erschreckend.

Müller: Wir sind natürlich auch ältere, konservative Mitgenossen und zahlen noch für unsere Medien. Klar bin ich auch auf Facebook, käme aber nie auf die Idee, mich ausschliesslich darüber zu informieren, das wäre mir viel zu einseitig. Ausserdem gibt es noch immer Medienmarken, die für etwas stehen, auch wenn der Print unter Druck steht und die Qualität teilweise sinkt. Aber selbst, wenn man sich so informiert, wie wir das tun, muss man aufpassen, dass man nicht in einer Blase landet. Die elektronischen Medien haben dieses Risiko erhöht.

Linke und Liberale befanden sich wohl 2016 in einer solchen Blase – die meisten wurden vom Brexit und Doland Trumps Wahlsieg völlig überrascht. Satiriker wiederum dürfen sich auf eine Menge fantastisches Material freuen. Wie blicken Sie als linksliberale Satiriker auf das Jahr zurück?

Giacobbo: Klar sind Leute wie Trump für uns attraktiv. Auch ich lese jede Nachricht darüber, welche furchtbare Figur er nun wieder in sein Kabinett geholt hat. Auf der anderen Seite empfinde ich die politische Entwicklung als wirklich bedenklich. Wir stammen noch aus einer Zeit, in der man sich links oder rechts einordnete, aber diese Kategorien verlieren zunehmend an Bedeutung. Ich kann auch mich selbst nicht mehr so leicht wie früher der einen oder andern Seite zuschlagen. Populismus kommt von ganz links genauso wie von ganz rechts, und der Kampf um den Büezer ist voll entbrannt, obwohl es von denen gar nicht mehr so viele gibt.

Müller: Man sagt ja immer, dass krasse Zeiten oder ein gemeinsamer starker Gegner gut sind für die Satire. Und das stimmt natürlich auch. Andererseits muss man auch gestehen, dass einem bei jemandem wie Trump nach zwei, drei Monaten dann auch nicht mehr so viel Neues einfällt. Man kann sich nicht ewig über ihn lustig machen.

Und in der Schweiz? Man könnte ja argumentieren, dass wir mit der rechtspopulistischen Erweckung schon reichlich Erfahrung haben, die nun andere Länder erfasst und erschreckt.

Giacobbo: Da gibt es schon Unterschiede. Die SVP ist in der Schweiz ziemlich gut in die Institutionen eingebunden, auch wenn sie immer wieder mal verbal randaliert. Die Partei hat bei uns einiges absorbiert, was in anderen Ländern nun Gefahr läuft, ausser Kontrolle zu geraten.

Müller: Das hat sie selbst ja auch immer betont.

Giacobbo: Hinzu kommt, dass wir mit der direkten Demokratie ein grosses Korrektiv haben. Es kann sich einfach nicht so viel aufstauen, wie in Ländern, wo grosse Bevölkerungsschichten nur geringe Mitsprache haben.

Müller: Und die SVP ist Teil der Elite dieses Landes, auch wenn sie das bestreitet. Sie hat zwei Sitze in der Regierung, stellt 30 Prozent der Richter. Das ist schon ganz anders als bei der FPÖ oder Marine Le Pen. Immerhin lässt sich sagen: In ganz Europa sind derzeit nationalistische Tendenzen im Aufwind, von daher sind wir gute Durchschnittseuropäer.

Aber es ist schon ein ungünstiger Moment, um Ihre Sendung zu beenden, oder? Es gäbe soviel Material.

Müller: Wir haben mit Trump verabredet, dass wir aufhören, falls er gewinnt…

Giacobbo: Es gibt nie schlechte Zeiten für die Satire. Es passiert immer etwas, das man verwerten kann.

Fällt es leichter, solche Entwicklungen mit Humor zu nehmen, wenn man Komiker ist?

Giacobbo: Humor hilft in jeder Lebenslage, auch um sich und seine Situation objektiver zu sehen, quasi von aussen. Das ist häufig eine Erleichterung.

Müller: Als Komiker nimmt man sich vielleicht nicht so ernst, aber man wird nicht zwingend vom Pessimisten zum Optimisten.

Giacobbo: Nein, aber Humor ermöglicht uns, einige Leute mit etwas Witz bei ihrem Tun zu stören.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie andere zum Lachen bringen können?

