Viktor Giacobbo

Deutschland als 27 . Kanton der Schweiz? Satiriker Viktor giacobbo befragt in seinem neuen Film Persönlichkeiten beidseits der Grenze, was sie von der Idee halten. Und entlockt ihnen erstaunliche Aussagen.

Viktor Giacobbo, Sie beschäftigen sich seit Jahren mit dem politischen Geschehen in der Schweiz. Warum gehen Sie nicht in die Politik?

Politik zu machen oder ein politisch inte­r­essierter Mensch zu sein, sind zwei Paar Hosen. Ich bin sicher, ich wäre kein guter Politiker.

Warum nicht?

Ich hätte schlicht zu wenig Geduld für die langwierigen demokratischen Prozesse. Und für eine Kollegialbehörde könnte ich meine Schnauze nicht halten.

In Ihrem neuen Kinofilm spielen Sie mit der Idee, Deutschland als 27 . Kanton der Schweiz aufzu­nehmen. Ist das nicht etwas absurd?

Natürlich ist es das. Doch die Absurdität ermöglicht erst die Satire. Deutschland wird der Schweiz nicht beitreten.

«Der grosse Kanton» ist ein satirischer Dokumentarfilm. Sie befragen darin Politiker, Wissenschaftler und Künstler, was sie von einem Beitritt Deutschlands zur Schweiz halten. Wie wählten Sie Ihre Gesprächspartner aus?

Ich fragte alle, deren Meinung mich interessierte.

Sie gründeten keine Kommission, um demokratisch auszuwählen?

Nein. Bei den Politikern schaute ich aber, dass unterschiedliche politische Lager ver­treten sind.

Warum kommen nur wenige Frauen zu Wort?

Ich hätte gerne Angela Merkel interviewt. Die Bundeskanzlerin und der CSU-Chef Horst Seehofer sind übrigens die einzigen deutschen Politiker, die auf meine Anfrage nicht antworteten.

Welche Schweizer reagierten nicht?

Ein einziger.

Wer?

Luca Hänni, der Sieger von «Deutschland sucht den Superstar 2012 ». Ein schmerzlicher Verlust für den Film.

Ist das Ihr Ernst?

Aber sicher. Er wird offenbar von seiner deutschen Agentur scharf bewacht.

FDP-Präsident Philipp Müller ist begeistert von der Idee, Deutschland aufzunehmen. Er sagt: «Die Schweiz hat immer und für jedes Problem eine Lösung, selbst für die Deutschen.»

Philipp Müller ist ein dankbarer Interviewpartner. Er fürchtet sich nicht, Pointiertes zu sagen. Im Film übertreibt er es absichtlich. Etwa wenn er sagt, mit den Deutschen müsse man vorsichtig sein: Gebe man ihnen zu viel, nähmen sie alles.

Wer Ihren Film anschaut, staunt, wie gut die Deutschen über unser Land informiert sind.

Das stimmt. Joschka Fischer, der ehemalige deutsche Aussenminister, und Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linken, sind beeindruckt von der direkten Demokratie. Obwohl Gysi polemisch fragt: «Wann habt ihr schon wieder das Frauenstimmrecht eingeführt?»

Unser Land agiere zuweilen langsam, findet selbst ein hochrangiger Schweizer, der SBB-Chef Andreas Meyer.

Aber er ergänzt sofort: Wenn wir über etwas abgestimmt haben, wird es gemacht. Im Nachhinein gibt es keine Demos, weil ein Volksentscheid dahintersteht. Das imponiert den Deutschen, vor allem, wenn sie an Stuttgart 21 denken (Anm. d. Red.: ein teures Verkehrsprojekt, das seit Jahren umstritten ist und in Stuttgart zu heftigen Protesten führte).

Weniger Freude werden unsere Nachbarn an Natalie Rickli haben. Die SVP-Nationalrätin fordert, die Deutschen müssten nach einem Beitritt Züritüütsch lernen.

Ich bin gespannt, was Ricklis Parteikol­lege, der Walliser National- und Regierungsrat Oskar Freysinger, dazu sagen wird.

Er müsste einsehen, dass Züri­tüütsch vermutlich leichter zu lernen ist als Wallisertitsch. Apropos Sprache: Der Röstigraben wird nur kurz angesprochen.

Er wäre eines der grossen Probleme. Wir müssten den Welschen neue Rechte geben, ihnen einen Sitz im Bundesrat garantieren. Aber ich gebe zu: Im Film drücke ich mich vor dieser Schwierigkeit.

