Viktor Giacobbo

, 2. November 2005, von Christoph Schneider

Angst des Agenten vor Karikatur

In der Komödie «Undercover» von Sabine Boss spielt Viktor Giacobbo einen Geheimagenten. Die Komik leidet am Ernst des Lebens.

 

Der Unterschied zwischen Arnold Schwarzenegger in seiner besten und Viktor Giacobbo in seiner durchschnittlichen komischen Form liegt nicht in der Schauspielkunst, die beim einen und beim anderen mit begrenzten Mitteln auskommen muss. Sondern er gründet in dem, was man den zweien nicht glaubt, wenn sie dasselbe tun, der eine im komischen Action-Spektakel «True Lies» (1994) von James Cameron, der andere jetzt in «Undercover» von Sabine Boss, einer Agentenkomödie, in der die schweizerische Seriosität geradezu bannerhaft die Komik durchweht.

Beide Filme erzählen davon, wie ein Mann und Verbrecherjäger seine abenteuerliche und auch brachialgewaltige Natur hinter einem Schein von Langweilertum verbirgt, was der Ehe und der väterlichen Autorität nicht gut tut, von den privaten Teilen des Selbstbewusstseins nicht zu reden. Während aber der übertrainierte Arnold Schwarzenegger schon rein figürlich nicht bestimmt war zur Verkörperung eines unathletischen Würstchens, hat der unmaskierte Viktor Giacobbo die grösste Mühe, seinen, wie man sagen könnte, physiognomischen Biedersinn gewaltsam zu unterdrücken. Beide tragen ihr Image als Bürde, und keinem gelingt die Verwandlung in den anderen.

Dem Schwarzenegger konnte das seinerzeit egal sein, weil es ihm in «True Lies» erlaubt war, seinen parodistischen Tarncharakter gleich durch einen antiterroristischen Aktionismus ins Eck zu drücken, wo er dann keine Rolle mehr spielte. Der Giacobbo in «Undercover» hingegen hat es schwerer, weil der Film es todernst meint mit der Parodie und sich das Schwarzeneggerische und das Giacobbohafte als eine Harmonie realer Kontraste denkt. Als ginge das im Kino so einfach, dass einer, dessen Dienstwaffe im sonstigen künstlerischen Leben der schnelle Witz ist, einem afghanischen Drogenhändler in seinem Wüstenzelt schnell eine Pistole in den Mund stecken muss, um einen Spielfilm lang auch als Geheimagent durchzugehen (und seis nur als ein schweizerischer Bundespolizist).

Die Idee, ein wenig Schwarzenegger im Schweizer Bünzli zu finden, ist reizvoll.

Die Idee ist natürlich trotzdem reizvoll, das Harmlose kriegstauglich zu machen, das Komische im Wirklichen zu suchen und ein wenig Schwarzenegger im Bünzli zu finden oder umgekehrt. Und es ist wirklich keine schlecht erfundene Geschichte, wie der schweizerische Ermittler Boris Ruf sich zerreisst zwischen seiner Maskerade und seiner Persönlichkeit, wobei gar nicht so sicher ist, was nun die Maske ist und was das wahre Gesicht.

Die Frau (Sylvie Rohrer) läuft ihm davon, weil er ihr zu fad ist, und nimmt sich einen Harley-Fahrer, den so ein Boris Ruf mit der linken Hand auf den Rücken legen würde, wenn er dürfte. Die Geliebte (Nana Krüger), seine Chefin, schätzt den helvetischen Bond in ihm, er muss es mit ihr auf dem Schreibtisch treiben, obwohl ihm ein Bett und der Kick des Normalen lieber wären. Notwendige verdeckte Ermittlungen in Italien (Geldwäscherei, gleich nach der Aktion in Afghanistan) fallen in die geplanten Ferien mit der Tochter (Anna Schinz), das Mädchen muss jetzt mit auf die Geschäftsreise und macht es dem Vater nicht gerade leicht, und auf dem ganzen Agententum lastet überhaupt eine missmutige Sehnsucht nach jener Langeweile, die sonst der Tarnung dient.

Das klingt alles mehr nach wirklichkeitsbeschwertem Drama als nach der Komödie, die «Undercover» schliesslich sein will. Tatsächlich ist die Existenz des Boris Ruf in ihrer grundsätzlichen Wahrscheinlichkeit vielleicht lächerlich, aber eigentlich leider nicht zum Lachen, und das Allerkomischste in diesem Film ist nicht Viktor Giacobbo, sondern die kleine Szene mit Gerhard Polt als deutschem Touristen, den es aus einem anderen Film in diesen verschlagen hat.

«Havanna» war leichtfüssiger

Es gibt Komödien, die von den Kuriositäten der Realität profitieren. Diese hier leidet am Ernst und an der Trägheit des Lebens, die ihre dramatische Grundlage sind. Das Buch zu «Undercover» stammt vom bereits im «Ernstfall in Havanna» bewährten Autoren-Duo Giacobbo und Domenico Blass, ganz unschuldig ist der Hauptdarsteller also nicht an der etwas morosen Seriosität der Hauptfigur. Vielleicht ist das Buch sogar besser und charaktersatter. Aber damals in Havanna ist es leichtfüssiger zu und her gegangen, mit weniger Scheu vor der Tücke des Objekts und dem Affen, der seinen surrealen Zucker will. Und Viktor Giacobbo, der wirkliche und unser Bild von ihm, war näher bei sich als eine feine Mischung von Karikatur und Charakter.

Die Inszenierung verstärkt den Lebensernst durch eine heilige Angst vor der Karikatur. Auch die Regisseurin Sabine Boss schien damals in Havanna noch ein befreiteres Verhältnis zum höheren Blödsinn zu haben. Hier ist die Langsamkeit eines umständlichen Realismus erreicht, worin der Witz nur tröpfchenweise verabreicht wird. Der Rhythmus des Wahrscheinlichen sediert die vorhandene ungezogene Komik, bis sie brav ist. So passiert es dann, dass man in «Undercover» nicht immer weiss, was nun herrscht: die Bünzligkeit oder die komödiantische Idee davon.

2017