Viktor Giacobbo

, 9. Mai 2009, von Alain Zucker und Hannes Nussbaumer

«Ich habe ein bisschen Mitleid mit Blocher»

Kein Kabarettist ist so erfolgreich wie Viktor Giacobbo. Seine Figuren sind so bekannt wie er selbst. Ein Gespräch über das Bankgeheimnis, seinen Erfolg und weiblichen Humor.

Herr Giacobbo, worüber machen Sie keine Witze?

Ich mache über alles Witze, was bei mir einen komischen Impuls auslöst. Aber ich mache nicht alle Witze öffentlich. Witze sind ein wunderbares Stress- und Elendsbewältigungsmittel. Privat gibt es traurige Momente, die mit Komik abgebaut werden können – aber eben privat und nicht am TV.

Erzählen Sie uns einen Witz, den Sie am Fernsehen nicht bringen würden.

Ich erzähle lieber einen grenzwertigen, den Mike Müller und ich öffentlich gemacht haben. Nach dem tödlichen Autounfall von Jörg Haider sagten wir in der Sendung: Um unsere grössten Probleme zu bewältigen, brauchen wir in der Schweiz 60 Milliarden. In Österreich reichen 1,8 Promille.

Wo ziehen Sie persönlich die Grenze zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Witzen?

Es ist eine reine Bauchsache. Aber natürlich gibt es immer Leute, die sich beschweren. Die organisierten Christen sind besonders heikel. Gleichzeitig lassen sie uns jeweils wissen, wir hätten Glück, dass wir es nur mit ihnen zu tun hätten und nicht mit Muslimen. Die nämlich würden uns steinigen und auspeitschen. Als Christen seien sie dagegen so voller Nächstenliebe, dass sie so etwas nie tun würden.

Waren Sie schon als Kind ein Spassmacher?

Ich habe schon als Kind immer im falschen Moment absichtlich etwas gesagt, oft zum Verdruss meiner Mutter. Ich habe das, was sie über die Tante in deren Abwesenheit gesagt hatte, wiederholt, wenn die Tante anwesend war. So bekam ich ein erstes Gefühl für Satire.

In der Schule gibt es die Sportler, es gibt jene, welche die andern verprügeln…

…meine Bedeutung in der Klasse stieg erst, als das Reden wichtiger wurde.

Warum ist Viktor Giacobbo lustig?

Fragen Sie jemand anders. Vielleicht schätzen die Leute meine Mischung: Einerseits bin ich ein Satiriker, der von einem bestimmten Standpunkt aus Ereignisse oder Personen qualifiziert. Andererseits mag ich auch Klamauk. Es gibt ja Leute, die sagen: Die echte, wahre Satire findet in kleinen Kellertheatern statt und nicht im Massenmedium Fernsehen. Ich finde, dass man mit bewusst eingesetztem Klamauk durchaus auch Satire machen kann.

Das Duo Giacobbo/Müller funktioniert nach einem einfachen Muster: Da sind zwei, die benehmen sich wie «Dick und Schlau».

Man kann das salopp so sagen. Aber natürlich sind das Rollen, die wir spielen. Nach der Sendung hiess es in der Presse, Mike sei im Hinter- und ich im Vordergrund. Diese Analyse zeugt von wenig Sachverstand. Es geht darum, dass es interessanter ist, wenn mal der eine, mal der andere den Chef mimt. Das erzeugt Komik. Entscheidend ist, dass wir zusammen improvisieren können.

Wie viel an «Late Service public» ist Improvisation?

Es gibt keinen ausformulierten Text, und wir proben nicht wirklich. Wir üben nur den technischen Ablauf. Den vollen Text sprechen wir das erste Mal in der Sendung. Natürlich haben wir einen Spick, auf dem der Ablauf und die Stichworte stehen. Doch wer von beiden die Pointe bringt, ist nicht festgelegt. Das ergibt sich spontan. Wir haben also viele Möglichkeiten zum Improvisieren, aber auch zum Abstürzen.

