Viktor Giacobbo

, 26. August 2010, von Corina Freudiger

Kein Wohlgefühl

Das Casinotheater deckt zur 9. Saison auf. Zum Auftakt macht ein unheimlicher Abend mit heimischen Stars Gänsehaut.

Mit Elan und einem 57-seitigen Programmheft steuert das Casinotheater Winterthur diese Woche in sein 9. Jahr, unter anderem mit dem Duo Ohropax, Roger Willemsen, der Kabarettistin Désirée Nick oder dem «Schellen-Ursli» in Musical-Format.

Aber das ist Schnee von morgen. Jetzt ist ja erst mal der Sommer zurück, und im Casinotheater wird zur ersten Premiere aufgetischt. Es gibt Gans. Gänsebraten. Einen äusserst wichtigen Gänsebraten, denn Bettina (Sabina Schneebeli) sucht einen Job und hat Amin (Mike Müller) eingeladen, der vielleicht einen für sie hat. Im grossräumigen, spiessig-chic eingerichteten Plexiglas-neben-Papyrus-Esszimmer stöckelt Bettina nervös durch die letzten Vorbereitungen, während ihr Freund Pascal (Viktor Giacobbo) sich als unbrauchbarer Halbschuh entpuppt. Als es schliesslich klingelt, steht nicht etwa Amin vor der Tür, sondern, düster, kahl, in Lederjacke, ein Mordstyp von einem Fremden (Laszlo I. Kish). Als Amin und Freundin Tara (Norina Nobashari) dann doch noch eintrudeln, wird der Unheimliche auch noch zu Tisch gebeten. Die Gans brennt an, die Dialoge gefrieren, und der Abend nimmt einen unerwarteten Verlauf.

Kenner und TV-Zuschauer haben es bereits gemerkt: Da findet sich zum Saisonauftakt ein illustres Trüppchen ein. Und das ist gut so. Zum einen ist es amüsant, Giacobbo/Müller mal wieder unverpixelt zu Gesicht zu bekommen, und der ehemalige «Tatort»-Kommissar Kish ist als undurchsichtiger Vielleicht-Schurke auch nicht ohne. Zum anderen verzichtet Regisseurin Katja Früh gekonnt auf inszenatorischen Schnickschnack, und da sind Profis auf der Bühne von Vorteil. Gesprochen wird übrigens nicht die Originalfassung von Martin Heckmanns, sondern die schweizerdeutsche Übersetzung von Giacobbo himself.

Trotz der bekannten Gesichter ist es ein unüblicher Abend, der hier aufgetischt wird; eine Handlung mit Brüchen, ein Plot mit Grauen, kein reines Wohlfühlerlebnis. «Ein Teil der Gans» ist ein Stück über Vorurteile, Schein, Sein und den Anspruch auf Glück. «Ich weiss nicht, ob das allen gefällt», sagt Giacobbo. «Mutig», sagt Kish. Ein kleines Risiko fürs Casinotheater. Mehr davon!

2017