Viktor Giacobbo

, 2. November 2005, von Christoph Egger

Con verdure oder Ernstfall in Porto Maggiore

«Undercover» – eine Deutschschweizer Kriminalkomödie von Sabine Boss mit Viktor Giacobbo

 

Der Vergleich von «Undercover» mit «Ernstfall in Havanna» (2002) ist nicht nur naheliegend – er wird von der jüngsten Produktion der Zürcher Vega-Film geradezu ultimativ eingefordert. Zwar heisst die Hauptdarstellerin nicht mehr Sabina Schneebeli (die wir übrigens gern einmal in einer etwas ordinäreren Rolle gesehen hätten), doch das erscheint angesichts des Barrique-Ausbaus von Viktor Giacobbo zum Superstar sekundär: Giacobbo, der nicht nur als Drehbuchautor, zusammen mit Domenico Blass, sich die Hauptrolle auf den hageren Leib geschneidert hat, sondern, als Koproduzent neben Ruth Waldburger, auch finanziell beteiligt ist. Erneut spielt er einen Bundesbeamten, nach dem trotteligen Botschaftsangestellten nun aber als der Mann für alle Fälle einen verdeckten Ermittler der Bundeskriminalpolizei. Anders als «Ernstfall in Havanna» mit seinem argen Durchhänger in der Mitte, aus dem er sich nur mit Mühe, in einem überraschenden Finale dann aber umso glanzvoller herausarbeitete, ist «Undercover» gleichmässiger gestrickt, fällt dafür zum Ende hin vielleicht etwas ab.

Sprachwitz

Was an «Ernstfall in Havanna» gefiel und ihn über die gängige Deutschschweizer Dialektkomödie hinaushob, war nicht nur der beständige ironische Seitenblick aufs Politische, sondern auch die einfallsreiche Verwendung der Sprache mit Dialekt, Hochsprache, Spanisch und Englisch. Dasselbe findet sich in «Undercover» wieder, der mit Arabisch als Einmaleinlage anhebt und in der Folge neben Dialekt und Hochsprache vor allem Italienisch zu hören gibt. (Die nächste Herausforderung für die Produzentin von Godard und Resnais wäre wohl das Französische, mit dem sich vielleicht sogar der Sprung in die Romandie schaffen liesse . . .) Die vergnügliche anagrammatische Verfremdung von Filmtitel («Con verdure»), Funktionen («Geier» – Regie) und Namen im Vorspann reflektiert schliesslich neben der witzigen Sprachspielerei auch das Prinzip der Verwechslung, wie es den (hier parodierten) Agentenfilm charakterisiert.

Bis zur Schmerzgrenze karikiert erscheint die ihr «ithaliano» radebrechende Deutsche (eine genüsslich nachsynchronisierte Gabi Bär-Richner). Und für ungetrübtes Vergnügen sorgt Hanns Zischler (den wir in durchaus guter, wenngleich etwas uniformer Erinnerung hatten) in seiner möglicherweise besten, zweifellos aber bisher komischsten Rolle als deutscher V-Mann der Schweizer Bundeskriminalpolizei, wenn sein Landsbichler, auf die Anrichte zeigend, die sich unter der Last der Köstlichkeiten nur so biegt, die «traditionelle sardische Küche» als «Armeleuteküche» bezeichnet oder sein auffälliges Spesengebaren mit «vergänglichen Repräsentationsrequisiten aus dem Piemont» begründet. Wie denn der Anteil der Gastronomie an der Verbrechensbekämpfung nicht unerheblich ist.

Rund ein Dutzend spielfreudige italienische Darsteller sorgen für Lokalkolorit in Porto Maggiore (gedreht wurde in Porto Santo Stefano und Orbetello): so der Operetten-Mafioso, der pomadige Bürgermeister (David Pietroni), der dekorative Carabiniere. Sabine Boss holt mit den Schauspielern aus den Figuren heraus, was ihnen das Drehbuch zugesteht. Aber letztlich geht es nicht um Entwicklung, wo bloss Typen angelegt sind, nicht einmal bei der Hauptfigur. Boss lässt Giacobbo schön zwischen linkisch und lässig agieren, bald als frisch geschiedenen Ex-Ehemann, bald als strapazierten Liebhaber und ausgefallenen Lover (der «undercover» eine neue Bedeutungsvariante hinzugewinnt), als überforderten Vater oder kampfsporttechnisch versierten Supercop.

Kabarett statt Satire

Der Film besitzt zwar eine durchgehende Erzählhandlung, die, nach einem Prolog in «Afghanistan», von Bern über Porto Maggiore zurück nach Zürich führt. Im Mittelpunkt die «mannstolle», «karrieregeile» Chefin der Bundeskriminalpolizei (Nana Krüger), deren Aspirationen auf den Posten der Bundesanwältin durch die Entwicklung der Dinge in Italien bedroht werden, wo Kokain und Geldwäscherei nach kreativen Lösungen rufen. Wenn sich dabei der Eindruck eines gewissen Nummerncharakters einstellt, dann wesentlich wegen einer Parallelhandlung, die durch beständige Zwischenschnitte den Gang der Dinge bremst. Darin hat sich die besorgte Mutter (Sylvie Rohrer) laufend beim genervten Ex nach dem Wohlergehen der Tochter (Anna Schinz) zu erkundigen, während im Übrigen vermittelt wird, dass Harley-Davidson-Fahrer Deppen sind.

Trotzdem will der Film den Schritt zur wirklich bissigen Satire nicht tun. In der Figurenzeichnung wie in der Episodenstruktur der Erzählung bleibt er bei der Nummernfolge des Kabaretts. Was uns Fans von «Viktors Spätprogramm» zum Finale noch etwas Blocher (Walter Andreas Müller) und Del Ponte (Birgit Steinegger) beschert. Was aber vielleicht auch aus dem Stoff hätte werden können, das suggerieren die wenigen Momente, in denen Teco Celio im Bild ist. Sein Tessiner Grottowirt Fumasoli, der aus einem betrügerischen Geschäft aussteigen will und nun von bösen Buben Kooperation eingebläut erhält, zeigt mit knappsten mimischen und gestischen Mitteln, was ein wirklicher Schauspieler ist. Das ist dann kein Kabarett mehr.

Christoph Egger

«Undercover» startet am Donnerstag, 3. November, mit 50 Kopien in den Deutschschweizer Kinos.

2017