Sie lassen immerhin SP-Präsident Christian Levrat zu Wort kommen. Er sagt, wenn Deutschland der Schweiz beitrete, würden die Westschweiz und das Tessin erdrückt.

Und darum wäre ein Beitritt nur möglich, wenn Frankreich und die Lombardei ebenfalls zur Schweiz kämen.

Das wäre interessant, zumal die Stärke eines Landes sich daran misst, wie es mit seinen Minder­heiten umgeht.

Das sehe ich auch so. Deshalb müsste man nach dem Beitritt von Deutschland aus der Welschschweiz und dem Tessin geschützte Parks machen. Die Welschen und die Tessiner könnten sich zurücklehnen und sagen: «Hey, wir sind etwas Spezielles. Wir pflegen unsere Eigenart. Wir werden entsprechend subventioniert.»

Was können die Deutschen von uns lernen?

Beeindruckt sind sie von der direkten Demokratie und der wirtschaftlichen Stärke. Früher waren sie das auch von den Banken, in jüngerer Zeit lässt das aber nach.

Sprechen Sie das Schwarzgeld an, das Schweizer Banken horten?

Dass die Schweiz jahrelang als Hehler von Steuerflüchtlingen auftrat, ist fatal. Ich ver stehe nicht, warum Bundesrat und Banken nicht längst den grossen Befreiungsschlag lanciert haben. Der automatische Informationsaustausch wird so­wieso eingeführt. Je länger wir warten, desto mehr leidet unser Ansehen.

Und was können wir Schweizer lernen?

Ich schätze die klare politische Auseinander setzung in Deutschland. Auch im Alltag funktionieren die Deutschen direkter. Sie sagen: «Ich krieg nen Kaffee» und nicht: «Kann ich bitte einen Kaffee haben?»

Daran stören sich viele Schweizer.

Diese Direktheit kann zu Missverständ­nissen führen. Ich amüsierte mich, als SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Kampf gegen Steuerhinterzieher mit der Kavallerie drohte. Natürlich kann man sich fragen, ob es geschickt war, diese ­Redensart zu wählen. Aber die Schweizer sind immer schnell beleidigt: «Hu, der böse Deutsche droht uns. Hu, so brutal.»

FDP-Präsident Philipp Müller sagt: «Die Deutschen funktionieren wie Roboter.» Finden Sie das auch?

Die Deutschen haben etwas Korrektes, Zackiges. Das kann an einen Roboter erinnern. Es sind aber Äusserlichkeiten. Ich würde diese Bezeichnung nicht verwenden, aber wenn es der FDP-Präsident so sieht …

Wie würden Sie die Deutschen charakterisieren?

Sie sind fleissig, lösungsorientiert und ­haben auch kulturell viel zu bieten.

Wo gibt es Unterschiede?

Deutschland ist bürokratischer als die Schweiz, ihr Steuersystem ist eine bürgerfeindliche Zumutung. Probleme gehen unsere nördlichen Nachbarn korrekt-strategisch an. Was sie manchmal daran hindert, Probleme zu lösen.

Was nervt Sie an den Deutschen?

Fast nichts. Höchstens, wenn einer dauernd von Leckerli und Fränkli spricht.

Angenommen, Deutschland würde der Schweiz tatsächlich beitreten – wie hiesse das neue Land?

Der Name Schweiz bliebe bestehen. Einzig der neue Kanton bekäme einen anderen Namen.

Welchen?

Mein Favorit ist Tütschino. Oder Prolo- thurn.

Wenn Sie wählen müssten: lieber Berlin oder Bern?

Zwei extreme Gegensätze, aber beide sind toll. Ich nehme beide.

Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Bundespräsident Ueli Maurer?

Angela Merkel imponiert mir. Allerdings sähe auch Ueli Maurer in ihren Hosen­anzügen toll aus.

Curry- oder Bratwurst?

Currywurst. Weil ich mir von einem Kanton nicht vorschreiben lasse, ob ich zu meiner Wurst Senf nehme.

Boris Becker oder Roger Federer?

Roger Federer.

Zugspitze oder Matterhorn?

Matterhorn. Aber ohne Beleuchtung.

Heidi Klum oder Nadine Strittmatter?

Nadine Strittmatter. Sie ist schweizerisch bescheidener.

Schloss Neuschwanstein oder Schloss Chillon?

Neuschwanstein. Es ist absurder, kitschiger.

Dieter Hildebrandt oder Emil?