Giacobbo: Ich habe das schon in der Schulzeit entdeckt, wo ich gerne Lehrer imitiert und rasch gemerkt habe, dass ich mit meiner frechen Schnurre weiter komme als mit Fussball oder Handball.

Müller: Auch bei mir waren es Lehrer-Imitationen. Den Französischlehrer nachahmen, während man mit ihm spricht und ohne dass er es merkt – sowas kommt an. Es geht natürlich auch darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Unser Job hat auch etwas damit zu tun sich auszustellen, das braucht eine gewisse Eitelkeit.

Giacobbo: Wir sind Rampensäue.

Sie werden ja auch nicht einfach verschwinden. Mike Müller ist ab 3. Januar wieder als «Bestatter» zu sehen. Und ab 2018 haben Sie ein gemeinsames Bühnenprojekt. Was erwartet uns da?

Giacobbo: Ein Theaterstück, in dem wir uns und die Sendung «Giacobbo/Müller» thematisieren, deren Verlust uns angeblich zu schaffen macht. Es wird auf einer Meta-Humorebene spielen, mit etwas Medienkritik und ein paar Elementen aus der Sendung, einfach live.

Sie planen ausserdem zwei Filme, Viktor Giacobbo?

Müller: Ja, das erzählt er allen. Dass er einen Film macht. Ich bin halt nur Seriendarsteller. Fiuum heisst das übrigens richtig, Fiuum.

Giacobbo: Ok, ich mache einen Fiuum. Einen Dok-Film im Stil von «Der grosse Kanton» und eine Politkomödie. Viel mehr kann ich noch nicht sagen.

Weil das unser Jahresend-Gespräch ist…

Müller: … wollt ihr unsere Vorsätze wissen?

Giacobbo: Mit denen habe ich schon viele enttäuscht.

Nein, eher allgemeiner: Was wünschen Sie sich selbst, der Schweiz, der Welt fürs 2017?

Giacobbo: Auf diese Frage kann man doch nur mit Banalitäten antworten: Friede, Fortschritt, Glück, Liebe. Mir noch viele tolle Frauen. Geld.

Müller: Kalorienfreie Mayonnaise…

Das war jetzt Ihr Missen-Moment.

Giacobbo: Freedom for the world! (lacht)

Müller: Wie im Film von Roger Moore…

Giacobbo: Was? Nein, das ist der Bond-Darsteller. Du meinst Michael Moore.

Müller: Ja, genau. Der hat doch einen Dok-Film über Schönheitsköniginnen gemacht, wo er sie was Ähnliches gefragt hat. Die hatten dann ebenso Tiefgründiges zu sagen.

Geht’s jetzt ab in die Ferien?

Müller: Ich nehme mir eine Auszeit für zweieinhalb Monate. In der Zeit möchte ich ein neues Solo-Programm schreiben. Mit 30 Sendungen «Giacobbo/Müller» und sechs Folgen «Bestatter» pro Jahr war das nicht machbar. Diese Freiheit nutze ich nun aus.

Verraten Sie, wohin die Reise geht?

Müller: Nein.

Giacobbo: Ich weiss es, ich sage es Ihnen gegen ein fettes Honorar.

Machen Sie auch eine Pause?

Giacobbo: Vielleicht spanne ich mal ein paar Tage aus, bin konzentriert faul und lese. Aber ich habe noch ein paar Auftritte, etwa am Humorfestival Arosa. Und dann überlege ich mir, an welches Projekt ich mich als erstes mache. Ich habe auch noch zwei Kurzaufenthalte im Ausland geplant.

Müller: Einkaufen in Konstanz?

Giacobbo: Genau! (lacht) In einem Einkaufszentrum, wo es nur Schweizer hat, die dann sagen: Ha, Herr Giacobbo, Sie sind auch da!

Ernsthaft: Sie können sich wohl schwer durchs Land bewegen, ohne erkannt zu werden?

Giacobbo: Man kennt uns natürlich. Aber man kann das selbst auch ein bisschen steuern.

Wie?

Giacobbo: Ich esse beispielsweise nicht alleine abends in einem Lokal.
Müller: Es kommt auch sehr auf den Wochentag und die Uhrzeit an. Tagsüber kann ich zum Beispiel gut in der Migros am Limmatplatz einkaufen. Sagt mir dann eine Kassiererin, sie sei aus Syrien, ihr 12-jähriger Sohn sei ein Fan unserer Sendung und bei ihnen zuhause sei Politik ein grosses Thema – dann ist das eine schöne Begegnung.

