Viktor Giacobbo

, 30. April 2007, von Elisabetta Antonelli

«Kreative Lämpen gehören dazu»

«Vorhang auf» hiess es vor genau fünf Jahren zum ersten Mal im Casinotheater. Dass die Eröffnung schon so lange her ist, wundert selbst Initiant und Verwaltungsratspräsident Viktor Giacobbo. Auf Subventionen will er weiterhin verzichten.

 

Herr Giacobbo, wie fühlten Sie sich 2002, kurz vor der Eröffnung?

Viktor Giacobbo: Es herrschte spannende Ungewissheit und kreative Aufbruchstimmung. Davon haben wir einiges bis heute retten können. Wir wundern uns selber, dass es schon fünf Jahre her ist.

Hatten Sie Angst vor der Eröffnung?

Angst nicht, aber Respekt. Wir wussten, dass es finanziell heikel werden kann. Wir fragten uns, ob Zuschauer und Gäste kommen werden oder ob einige Zürcher recht bekommen sollten, die sagten: «Gute Idee, aber in Winterthur wird das nicht klappen». Inzwischen funktionieren ähnliche Zürcher Projekte nicht und uns gibt es immer noch.

Welche Ihrer Befürchtungen haben sich bewahrheitet?

Gewisse Dinge haben wir unterschätzt, beispielsweise die Unkosten. Pro Jahr verbraucht das Haus Elektrizität für 100 000 Franken.

Haben Sie das Ziel erreicht, ein Haus mit «nationaler Ausstrahlung» zu sein?

Ich denke, das ist keine Frage. Sogar Werbefachleute staunen, dass das Wort «Casinotheater» so schnell zu einem nationalen «Brand» geworden ist. Auch in Deutschland kennt man in der Theaterszene unser Haus.

Und das Publikum? Eine Umfrage von 2004 hat ergeben, dass die meisten Besucherinnen und Besucher aus Winterthur und der Region stammen.

Das war eine etwas einfach gestrickte Umfrage. Unsere Zuschauer kommen aus der ganzen deutschen Schweiz. Ausserdem wird die Grösse Winterthurs immer unterschätzt. Im kleineren Luzern würde niemand fragen, woher das Publikum kommt.

Luzern steht aber nicht wie Winterthur im Schatten von Zürich.

Ja. Wobei Winterthur aus diesem Schatten herauskommt und immer mehr ein eigenes Profil entwickelt. Und die Stadtzürcher haben realisiert, dass man für Winterthur kein Visum braucht.

Was ist Ihr persönliches Casinotheater-Highlight der letzten fünf Jahre?

Persönlich denke ich an die Produktion «Sickmen». Mit dem einfach produzierten, aber sehr erfolgreichen Stück gingen Patrick Frey, Mike Müller und ich auf Tournee und machten in der ganzen Schweiz Werbung fürs Casinotheater. Aber viel anderes war auch toll, zahlreiche Eigenproduktio-nen, Konzerte, Lesungen etc. Neben Gastspielen von bekannten Künstlern, mit denen wir unser Theater füllen, versuchen wir auch jungen Künstlern eine Plattform zu bieten. Leider scheitert das oft an fehlender Neugier des Publikums und vor allem der Medien.

Für die Eigenproduktionen gab es auch negative Schlagzeilen. Wie gehen Sie damit um?

Damit muss man in dieser Branche leben. Ob man Theater, Fernsehen oder Kino macht – man bekommt sowohl ungerechte Verrisse wie ungerechte Lobpreisungen.

Nehmen Sie Kritik nie persönlich?

Ich ärgere mich nicht über persönliche Meinungen, aber über Falsches oder Thesenjournalismus. Kürzlich strahlte die Rundschau einen dummen Beitrag aus, in dem es hiess, das Haus werde von der SVP finanziert. Nur weil uns neben zahlreichen andern Gönnern auch Peter Spuhler unterstützt. Auch als es einen Direktorenwechsel gab, witterten die Journalisten «Lämpen».

Keine «Lämpen» gibt es aber nirgends.

Kreative «Lämpen» haben wir in der künstlerischen Arbeit – dort gehören sie dazu –, aber nicht bei der Führung des Unternehmens.

