Viktor Giacobbo

, 8. September 2007, von Rolf Wyss

Ode an die Leichtigkeit des Scheiterns

Was tun, wenn die Inspiration ausbleibt? Mike Müller, Viktor Giacobbo und Patrick Frey machten sich bei der Premiere von «Erfolg als Chance» auf eine kurzweilige, witzige und stellenweise sogar tiefgründige Suche nach einem neuen Stück.

 

WINTERTHUR – Zwei Männer sind der Verzweiflung nahe. Erstens ist die Premiere des neuen Stückes in fünf Wochen, zweitens fehlt dazu der nötige Stoff; ausserdem lässt der Dritte im Bunde auf sich warten. Wahrlich eher schlechte Voraussetzungen, um entspannt und kreativ Ideen zu einer neuen Theaterproduktion zu entwickeln, die den «Riesenerfolg» von «Sickmen» womöglich noch überflügeln soll. Die Frage ist allgegenwärtig und zieht sich zwei kurzweilige Stunden lang dahin: Fiktion oder Realität, gut erfunden oder einfach nur der Wirklichkeit abgeschaut, was Patrick Frey, Viktor Giacobbo und Mike Müller – die Reihenfolge ist übrigens absolut zufällig gewählt, um von vornherein Eifersüchteleien auszuschliessen – dem Publikum vorsetzen? Die drei Vorzeigekabarettisten des Casinotheaters spielen nicht nur mit Sein und Schein, sie kokettieren auch ganz bewusst mit ihren eigenen Biografien. Wenn es schon nicht stimmt, dass Mike Müllers Mutter jeden Text ihres Buben korrigieren lässt, Freys Erzeugerin aus grossbürgerlichen Kreisen eine Jagdflinte besitzt, mit der sie ihren Sohn jeweils mit zwei Schüssen weckte, oder Giacobbos Mama jeden künstlerischen Wurf ihres Filius mit dem lapidaren Spruch «Wenigstens einmal etwas anderes» quittiert, dann sind die Storys zumindest grossartig erfunden.

Worum geht es bei «Erfolg als Chance»? Gute Frage, die Antwort spielt eine eher untergeordnete Rolle. Am Anfang steht jedenfalls das Nichts. Oder besser gesagt ein Stück ohne Inhalt, ein Laptop mit blankem Display. Ein Konversationsstück ohne Requisiten muss dringendst her, wenn möglich in der Art von «Sickmen». Von wegen Erfolg, sie wissen schon. Unsere Helden sind zwar abgebrühte Routiniers, die schon manche Theaterschlacht ausgefochten haben. Aber wenn die Inspiration blockt und das Brainstorming höchstens ein müdes Windchen im Hirn auslöst, dann sind auch Cracks gefordert.

Leere Hirnwindungen

Drei Bühnenprofis ohne Sinn für Sinnvolles, ohne Lust auf Witz und tiefschürfende Abendunterhaltung: Die Katastrophe wartet nur darauf, sich voll entfalten zu dürfen. Giacobbo, Müller und Frey, die sich bei «Erfolg als Chance» in erster Linie selber spielen, wissen bloss, dass das Thema «Krankheit» tabu ist, weil es bei «Sickmen» schon zur Genüge abgegrast wurde. Sonst herrscht gähnende Leere in den Hirnwindungen und im Computer. Freys intellektueller Vorschlag, das Thema «Auto» auf einer soziohistorischen Metaebene abzuhandeln, wird schliesslich ebenso verworfen wie die oben erwähnte, nicht immer einfache Beziehung zur Mutter. Auch die so unterschiedliche Herkunft des Trios – Frey entstammt dem Grossbürgertum, Müller indifferenter mittelländischer Mittelschicht, Giacobbo der Arbeiterklasse – ergibt kein abendfüllendes Thema.

Blick hinter die Kulissen

Dass die drei eine harte Jugend als Casserolier, Verdingbub oder Schwimmer im 17 Grad kalten Internatspool gehabt haben, erregte beim Publikum zwar einen gewissen Mitleidbonus, ein taugliches Drehbuch liess sich damit aber auch nicht herbeizaubern. Dass Viktor Giacobbo dem «Tages-Anzeiger» aus Versehen verriet, dass das Stück «Chnuschperland» heissen würde, trug natürlich ebenso wenig zur Verbesserung des Arbeitsklimas bei wie die Geständnisse, dass Giacobbo lieber Weinbauer in Südafrika, Frey Schriftsteller und Müller süsser Nichtstuer sein möchte.

So kam es, wie es kommen musste: Es kam nichts. Das Trio steht in dieser vergnüglichen Ode an die unerträgliche Leichtigkeit des Scheiterns schliesslich ohne Inhalte da und muss frei von der Leber weg improvisieren. Die erstaunlich flüssige Handlung ohne eigentliche Handlung kam beim Premierenpublikum bestens an; unter der Regie von Tom Ryser ist ein Stück entstanden, das sich durch einen ebenso sensiblen wie selbstironischen Blick hinter die Kulissen auszeichnet, der bestens unterhält.

2017