Beide Komiker kenne ich persönlich. Dieter Hildebrandt war mein Jugend­- idol, aber Emil ist der perfekte Schweizer Komiker.

Loreley oder Rütli?

Die Loreley ist sexyer.

Xherdan Shaqiri oder Miroslav Klose?

Beide. Schliesslich werden beide für unsere Nati spie­len.

Sie sagen: «Mein Film ist nicht ganz ernst gemeint.» Trotzdem: Was wollen Sie mit «Der grosse Kanton» erreichen?

Ich habe erreicht, was ich wollte. Die Filmarbeiten machten Spass. Geht nun der eine oder andere ins Kino, freut mich das.

Es geht Ihnen nicht um Völkerverständigung?

Nein, um Unterhaltung. Für Leute, die gerne spannenden Talking Heads zuhören. Wenn der Film dann zur Entspannung im nachbarschaftlichen Streit beiträgt, umso besser.

Würden Sie das Amt des Präsidenten für eine neue Schweiz annehmen?

Ich bin Verwaltungsratspräsident im Casinotheater Winterthur und bereits hier heillos überfordert. Ich hüte mich davor, mich je nochmals irgendwo als Präsident zu bewerben.

«Mein Favorit ist Kanton Tütschino»

16. Mai 2013, Schweizer Familie, von Bruno Bötschi

Deutschland als 27 . Kanton der Schweiz? Satiriker Viktor giacobbo befragt in seinem neuen Film Persönlichkeiten beidseits der Grenze, was […]

Fast die ganze Schweiz lacht, sofern er will. Viktor Giacobbo ist Komiker. Sagen wir es so: Er ist der neue Emil aus der Schweiz. Oder so: Lustiger als Harald Schmidt ist er auf alle Fälle. Nach Deutschland will er trotzdem nicht.Everybodies Darling. Seine Blamagenlosigkeit, schrieb die Schweizer Wochenzeitung (Woz), sei für jeden Rechercheur peinlich. Selbst seine Gegner und Opfer lieben ihn. Opfer? Gegner? Vielleicht die falschen Worte. Richtige Gegner sind sie nicht. Er veräppelt sie. Karikiert sie.
Wenn schon Politik, dann eher die Sozialdemokraten. Doch das hat nicht sollen sein. Nur wäre das eine andere Geschichte, die in den 68er-Jahren abrupt endete nach einer Demonstration vor dem Winterthurer Volkshaus: «Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten! Wer hat uns?»
Wer er ist? Viktor Giacobbo. Schweizers Liebling im Fach Komik. So etwas wie der Harald Schmidt der Eidgenossen – aber echt besser. Der Hofnarr der Nation. Der neue Emil, der damals wie der Emmentaler zum helvetischen Exportschlager in Deutschland wurde. Nur anders. Moderner. Und politisch – unkorrekter. Und eben – kein Exportartikel.
Gut möglich, dass sie seinen Namen nach diesem Porträt nie mehr lesen. Wenn Sie Deutsche/r sind, ist die Chance groß. «Ich muss schon in der Schweiz neun von zehn Anfragen für Auftritte ablehnen», sagt Giacobbo ohne Arroganz, «wozu soll ich nach Deutschland, wo der Markt härter ist? Die deutschen Komiker, die wir in der Sendung haben, sind total begeistert, wie es bei uns her und zu geht. Sie hätten so gar kein Fernsehgefühl, es sei wie eine normale Vorstellung.»
Sendung? Zehnmal im Jahr seit zehn Jahren lachen Herr und Frau Schweizer vor der Fernsehkiste, wenn mittwochs «Viktors Spätprogramm» aus dem Zürcher In-Club Kaufleuten sendet; mit traumhaften Quoten im Schweizer Fernsehen. Viktor Giacobbo spielt sich selber. Karikiert den Zürcher Eingeborenen so brutal wie Comiczeichner Deix die Wiener. Äfft mit Schauspielern wie Walter Andreas Müller und Birgit Steinegger Schweizer PolitikerInnen nach. Köstlich. Wunderbar.
Für Lachkrämpfe sorgen seine Parodien auf den Präsidenten der SVP, der Schweyzerischen Volchspartey. Der heißt Ueli Maurer und ist ein Klon des helvetischen Blut-und-Boden-Volkstribuns Christoph Blocher, der gut und gerne der Bruder vom Austria-Haider sein könnte. Die Volchspartey, früher eine Bauernpartei, gewinnt aus dem Reservoir der Heimatdümmelnden, Senioren und Europagegnern Wahl um Wahl.
Und natürlich hat die SVP-Hilfstruppe «Bund der Steuerzahler» versucht, den Viktor Giacobbo von der Bühne des Casinos wegzupusten. Dank ihm haben die politischen Rechten die deutsche Sprache mit der Wortschöpfung «Linksreiche» bereichert. Im Casino Winterthur, einer verlotterten kommunalen Theaterliegenschaft, soll eine Bühne für das helvetische Kabarettschaffen entstehen.
Prompt erzwängten die senkrechten Vatterländischen eine Volksabstimmung, die Giacobbo und seine Freunde gewannen zur Ehrenrettung der Winterthurer Museum- und Kulturstadt. Bald geht es los mit der Sanierung, ab 2001 soll wieder gespielt, gelacht, geklatscht, getrunken, gestanden, gewartet, gegessen werden. «Ich bin es nicht allein, der das Casino möglich macht», wehrt Giacobbo ab. Er ist der Motor der Aktion von über 40 Schweizer Kunstschaffenden, die das Casino von der Stadt kaufen. Viel Arbeit für Giacobbo, aber auch viel Spaß. Und Freiraum für Ideen. «Wir werden neue Sachen zeigen, auch für Experimente offen sein.»

