Viktor Giacobbo

, 26. Januar 2008, von Alexander Sury

Die zwei von der Kläranlage

Fünf Jahre nach seinem Abschied kehrt Viktor Giacobbo auf die Mattscheibe zurück. Und er bringt Verstärkung mit: Mit Mike Müller bietet er ab morgen einen wöchentlichen «Late Service Public» an. Das Timing könnte besser nicht sein.

 

Man stelle sich einen direktdemokratisch organisierten Königshof vor – zugegeben eine etwas abenteuerliche Konstruktion. An diesem Königshof namens Helvetien herrschten sieben Gekrönte mehr oder weniger gleichberechtigt; einer jedoch sah sich als Primus inter Pares, als Retter des Vaterlandes gar, und wurde prompt gestürzt. Die Anhänger des solcherart Gedemütigten schworen Rache und kündigten einen kompromisslosen Oppositionskurs an. Goldene Zeiten brachen damit auch für die Hofnarren an, allerdings dominierten seit dem Abgang des frechsten aller Narren einige Jahre zuvor an der Tafel der Mächtigen eher laue, mehr oder minder «genial daneben» liegende Spässchen, Fäkalhumoresken und allzu brave Königsparodien. Und just in diesem historischen Moment, wo sich für die Satire eine grandiose neue «Mörgeliröte» abzeichnet, kündigt der allerorten vermisste Spassmacher zum Entzücken des Hofstaats seine Rückkehr an, begleitet von einem überaus hoffnungsvollen Knappen.

Bekannte und neue Figuren

Hat er einfach den richtigen Zeitpunkt abgepasst, mit beneidenswerter Intuition auf eine Konstellation gewartet, die ihm – zumindest auf nationalem Parkett – satirisches Material im Überfluss bereitstellen wird? Tatsache ist, dass dem 56-jährigen Viktor Giacobbo, dem «Godfather» der Schweizer Comedy-Szene, in fast unterwürfiger Manier der rote Teppich ausgerollt und eine Carte blanche für diese neue Satiresendung ausgehändigt wurde. Seit seinem Abgang 2002 nach sieben Jahren «Viktors Spätprogramm» hatte die Unterhaltungsabteilung des Schweizer Fernsehens vieles versucht, um die satirische Dürreperiode zu beenden – aber Formate wie «Rätpäck», «Edelmais & Co» oder «Black ’n’ Blond» dümpelten kraftlos und ohne authentische Ausstrahlung im Kielwasser des Comedy-Booms deutscher Privatsender.

Morgen Sonntag nun hat «Giacobbo/Müller» Premiere. Angelegt als satirischer Wochenrückblick, wird die 40-minütige Sendung um 19.30 Uhr im Kaufleuten aufgezeichnet und jeweils um 22.10 Uhr auf SF 1 ausgestrahlt ( für 2008 sind 30 Sendungen geplant mit einer Sommerpause von Ende Mai bis Anfang Oktober). Die Gastgeber kommentieren die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Woche, unterhalten sich mit Gästen, dazu gibt es vorproduzierte Filmeinspielungen und Auftritte von Komikern – fest engagiert ist der junge Parodist Fabian Unteregger, musikalische Akzente setzt das englische Einmannorchester «Peter Tate and himself».

«Wir erfinden weder das Fernsehen noch die Satire neu», sagt Giacobbo und versucht, die grossen Erwartungen zu dämpfen. «Wir wollen bestehende Formate einfach mit guten Inhalten füllen.» Improvisation und Spontaneität sind in «Late Service Public» denn auch gross geschrieben, Müller und Giacobbo verzichten als eingespieltes Team auf ein Drehbuch und wollen sich die Bälle situativ zuwerfen. Gleichwohl: Ganz ohne rhetorisches Sicherheitsnetz betreten sie das kabarettistische Hochseil nicht; ein vierköpfiges Autorenteam unter Headwriter Domenico Blass (der mit Giacobbo schon an den Drehbüchern zu «Ernstfall in Havanna» und «Undercover» schrieb) ist für Input zuständig.

Natürlich wird Viktor Giacobbo bei Bedarf auf die bewährten Kultfiguren zurückgreifen, auf Fredi Hinz oder Debbie Mötteli etwa. Allerdings ist er wohl zu intelligent, um sich auf den alten Lorbeeren auszuruhen und eine risikolose Figurenparade anzubieten. Dem Vernehmen nach ist etwa eine Toni-Brunner-Figur in Vorbereitung; bereits vorproduziert sind Einspielungen, die Müller und Giacobbo als eher unappetitliche Schweizer Touristen zeigen, die schon die ganze Welt gesehen haben sowie einen Teil des Auslands.

