Viktor Giacobbo

, 2. November 2005, von Florian Keller

«Im Grunde genommen bin ich eine Fehlbesetzung»

Möglichst durchschnittlich: Hauptdarsteller und Ko-Autor Viktor Giacobbo über seine Rolle im Film «Undercover».

Der biedere Normalo, der in Wahrheit ein Superagent ist: War «Undercover» als helvetische Version von «True Lies» gedacht, mit Ihnen in der Rolle von Arnold Schwarzenegger?

Nein, ich wusste zwar von «True Lies», hatte den Film aber nie gesehen. Unser Ausgangspunkt war die Bellasi-Affäre, es ging uns um die Arbeit eines verdeckten Ermittlers aus der Schweiz. Nach Vorgabe von Fausto Cattaneo, der das Buch «Deckname Tato» geschrieben hat, wollten wir zeigen, wie die Bundeskriminalpolizei arbeitet und wie über Geldwäscherei ermittelt wird. Nur dass unser Ermittler natürlich ein paar absurde Fähigkeiten besitzt: den Wurf des Panforte zum Beispiel, dieser italienischen Spezialität. Wir fanden das witzig, aber wie das halt so ist: Die einen finden es witzig, die andern nicht. Natürlich bin ich im Grunde genommen eine Fehlbesetzung. Aber solche verdeckten Ermittler sehen nun mal möglichst durchschnittlich und bünzlig aus. Und der Ermittler in «Undercover» hat genau deshalb Erfolg, weil ihn alle unterschätzen.

Sie betonen gern die fundierte Recherche und Realitätsnähe von «Undercover». Wird der Satiriker Giacobbo, wenn er Kino macht, plötzlich zu einem Realismusverfechter?

Nein, ich stehe ja am Morgen nicht auf und sage mir: Heute bin ich Satiriker. Diese Prämisse hab ich nicht. Ich mache das, wovon ich finde, das sei lustig oder originell. Was das Kino angeht, so haben schon bei «Ernstfall in Havanna» viele Leute gefragt, wieso ich nicht als Harry Hasler oder Fredi Hinz auftrete. Aber diese Figuren haben eine Halbwertszeit von dreissig Minuten, danach gehen sie einem auf den Wecker – am meisten mir selber. Und ich mag nicht einen Monat lang als Harry Hasler drehen, schon aus Gründen des persönlichen Komforts.

Heisst weniger Make-up denn auch zwangsläufig weniger Maskerade?

Es ist weniger Klamauk, ja. Der Ermittler in «Undercover» ist eine Eins-zu-eins-Figur, jemanden wie ihn könnte es geben im wirklichen Leben. Wie schon bei «Ernstfall in Havanna» hat mich auch hier interessiert, dass die Grundlagen der Realität entsprechen, das heisst, dass sich die Geschichten im Extremfall genau so abspielen könnten.

Als Komödie scheint mir «Undercover» aber doch ziemlich bieder. Weniger diplomatisch ausgedrückt: Dieser Film dürfte auch den Herren Blocher und Mörgeli gefallen . . .

Das ist möglich. Aber solche Urteile stammen meist von Leuten, die fixiert sind auf die politisch pointierten Sachen, die ich sonst mache. Und immerhin: Die Quintessenz des Films ist doch die, dass unser Justizminister am Ende eine Frau zur Bundesanwältin ernennt, die illegalerweise Kokain bei einem Geldwäscher in Italien beschafft hat. – Es ist ja so, dass man während der Drehbuchentwicklung immer mit vielen Leuten spricht, und alle reden irgendwie mit. Was ich sagen will: Es hätte auch einen anderen Weg geben können, und ich wäre darüber nicht unglücklich gewesen.

Welchen anderen Weg?

Die persönlichen Verhältnisse der Hauptfigur wurden irgendwann immer wichtiger. Das finde ich zwar auch reizvoll, aber es gab früher mal eine Phase, wo ich der Meinung war, dass das eher die Nebensache bleiben müsste und dass alles ein bisschen gewagter oder absurder daherkommen sollte.

Sie empfinden also eine gewisse Unzufriedenheit?

Ich bin nie zufrieden, mit keinem meiner Produkte. Das heisst, offiziell ist natürlich immer das, was man gerade gemacht hat, das Wunderbarste, was man je vollbracht hat – vor allem in Interviews wie diesem hier. Anderseits ist Film halt eine enorme Teamarbeit, und manchmal kippen ganze Handlungsstränge, weil die Bedingungen am Drehort nicht so sind, wie sie sollten. Ich bin eben das Gegenteil gewohnt. Gerade an den Kolumnen oder meinen Liveauftritten schätze ich, dass man als Autor bis zuletzt verantwortlich ist. Beim Film ist das nicht möglich, ausser man macht sich vor dem Team zum Arschloch. «Undercover» ist jetzt eher ein Beziehungsfilm geworden, und ich finde diese Beziehungen nicht uninteressant. Ob wir wirklich jede Chance zur Komik genutzt haben, das weiss ich nie.

2017