Schlagfertigkeit war eher meine Sache. Aber ich war nicht ein permanenter Blödler.
Wann hat er gemerkt, dass er komisches Talent hat? «Als in der Schule der Sport aktuell wurde, war ich nicht bei den Ersten. Schlagfertigkeit war eher meine Sache. Doch ich war nicht ein permanenter Blödler.» Von Natur aus wirkt er als der introvertierte Mr. Schüchtern. Richtig aus sich heraus geht er wohl erst, wenn er sich verkleidet und sich in eine seiner Phantompersönlichkeiten verwandelt.
Im Rampenlicht stehen. Und doch mit seinen Talkgästen fair umgehen, und wäre es die Bundesrätin Ruth Dreyfuss. Als dumm-scharfe Blondine Debbie Mötteli im Interview mit helvetischen Servelatpromis wie Ex-Miss-Schweiz Stephanie Berger oder der Tessiner Sängerin Nella Martinetti. Indisch kann er es auch. Als Rajiv. Das Volk hält sich die Bäuche.

Oder der Kiffer Fredi Hinz. So gut, dass sich Psychiater schon fragen, ob Giacobbo mit diesen Rollen sein wahres Ich verstecken wolle.
Bei Harry Hasler, einem dumm-dreisten, brustbehaarten, immer in weißem Cowboylederoutfit auftretenden Playboy aus Zürich-Schwamendingen, wollte das psychologische Hinterfragen gar nicht mehr enden. «Wänd weisch wan i mein» – um bei Haslers Standardantwort zu bleiben, mit der es Giacobbo bis in die Top Ten der Schweizer Hitparade schaffte. Saletti Chatze!
Die Figuren sind aus Zufall entstanden, oft aus einem Notstand, denn the play must go on – der Sendetermin wartet nicht. Eine Planung – von Moskaus Weltrevolution ferngesteuert, wie die Rechten im kalten Krieg mutmaßten – stand nie dahinter. «Beim Hinz suchten wir einen Kiffer, und weil ich das schon lange einmal spielen wollte, übernahm ich den Part. Ich hätte nicht gedacht, dass die Rolle beim Publikum so gut ankommt.»
Ähnlich Debbie Mötteli, die in grässlich bunten Fetzen mit wogenden Brüsten vor die Fernsehkameras stöckelt. Der grandiose Harry Hasler hieß in der ersten Sendung noch Herr Berger. «Zufall, warum wir was wie machen. Vielleicht lassen wir den Hasler mit seinem Ami-Schlitten in der nächsten Sendung in die Wand knallen und er stirbt.»
Nicht sterben, aber leiden würde Viktor Giacobbo, wenn er längere Zeit keinen guten Kaffee bekäme. Ein richtiger Kaffeefreak. Zu Hause steht eine Megamaschine mit zwei Kolben, die Bohnen immer von Café Ferrari in Dietikon. «Ich liebe seinen wunderbaren dunklen Espresso Napoli, den er im Holzofen röstet. Er ist der einzige, der das noch so macht in der Schweiz. Mein Kaffee muss frisch gemahlen sein und säurefrei. Natürlich muss die Tasse vorgeheizt sein, weil die ja sonst sofort die Hitze aufnimmt.»
Der Kenner spricht. Der Genießer. Der geschmäcklerisches Tun über alles hasst. Das ganze Brimborium und Gegurgel der alleskennenden Gurus beim Wein. Das Möchtgerngehabe. «Ich rauche darum nicht gerne Cohiba, das ist für mich die überzahlte Werbercigarre. Und sie ist ja auch die meistgefälschte Puro.» Fotografieren lassen mit Cigarre ist nicht sein Ding – Cigar-Fotograf Marcel Studer hat es trotzdem geschafft – und öffentlich rauchen auch nicht, lieber privat genießen und ungestört. Ein, zwei Puros die Woche smokt er, im Urlaub können es auch mehr werden.