In den fünf Jahren selbst verordneter TV-Abstinenz ist Giacobbo bekanntlich nicht untätig geblieben: Er tourte mit dem Zirkus Knie und etablierte sich mit dem Casinotheater Winterthur als Unternehmer. Beim subventionsfreien Casinotheater fungiert er als Verwaltungsratspräsident. Geist und Macht führte Giacobbo für seine Zwecke gekonnt zusammen: Namhafte Wirtschaftsführer (darunter Leute wie SVP-Nationalrat Peter Spuhler oder UBS-Chef Ospel) konnten als Sponsoren gewonnen werden; immerhin wurden 15 Millionen für Umbau und Renovation benötigt.

So gesehen ist der TV-Rückkehrer Viktor Giacobbo heute ein Satiriker  mit einem gewissen Reputationsproblem; für die Rolle des ohnmächtigen Underdogs, dessen Waffen Witz und Wortgewandtheit sind, ist er nur noch bedingt tauglich, die zahlreichen Neider sehen in ihm den alles kontrollierenden Drahtzieher einer Winterthurer Theatermafia. Die verloren gegangene Street-Credibility wird sich der ehrgeizige Giacobbo zweifellos mit Angriffslust und ätzendem Spott zurückerkämpfen wollen.

Unterschätzt den Sidekick nicht

Seien wir jedoch nicht ungerecht: Bei seinem unaufhaltsamen Aufstieg auf den Schweizer Satireolymp hat Giacobbo immer auch nach Kräften den Nachwuchs gefördert – zu diesen Glücklichen gehörte einst auch der Oltener Mike Müller, der Giacobbo mit einer fulminanten Peter-Bichsel-Parodie begeisterte. Giacobbo und Müller sind, wie in einem Buddy-Movie, zwei schon äusserlich unterschiedliche Typen, der kleine Giftzwerg und der dickliche Gemütsmensch. Aber Obacht: Der 44-jährige Mike Müller ist studierter Philosoph, und die Tarnung als sympathische Dumpfbacke sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er problemlos auf dem intellektuellen Niveau und mit der Mundwerk-Geschwindigkeit von Giacobbo mithalten kann. Müller wird zwar in «Late Service Public» mit Giacobbo am gleichen Pult sitzen, aber schlitzohrig mit dem Habitus eines braven Soldaten Schwejk kokettieren. Als Theatertier weiss Mike Müller, «dass ein Gefälle zwischen uns schon sein muss, sonst fehlt die Spannung».

Der wandelbare und nuancierte Mime Müller hat kürzlich auf der Bühne des Zürcher Schauspielhauses den Horatio gegeben, den treuen Freund und Bewunderer von Hamlet. Mit der Rolle des ehrfürchtigen Stichwortlieferanten für Viktor Giacobbo wird er sich hoffentlich nicht begnügen, als ebenbürtiger Sidekick ist vom Vielseitigen einiges zu erwarten, er, der vom scharfsinnigen Wortakrobaten bis zum mundfaulen Prolo alle Register ziehen kann.

Ein Glas Wasser des Vergessens

Giacobbo und Müller haben im neuen Sendegefäss durchaus eine verantwortungsvolle therapeutische Funktion; als geistige Kläranlagen sind die bekennenden Medienjunkies um ihre eigene, aber auch um unsere geistige Hygiene besorgt, sie sichten und entsorgen den alltäglichen medialen Wahnsinn, auf dass wir fortan jeden Montag wieder mit klarem Blick die Arbeitswoche in Angriff nehmen und uns von der an psychische Folter grenzenden Gratiszeitungsflut nicht einfach so willenlos wegspülen lassen. Um noch etwas bei der Wassermetaphorik zu verweilen: Giacobbo und Müller reichen uns aus dem mythologischen Fluss Lethe – diesem Fluss des Vergessens – ein Glas Wasser, das unseren Durst nach etwas mehr Durchblick und Unterhaltung löscht und nebenbei die Erinnerungen an die schlimmsten medialen Lärmemissionen elegant auslöscht.

In der Premierensendung wird SVP-Scharfmacher Christoph Mörgeli auftreten – ob als Figur oder in Fleisch und Blut wird vielsagend offen gelassen. Allerdings spielt das keine entscheidende Rolle, denn: Herr Mörgeli wird zum Auftakt von «Late Service Public» so oder so eine königliche Lachnummer abgeben.

2017