Trotzdem: Andrej Togni, der künstlerische Leiter, verliess das Haus nach nur einem Jahr. War das ein Rückschlag?

Nein, das war eine ganz normale Ablösung. Wir merkten, dass es einen Kommunikator braucht, der die verschiedensten Leute und Mitarbeiter zusammenbringen und motivieren kann. Ausserdem muss er sich für Belange interessieren, die übers Theater hinausgehen, beispielsweise Sponsoring. Paul Burkhalter ist der ideale Mann. Seit drei Jahren prägt er das Haus auf eine sehr gute Art. Er und Marc Bürge, der kaufmännische Leiter, sind ein ideales Team. In diesem Job muss man einiges aushalten können.

Was zum Beispiel?

Es finden jährlich 500 erfolgreiche Veranstaltungen in unserem Haus statt – trotzdem resultiert manchmal am Jahresende ein kleiner Verlust, weil Theatermachen teuer ist und wir keine Subventionen haben. Diesen Druck gilt es auszuhalten.

Sie betonen, dass das Casinotheater ohne Subventionen auskommt. Wann beantragen Sie welche?

Möglichst gar nie. Wir sind angetreten mit dem Anspruch, ohne öffentliche Gelder auszukommen. Wenn es weitergeht wie bisher, können wir auch ohne Subventionen überleben und es ist unser erklärter Wille.

Trotzdem vergleichen Sie oft mit subventionierten Häusern. Weshalb?

Ja, da rutsche ich manchmal etwas in die Polemik rein – der VR-Präsident ist eben nicht immer mit dem Satiriker kompatibel. Ich bin im Übrigen sehr wohl für subventionierte Kultur. Die Frage ist aber, wer wie viel bekommt und wofür. Eine ewige Diskussion.

Die Stadt Winterthur rühmt sich mit dem Casinotheater – stört Sie das?

Nein, gar nicht. Wir haben vom Stadtrat von Beginn weg Unterstützung bekommen. Die meisten Politiker freuten sich und waren für unser Projekt, mit Ausnahme von ein paar versprengten Exemplaren der ideenlosen Rechten, die im Übrigen nicht erkannt haben, dass hier nichts anderes als ein Kultur-KMU entsteht.

Gab es Zeiten, in denen Sie bereuten, das Casinotheater initiiert zu haben?

Nein, nicht ein einziges Mal. Es war und ist ein spannendes Projekt.

Ein Blick in die Zukunft: Wird das Casinotheater sich bald in Axa-Theater umbenennen müssen?

Nein – wir mussten das Haus nie nach einem Sponsor benennen. Wir hörten von der Axa, dass sie ihr Kulturengagement auch nach der Übernahme der «Winterthur» beibehalten möchte. Alle unsere Sponsoren wissen, dass wir nur durch ein grosses Mass an Unabhängigkeit funktionieren wollen und können. Gerade deshalb haben wir zu ihnen ein sehr gutes Verhältnis. Ohne Sponsoren und Gönner wären wir heute nicht da, wo wir sind.


 

«Das Casinotheater bringt Glamour in die Stadt»

Winterthur – Seit fünf Jahren gibt es das Casinotheater. Seit fünf Jahren sieht Winterthur anders aus. Tourismusdirektor Remo Rey sagt: «Das Casinotheater hat einen Glamour-Faktor in die Stadt gebracht, den es vorher nicht gab.» Das sieht auch Stadträtin Pearl Pedergnana so: «Früher war Winterthur eine graue Industriestadt, mit Polizeistunde um elf. Heute haben wir ein lebensfrohes Image – dazu hat das Casinotheater einiges beigetragen.»

Im Kulturleben sei das Casinotheater ein riesiger Farbtupfer, sagt Kultursekretär Walter Büchi. «Genau wie das Fotozentrum hat es nationale Ausstrahlung.» Und dass es ohne Subventionen läuft, findet er erfreulich. Für Peter Frei, Präsident der Kulturstiftung gehört das Casinotheater zu einem der Schwerpunkte, «die auch für Zürcher nicht zu umgehen sind». Nicht nur im Comedy-Bereich, sondern auch in Sachen Musik müssten nun viele nach Winterthur pilgern. «Dieses Haus fehlte.» (ea)

2017