Sind sie das meistens?

Giacobbo: Ja, die Leute sind nur selten aufdringlich.
Müller: Etwa wenn Alkohol ins Spiel kommt. Und die Jungen machen gerne Selfies mit uns. Sie sind vielleicht schon manchmal aufdringlich – aber sehr ehrlich. Da machen wir gerne mit.

Giacobbo: Sehr viele Junge in ihren 30ern sagen mir, sie seien mit meinen Sendungen aufgewachsen, und haben sich so für Politik zu interessieren begonnen – das ist doch ein schönes Kompliment.
Müller: Als Komiker ist man diesbezüglich ohnehin verwöhnt. Man muss auch aufpassen, dass man das nicht immer alles zum Nennwert nimmt.

Der Jahresrückblick und der Abschied von «Giacobbo/Müller»

28. Dezember 2016, Migros-Magazin, von Monica Müller, von Ralf Kaminski

Die Satiresendung ist zu Ende, aber Viktor Giacobbo und Mike Müller bleiben dem Publikum auf Bühne, Bildschirm und Leinwand erhalten. […]

Viktor Giacobbo will die Steuerstreitigkeiten und Fluglärmdiskussionen mit Deutschland beenden, indem er den nördlichen Nachbarn in seinem Film «Der grosse Kanton» kurzerhand einverleibt. Eine gute Idee, findet «Screensavers»-Autor Reto Vogt.

Wenn zwei sich streiten… mach einen draus! Eine ziemlich simple Lösung für ziemlich grosse Probleme, mit denen sich derzeit die Verantwortlichen in Bern und Berlin herumschlagen müssen. Der Vorschlag kommt von Viktor Giacobbo – realisiert in seinem satirischen Dokumentarfilm «Der grosse Kanton». Das Konzept lässt sich im Trailer gut nachvollziehen: Giacobbo lässt mehrheitlich deutsche und Schweizer Politiker zu Wort kommen und das grenzenlose Zusammenleben kommentieren. Auf zwei Minuten zusammengeschnippelt durchaus amüsant, aber hält das Konzept knapp anderthalb Stunden Spieldauer stand?

Ich finde: Aber unbedingt! Der Film hat über seine gesamte Spieldauer keinen Hänger. «Der grosse Kanton» unterhält und informiert. Wie Giacobbo SVP-Nationalrätin Natalie Rickli zum Beispiel fünf Meter ennet der Schweizer Grenze nach ihrer Gefühlslage fragt, ist einfach nur herrlich. Auch andere Politiker wie Christian Levrat oder Philipp Müller, sonst nicht gerade für ihren Humor bekannt, kommen sympathisch und witzig rüber, wenn sie über eine Integration Deutschlands sinnieren. Ebenso ihre nördlichen Counterparts Gregor Gysi, Cem Özdemir oder Joschka Fischer. Letzterer allerdings warnt die Schweiz vor dem Schritt. Aber nur wegen den Bayern…

Der Freistaat wird im Film vom Kabarettisten Gerhard Polt repräsentiert. Giacobbo spaziert mit ihm auf der Suche nach geschichtsträchtigen Orten von König Ludwig dem Bayer durch die Landeshauptstadt München. Immer wieder gelingt es Giacobbo, historische Fakten amüsant in den Film einzubauen. Sei es im Gespräch mit einem Italiener in Melegnano oder dem angeblich letzten Habsburger im Aargau, einem mistschaufelnden Bauern. Dieser allerdings ist nicht echt, sondern wird vom Schauspieler Michael Finger gespielt. Genau so wie der Berlin-Auswanderer Frank A. Meyer auf einen Auftritt verzichtet und stattdessen von Mike Müller gemimt wird.

Leider, muss man sagen. Der Film verliert just in den Momenten an Reiz, wo Giacobbo Dr. Klöti und Adolf Hitler spielt oder die erwähnten Schauspieler auftreten. Das liegt gewiss nicht an deren Talent oder Engagement. Die Einspieler passen einfach nicht ins Konzept. «Der grosse Kanton» lebt von den Auftritten ohne Drehbuch. Zum Beispiel wenn das Filmteam bei einer Strassenumfrage in der ehemaligen «Schweizer Kolonie» Rottweil zufällig den örtlichen Nachtwächter trifft und dieser die gesamte Crew in seine Privatwohnung auf einen Schnaps einlädt, oder wenn der Nidwaldner Germanist Peter von Matt Giacobbos Idee mit feiner Ironie kommentiert: «I chönnt mer scho vorschtelle, dass öpper drgägä wäri.»