Ihr Erfolg als Fernsehsatiriker begann 1990. Ihr Aufstieg verlief parallel zum Aufstieg der SVP. Ein Zufall?

Ein schöner Gedanke. Der Aufstieg der SVP hat dazu geführt, dass die öffentlich-politische Auseinandersetzung zackiger geworden ist. Dass man öfter die Sache beim Namen nennt, finde ich ganz erfrischend. Im Windschatten der SVP haben übrigens auch die anderen Parteien zugelegt – und eben auch die Satire.

Ihre liebsten Opfer sind SVPler. Ueli Maurer wurde von Ihnen jahrelang parodiert.

Das war vor allem wegen der Konstellation reizvoll: Die erfolgreichste Partei hatte einen Präsidenten, der nicht der Chef war. Da ist alles drin, was es für Komik braucht. Wobei wir das Ueli-der-Knecht-Image längst korrigiert haben. Schon im Spätprogramm musste Blocher Uelis Auto waschen.

Die grosse Zeit der SVP ist vorbei und Blocher nicht mehr so im Saft wie einst. Verschwinden damit Ihre besten Pointen?

Ich habe ein bisschen Mitleid mit Blocher – und bin selbst erstaunt über meine milden Gefühle. Ein alter Mann, der nicht loslassen kann und sich selber demontiert.

Sie verlieren Ihr dankbarstes Opfer.

Es gibt mehr als genug Stoff. Der Bundesrat liefert ihn ja frei Haus. Manchmal, wenn ich meine Steuern bezahle, denke ich: Ich zahle gerne. Es ist ja nur gerecht, wenn ich für all den Stoff etwas zurückgebe.

Sind Sie eigentlich noch ein Linker?

Natürlich kommen Satiriker in der Regel aus dem linken Lager. Aber es gibt auch unter den Linken Tendenzen, die ich unsäglich finde. Zum Beispiel müssen die Gewerkschaften aufpassen, dass sie nicht ins reaktionäre Lager abgleiten – das blüht ihnen, wenn sie sich noch länger gegen den Sonntagsverkauf oder gegen längere Ladenöffnungszeiten wehren.

Welche Partei wählen Sie?

Ich panaschiere. Es sind vor allem Sozis, Grüne und Freisinnige, die auf meiner Liste erscheinen.

Das Schweizer Bankgeheimnis ist gefallen, die Swissair längst weg und die UBS noch immer nicht über den Berg. Wird sich die Schweiz neu erfinden müssen?

Kein Land erfindet sich neu. Einige Länder, wie etwa die USA mit Obama, leisten sich zumindest eine bemerkenswert frische Regierung. Während wir uns an unserem nachbarlichen Lieblingsfeind Peer Steinbrück abarbeiten. Er mag ein arroganter Typ sein und sich im Ton vergriffen haben – Peer Steinbrück hat in der Sache jedoch Recht. Wie würden wir reagieren, wenn unsere reichsten Leute das Geld im Ausland verstecken statt hier versteuern würden? Leute, die überhaupt nicht vom Bankgeheimnis profitieren, verteidigen es. Das Bankgeheimnis ist wie das Rütli geworden – ein Mythos. Ich finde das absurd.

Was sonst soll die Schweiz sein wenn nicht das Land der Banken?

Das Land der Konkordanz! Hier kann niemand kommen und mit einem grossen Wurf etwas verändern. Es kann keinen Aufbruch geben, weil bereits alle starken Strömungen in der Regierung sind, zumindest alle grossen Parteien. Darum kann die Regierung ja auch nicht abgewählt werden. Und darum bewegt sich nicht viel.

Sie sehnen sich nach dem grossen Wurf und wollen die Konkordanz beerdigen?

Ich fände es gut, wenn ein Regierungschef oder eine Regierungschefin antreten und sagen würde: Jetzt machen wir es so und so. Und wir verwässern nicht alles mit hundert Vernehmlassungen.

