Viktor Giacobbo

, 12. Dezember 2002, von Verena Vonarburg

Blumen für einen nicht so Bösen

Ueli Maurer, Roger Schawinski, Christiane Brunner und Jean Ziegler gibt es nicht mehr. Als Figuren bei «Viktors Spätprogramm». Die Verspotteten trauern; und wollen ihre Doubles selber weiterbeschäftigen.

Gestern Abend haben sie Schluss gemacht, sie hatten keine Wahl. Ihr Arbeitgeber Viktor Giacobbo hat genug von ihnen. Fredi Hinz, Debbie Mötteli, Rajiv Prasad und all die anderen sind suspendiert. Und was ist mit den Kopien Prominenter? Ihr Schicksal könnten die Parodierten selber lenken.

Wofür würden Sie Ihr Double einsetzen?
Ueli Maurer: «Mein Double sollte FDP-Präsident werden, das gäbe dieser Partei den nötigen Schwung.»

Roger Schawinski: «Mein Double wünsche ich mir als Nachfolger von Fernsehdirektor Peter Schellenberg, weil sie mich selber dort nicht wollen.»

Jean Ziegler: «Das Double schicke ich zur Schweizerischen Bankiervereinigung. Die reissen es in Stücke.»

Christiane Brunner: «Oh, ein Double wäre wunderbar. Ich würde es überall dorthin schicken, wo das Original es nicht hinschafft.»

Samuel Schmid: «Als Sportminister schicke ich es an die unzähligen Apéros, Cocktails, Arbeitsessen und Diners, die mir zunehmend auf dem Magen liegen.»

Peter Bichsel: «Ich möchte gerne einmal selber das Double sein und mich als Peter Bichsel verkleiden.»

Vreni Spoerry: «Ein Double brauche ich nicht. Man soll sich jeder Situation im Leben selber stellen.» Was nicht heisst, dass sie ihre Doppelgängerin nicht geliebt hätte. «Ein Markenzeichen» sei es, parodiert zu werden. Eine Auszeichnung, meint sie, «für Menschen mit Ecken und Kanten». Die SP-Präsidentin Christiane Brunner spricht gar von einem «Bonus der Parodierten».

Alle mögen sie ihre satirischen Doppelgänger. Fühlen sich geschmeichelt, parodiert zu werden. Bedauern das Ende der Sendung. Bezeichnen die schauspielerischen Leistungen als «hervorragend», «grandios», «einmalig». Leiten von ihren Imitatoren gar Handlungsanweisungen ab: Seit ihrem Double hinten einmal das T-Shirt zum Jacket herausgeschaut habe, achte sie beim Sitzen immer auf ihre Kleidung, sagt Christiane Brunner.

Sich im wandelnden Spiegel gesehen zu haben, findet Jean Ziegler «unglaublich» und rühmt seinen Darsteller Walter Andreas Müller. Und Peter Bichsel rühmt Mike Müller, der ihn imitierte.

Giacobbo schuf eine Satire, die vielen gut und niemandem richtig weh tat. Fast niemandem. Peter Bichsel gesteht, die Parodie sei ihm «unter die Haut» gegangen. Schon als Kind habe man ihn seiner näselnden Stimme wegen ausgelacht. «Und ich habe das Gefühl, ich sei hübscher als mein Doppelgänger.» Ueli Maurer hat sich mit Giacobbos Ueli versöhnt. Anfangs hatte es ihn verletzt, dass Giacobbo ihn als Blochers Trottel darstellte, auf der Strasse riefen ihm Unbekannte Beleidigendes nach, seine Kinder wurden in der Schule gehänselt. Mit der Zeit, als der SVP-Präsident an Statur und Einfluss gewann, konnte ihm sein Double nicht mehr viel anhaben. «In letzter Zeit hat es mir wohl sogar genützt», sagt Maurer.

Die Grosszügigkeit der Karikierten hängt weniger mit Humor als vielmehr mit Kalkül zusammen: Lieber karikiert werden als ignoriert. Jede Bühne ist gut genug, jeder Auftritt ist zu nutzen. Erst recht beim allseits beliebten Giacobbo.

Peter Bodenmann, der wortgewaltige Ex-Präsident der SP, hält den Humor giacobboscher Ausprägung für systembedingt. «Böser ging es im Staatsfernsehen nicht.» Spott sei in der Schweiz immer «ausgewogen, angemessen, zivilisiert». Unter diesen Vorzeichen habe Giacobbo seine Arbeit sehr gut gemacht. Einmal war auch Bodenmann in der Sendung, brillant wie immer. Wie Christoph Blocher. Wie Ruth Dreifuss.

Eine Einladung von Viktor war für viele sogar fast attraktiver als eine Einladung in die «Arena». Lustiger sei es gewesen und der Wein besser, sagt Jean Ziegler. FDP-Nationalrätin Christine Egerszegi fühlte sich wohl bei Giacobbo. Am liebsten wäre sie in einem Sketch aufgetreten, als Debbie Mötteli. Sie habe Giacobbo einmal darum gebeten, aber leider nie ihre Chance bekommen. Rekordhalter mit vier Auftritten war Ernst Mühlemann. Giacobbo und er hätten halt «ein ungebrochenes Verhältnis», von einer Beziehungskorruption will Mühlemann nicht sprechen. Aber von Neid. Grossem Neid der nicht Parodierten, nicht Eingeladenen.
Brunner hat sich nicht getraut

Es gab aber auch solche, die bewusst nicht hingingen. Vreni Spoerry zum Beispiel. Es sei ein Unterschied, ob sie in der Sendung als gelungene Karikatur vorkomme oder sich als Gast selbst zum Lachobjekt mache, sagt sie. Auch Christiane Brunner nahm nie eine Einladung an: «Ich habe mich nicht getraut.» Aus Angst, dem Satiriker auf Schweizerdeutsch sprachlich nicht gewachsen zu sein.

Wer in die Sendung gehen durfte, tat dies mit einer Mischung aus Freude und Angst. Verständlich: Die Absturzgefahr war gross. Es sei für Gäste die allerschwierigste Sendung gewesen, sagt Mühlemann. Viktors Sendung war immer live, während die «Arena» beispielsweise voraufgezeichnet wird. Bei Giacobbo wussten die Gäste nie, was auf sie zukommen würde. Ausserdem waren die Gespräche sehr kurz, drei bis sechs Minuten nur. Wenns nicht von Anfang an lief, war das Gespräch gelaufen.
Wählt Doubles in die Politik

Es gab einige Abstürze. Manche Gäste tappten in die selbst gestellte Falle und versuchten, den Satiriker zu imitieren. Giacobbo wollte seine Gäste nicht vorführen, auf fast jedes Gespräch war er bestens vorbereitet, der geistreiche Schlagabtausch hat ihn interessiert. Lächerlich machten sich die schlechten Gäste selber. Er habe «die Grenze des Anstandes» nie überschritten, lobt ihn die gutmütige SVP-Nationalrätin Ursula Haller. Und er habe der Politik einen besseren Stellenwert in der Öffentlichkeit geschaffen. Wer bei Giacobbo war, konnte sich grosser Resonanz sicher sein. Ein halber Satz bei Viktor habe 20 dröge Parlamentsvoten aufgewogen, sagt man im Bundeshaus.
Die logische Folge, denkt man sich, wäre künftig das Naheliegendste: die Wahl der Doubles in die Politik.

Viktor Giacobbo verlässt nach 13 Jahren das Fernsehen und seine Figuren.

2017