Tatsächlich. Nicht alle finden eine transparente Glaskuppel auf dem Bundeshaus, Wilhelm Tell auf dem Brandenburger Tor oder die Kantone «Prolothurn» und «Tütschino» eine gute Idee. Ich schon! Nur so könnten wir Schweizer schliesslich behaupten, leckeres Bier zu brauen und guten Fussball zu spielen. Lassen Sie sich ebenfalls überzeugen und sehen Sie sich Giacobbos neusten Film an. Es lohnt sich.

Grenzenloses Vergnügen

10. Mai 2013, Migros-Magazin, von Reto Vogt

Viktor Giacobbo will die Steuerstreitigkeiten und Fluglärmdiskussionen mit Deutschland beenden, indem er den nördlichen Nachbarn in seinem Film «Der grosse […]

Mathias HaehlAb nächstem Sonntag darf abends wieder gelacht werden: Dann startet die vierte Staffel der Sendung «Giacobbo/Müller» auf SF 1. Der kulturschaffende Schnellsprecher Viktor Giacobbo über Humor und Liebe, über Mike Müller, Roman Polanski und den Bundesrat.

Viktor Giacobbo, haben Sie heute schon herzhaft gelacht?

Oh ja! Wir sind derzeit am Drehen und Ausprobieren von neuen Figuren, die gut zu gelingen scheinen – das findet man dann peinlicherweise selber manchmal lustig. Mike Müller und ich lachten weniger über die Nummern, da wir die selbst geschriebenen Pointen kennen, sondern vielmehr über die Improvisation – und die ist meistens nicht sendefähig.

Was sind das für Figuren?

Vor der ersten Sendung möchte ich darüber nichts sagen, sonst ist die Überraschung weg.

Dafür überraschen wir Sie mit einem Witz …

Oh, mein Gott!

… «Weshalb sind Blondinenwitze so kurz? – Damit Männer sie auch verstehen.» Ist der gut?

Na ja. Sagen wir mal so: Dass hier nicht gegen die Blondinen, sondern gegen die Männer geschossen wird, ist schon mal ein überraschender Ansatz.

Kennen Sie einen besseren?

Ich kann mir keine konfektionierten Witze merken. Mir sind Witz-Erzähler sowieso ein Graus. Sobald einer damit beginnt, frage ich mich sofort: «Wie komme ich da wieder raus?» Denn sie erzählen nie nur einen einzigen.

Wir schon. Und fragen weiter: Was ist guter Humor?

Wenn er lustig ist. Und das ist reine Geschmackssache. Wir machen den Humor, den wir lustig finden – unser einziges Kriterium.

Sie lockten sonntags mehr als eine halbe Million Leute vor den Bildschirm. Besitzen Sie einen massentauglichen Humor?

In der Fernseh- und Filmindustrie wird heute kaum mehr eine Szene gedreht, in der nicht getestet wird, ob und wo die Leute wie lachen. So entsteht eine hilflose Sauce von Mainstream-Komik. Wir machen es genau umgekehrt: Wir bringen unseren Witz und schauen, ob es Leute gibt, die ihn goutieren.

Dies dürfte mal mehr, mal weniger der Fall sein.

Genau. Die einen finden «Boppeler & Stark» primitive Zürcher Kotzbrocken – was sie ja auch sind –, die anderen finden sie lustig. Gut so.

Wie stehen Sie zum Skandal Roman Polanski?

Ich gönne es keinem 76-Jährigen, dass er in den Knast muss. Aber ich habe mich gefragt, wie es wäre, wenn ein unbekannter Pizzaverkäufer in Los Angeles vor 30 Jahren eine 13-Jährige mit Drogen abgefüllt, vergewaltigt und sich einem Prozess entzogen hätte. Würden bei dessen Verhaftung auch weltweit Kulturschaffende protestieren? Er ist ein genialer Regisseur, sogar einer meiner liebsten. Aber was kümmert das die Rechtsgleichheit?

Ist Polanski ein Thema, das sich für die Satire eignet?