In Interviews wirken Sie oft sehr kontrolliert bis gereizt. Langweilen Sie die Fragen der Journalisten derart?

Schöner Begriff: kontrollierte Gereiztheit. Manchmal habe ich das Gefühl, als würde ich seit zwanzig Jahren das gleiche Interview geben. Das ist nicht immer die Schuld der Journalisten, sondern liegt in der Natur der Sache. Hin und wieder erlebe ich jedoch, dass ich von Schülern interviewt werde. Und der Anteil der Fragen, die mir noch nie gestellt wurden, ist da viel höher als bei den Journalisten.

Auf die Gefahr hin, Sie mit einer alten Frage zu langweilen: Gibt es einen spezifischen Schweizer Humor?

Das glaube ich nicht. Klar, es gibt Pointen, die nur Schweizer verstehen. Ansonsten ist der Humor eher nach sozialen Schichten unterteilt als nach Landesgrenzen. Zumindest, wenn man sich mal auf Europa beschränkt. Chinesen und Japaner lachen offenbar tatsächlich über anderes als wir.

Ist die Herausforderung für Sie und Mike Müller, einen Humor zu produzieren, der schichtübergreifend ankommt?

Wir produzieren den Humor, den wir persönlich lustig finden. Wir betreiben da keine Witzmarktforschung. Die grösste Freude ist dann, wenn das Publikum unseren Geschmack teilt.

In Ihrer Sendung wirkt es, als ob Rechte besser über sich selber lachen könnten als Linke.

Linke neigen stärker zum Moralisieren, und damit haben sie ein etwas schwieriges Verhältnis zur Selbstironie. Linke glauben, sie stünden immer auf der richtigen Seite, weshalb es keinen Grund gebe, über sie Witze zu machen.

Sind Frauen weniger lustig als Männer?

So generell kann man das nicht sagen. Aber es ist leider eine Tatsache, dass es viel weniger Komikerinnen gibt als Komiker. Allerdings hatten wir witzige weibliche Talkgäste: Bea Tschanz, Ursula Haller, Therese Frösch…

In Kontaktanzeigen wird oft ein humorvoller Mann gesucht, aber kaum je eine humorvolle Frau. Konsumieren Frauen Humor, während Männer ihn produzieren?

Vor allem muss ich sagen: Es gibt nichts Schlimmeres als eine humorlose Partnerin. Frauen produzieren nicht weniger Humor, sondern einen anderen. Der männliche Humor ist offensiver und aggressiver und wohl daher für die Bühne geeigneter. In unserer Sendung gibt es Elemente, von denen wir wissen, dass sie bei Männern besser ankommen. Ich denke vor allem an Boppeler und Stark, die beiden «gruusigen Siechen», die wir einfach sehr gerne spielen. Andererseits gefällt es den Zuschauerinnen besser, wenn Mike und ich uns wegen des Gewichts oder des Alters anzünden.

In jüngster Zeit kam es zu Ereignissen, die skurriler waren als jede Satire. Ein Behälter mit Schweinegrippenviren, der im Intercity explodiert…

…oder ein Fussballklub, der auf einen 300-Millionen-Spender hereinfällt…

Stellt die Realität die Satire in den Schatten?

Manchmal hat man als Satiriker wirklich gar nicht viel anzufügen. In der letzten Sendung sagten wir, die kürzeste Pointe der Woche heisse: GC. Das Gute an der Realsatire ist: Sie schärft die Sensibilität für Komik im Alltag. Und genau diese Komik ist ja unser satirisches Thema.

Ist man als Satiriker von Berufs wegen ein Pessimist?

Ich stehe eher auf der pessimistischen Seite – wie die meisten Satiriker, die ich kenne. Mir fällt es schwer zu glauben, dass sich die Menschheit positiv entwickeln wird. Ich glaube, dass gewisse globale Probleme immer grösser werden.

Bis alles zusammenbricht?

Keine Ahnung, ich hoffe, dass ich es nicht mehr erlebe.

2017