Natürlich. Es gibt kaum ein Thema, das sich nicht eignet. Die Frage ist immer: Wie bringe ich es rüber, welchen Standpunkt nimmt man ein und wo ist die Zielscheibe.

Eignen sich heikle Themen?

Religion ist zum Beispiel ein heikler Klassiker. Wenn wir das Wort Papst nur in den Mund nehmen, empören sich religiöse Fundamentalisten, ohne genau hingehört zu haben, was wir gesagt haben. Offenbar bringt ein einzelner Joke über eine Bibelstelle ihr ganzes Gottvertrauen ins Wanken.  Daneben gibt es aber auch Progressive, die meinen, ihre persönlichen Tabus gelten generell für die Satire.

Für Politiker scheint ein Auftritt bei «Giacobbo/Müller» heikel zu sein. Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppätt sagte, er sei nervöser gewesen als vor einem Auftritt in der «Arena».

Wer sich selber bleibt, Selbstironie und eine gewisse Gelassenheit zeigt, kann gut punkten – das hat Tschäppät ja auch bewiesen.

Anders als SP-Frau Jacqueline Fehr, die für ihren Auftritt kritisiert wurde.

Sie ist eine versierte Sachpolitikerin, ihre Aufgabe ist es nicht, Pointen zu machen. Dafür müssen schon Mike und ich sorgen.

Haben rechte Politiker mehr Humor? Haben Linke mehr Berührungsängste?

Die Rechten sind öfter entspannter, wenn sie bei uns sind. Warum? Keine Ahnung. Sie sagen sich wohl: Jetzt gehen wir mal zu diesen beiden Typen, die uns sonst immer anpinkeln, und haben es lustig. Einige Linke wiederum finden, Satire müsse sich generell gegen die Rechte wenden. Und wenn sie dann doch zum Ziel werden, verunsichert sie das offenbar. Aber auf beiden Seiten gibt es immer wieder Ausnahmen, die diese seltsame Regel bestätigen.

SVP-Präsident Toni Brunner etwa punktete endlos in der Sendung.

Brunner ist locker, er liebt ein deftiges Wortduell. Ihm ist es auch egal, was für Witze wir über seine Partei machen. Diese Lockerheit besitzen nicht alle.

Werden die Politiker gebrieft?

Nein. Ich weiss selber nicht, was geschehen wird. Manchmaltritt ein Gast auf die Bühne, und noch während er sich setzt, kommt mir in den Sinn, dass ich mir schlampigerweise noch keine erste Frage überlegt habe.

Wie spontan sind Talks mit Gästen? «Feuchtgebiete»-Autorin Charlotte Roche sagte über ihre Vorbereitung für einen Auftritt bei Harald Schmidt: «Ich brauche drei, vier Geschichten, zwei Gags pro Minute.»

So kann jemand nur total unspontan wirken. In den US-Late-Night-Shows gibt es Talkgäste, die Gagschreiber angestellt haben. Deshalb wirkt ihr Auftritt oft so überkandidelt und geprobt.

Bei Ihnen kann es genau umgekehrt sein: Der Gast kommt gar nicht zu Wort.

Bisher aber nur einmal. Da hatten wir Sabina Schneebeli zu Gast. Alle wussten, dass ich mit ihr ein bisschen spiele …

… und der Boulevard Ihnen eine Liaison mit der Schauspielerin angedichtet hatte …

Jedenfalls haben wir nicht geplant, dass sie gar nie zu Wort kommen würde. Das war die improvisierteste Sendung und wohl eine der lustigsten – übrigens auch für Sabina.

Und, läuft da nun etwas mit Sabina Schneebeli?

Seit unserer Sendung mit ihr sollte jedem und jeder klar sein, dass da nichts läuft. Wir bleiben gute Freunde, sie kriegt die Kinder und ich die Katze.

Sie sind demnach zu haben?

Ich bin immer zu haben. Fragt sich nur für wen und zu welchem Preis.

Wie sieht Ihre Traumfrau aus?

Keine Ahnung. Wer mit einer Mustervorlage sucht, kriegt keine Traumfrau, sondern einen Alptraum.

Anderer Meinung scheint Boris Becker zu sein: Er bleibt einem bestimmten Frauentyp treu.

Und man sieht, wie es rauskommt: Er heiratet alle eineinhalb Jahre, und zwar möglichst öffentlich. Ob das ein Erfolgsmodell ist?

Was macht eine tolle Frau aus?

Blond, jung und reich. Quatsch, aber das kann man nur mit Banalitäten beantworten. Intelligenz und Humor jedenfalls können nicht schaden.

So wie Sie und Mike Müller. Wie funktionieren Sie beide vor der Kamera?

Einerseits haben wir verschiedene Temperamente, stehen aber auf dieselbe Komik. Erst dies ermöglicht die gemeinsame Improvisation. Ich wüsste nicht, mit wem sonst dies so gut funktionieren würde. Während der Sendung haben wir einen stichwortartigen Spick, aber wer was wann genau sagt, entscheidet sich live.

Manchmal wirkt das wie Jazz: Improvisation und Solieren.

Ja. Diesen Ausdruck hat auch der Kabarettist Josef Hader gebraucht als er in einem Interview die Sendung beschrieb. Er sagte, die Art und Weise, wie wir uns die Themen zuspielten, sei «Jazzig». Dieser Begriff gefällt mir.

Wer von beiden ist der Chef?

Das sieht man doch, oder? (lacht) Nein, natürlich machen wir diese Sendung gleichberechtigt zu zweit. Aber für die Fallhöhe der Komik ist es interessanter, wenn einer während der Sendung mal den Chef markiert. Ausserdem hat sich auch eine Art Arbeitsteilung ergeben. Ich führe die Talks und Mike kommt mit sprengenden Einwürfen quasi von hinten rein. Wenn wir beide gleich scharf auf den Gast losgehen würden, wäre das erstens unfair und zweitens bekämen die Zuschauer mit dem Gast Mitleid. Auch kann es so passieren, dass Mike die Position des Gastes einnimt und mich runtermacht.

Bundesräte sind immer wieder Teil Ihrer Sendung. Wie gefällt Ihnen der neue?

Didier Burkhalter ist die gelungene Verkörperung unseres Konkordanzsystems – und vermutlich ebenso langweilig. Selbst im lahmen deutschen Wahlkampf ging es immerhin um politische Positionen. Unsere Kriterien zur Wahl in die Regierung sind: Wohnort, Unauffälligkeit, Beliebtheit beim politischen Gegner. Ich bin kein Anhänger des Konkordanzsystemes, wo alle gemeinsam in einer permanenten grossen Koalition so tun müssen, als seien sie Kollegen. Dies ist kein zeitgemässes System mehr.

Was schwebt Ihnen vor?

Ein parlamentarisches Konkurrenzsystem. Eine Koalition von Parteien, die als Mehrheit eine bestimmte Politik durchziehen. Bin ich einverstanden mit dieser Politik, kann ich die Regierung wieder wählen. Wenn nicht, abwählen.

Wie wurden Sie politisiert?

Im berühmten – und oft glorifizierten – Jahr 1968 wurde ich politisiert. Ich war als Schriftsetzerlehrling gewerkschaftlich aktiv. Ich vertrete zwar nicht mehr die gleichen Positionen wie damals, aber politisiert bin ich immer noch – was in meinem Beruf nicht gerade ein Nachteil ist.

Was schauen Sie am Fernsehen eigentlich selber gerne?

News. Und eine meiner Lieblingssendungen heisst «Panda, Gorilla und Co.», eine rasend harmlose und komplett unpolitische Zoosendung. Als Tierfreund bin ich bei Tiergeschichten immer leicht zu rühren, deshalb schaue ich die Sendung zur Wahrung meines harten Images ausschliesslich alleine.

Wie gehen Sie mit dem Älterwerden um?

Ich geh nicht mit ihm um. Das Alter geht mit mir um. Aber da bin ich entspannt. Solange ich mir eine gewisse Neugier auf alles mögliche bewahre, fühle ich mich nicht alt. Ausserdem muss ich mir nicht mehr alles beweisen, nicht mehr allem nachrennen.

Haben Sie Tipps?

Wenn ich welche hätte, wäre das wohl nicht so entspannt, oder?

«Peinlicherweise finden wir uns manchmal selbst lustig»

5. Oktober 2009, Migros-Magazin, von Sabine Lüthi

Mathias HaehlAb nächstem Sonntag darf abends wieder gelacht werden: Dann startet die vierte Staffel der Sendung «Giacobbo/Müller» auf SF 1. […]

2017