Sein rauchiger Liebling ist die Hoyo de dieux und da ist er gar nicht unglücklich, dass die keine Banderole hat. Er braucht das Prestige der Edelpuro nicht für sein Selbstbewusstsein. Schweizer Understatement? Gerne zieht er an einer Montecristo No. 2, mit anderen Provenienzen hat er seine Mühe. «Der kubanische Tabak ist der beste der Welt, und so ist auch eine schlechte Havana noch besser als irgendeine andere Cigarre.»
Den Vergleich mit dem Wein schiebt Giacobbo nach. Schweizer Landweine seien wohl auch nicht schlecht, aber er liebe halt den italienischen Tiganello. Die Weine aus Italien hätten deutlich mehr Understatement als die Franzosen. Wenn es hochprozentiger sein soll, schlürft Giacobbo gerne einen Malt Whisky. «Aber nicht die torfigen.»
Könnte gut sein, dass Viktor Giacobbo demnächst etwas mehr smokt. Man wird sehen, ob er den zuckersüssen kubanischen Kaffee mag oder dann doch lieber eisigen Moijto. Anfang 2001 ist Kuba in seiner Agenda eingetragen. Zu viel verraten darf er noch nicht. Aber wenigstens ein bisschen? «Wir werden eine Politkomödie für das Kino drehen. Die Geschichte geht davon aus, dass die Schweiz seit der amerikanischen Wirtschaftsblockade die USA diplomatisch in Havana vertritt.»
Und «Viktors Spätprogramm»? Wird das auch in Cuba gedreht? «Nein, ich fliege während den Dreharbeiten in die Schweiz.» Keine Abnützungserscheinungen nach zehn Jahren? «Stimmt, die Pace ist ziemlich hart, und mit zehn Cabaretprogrammen in einem Jahr ist der Verschleißquotient hoch. Wir werden die Sendung sicher nicht mehr so lange machen, wie wir sie bis jetzt schon gemacht haben.» Schön salomonisch. Die Fassade bleibt, die Türe geht nie ganz auf. Eine Homestory gibt es von Komiker Viktor Giacobbo nicht. Keine Badewannebilder für die illustrierte Schweiz. Die Presse weiß es, und wenn es dann wirklich etwas zu knipsen gäbe, schnallen sie es doch nicht. Da war die Verleihung vom «Prix Walo» in Zürich und immer eine Frau an der Seite vom Viktor. Für das Siegerfoto wurde sie weggeschoben, das Team von «Viktors Spätprogramm» sollte doch drauf.
Wer war die Frau? Nadeschkin ihr Künstlername. Die andere Hälfte des jungen Schweizer Komikerduos Ursus und Nadeschkin. Mit auffällig blond gefärbten Rastazöpflis. Damals die neue Flamme von Giacobbo. Niemand schnallte es, aber heute wissen es alle. Sie lassen sich auch zusammen fotografieren. Nur nicht privat. «Man gibt viel in so einem Job», sagt Giacobbo, «und da brauche ich irgendwo ein Daheim. Einen Ort, wo ich mich sein kann.»
Während der Sendung zweihundert Prozent für das Publikum und dafür die freien Minuten auch zweihundert Prozent für sich – und gute Freunde. Ein Sympathieträger, aber nicht zum Anfassen für jedermann. Einer, der noch viele Ideen in sich trägt. Der versteckte Witz in den Augen lässt sie nur ahnen. Aber zeigt längst nicht alles allen. Außer sein Lachen.
Das vergeht ihm, wenn er an einer Confiserie vorbei soll, ohne einzutreten. «Das kann ich fast nicht, und vor allem nicht beim Weber in Winterthur, der hat die besten Linzertörtchen!» Und wenn er essen geht? Er mag Beizen wie das «Rössli» in Winterthur, das im Keller einen Humidor versteckt, vor dem Cigarier schon einmal feuchte Augen kriegen. Oder den Italiener um die Ecke, eine Trattoria, wo es einfach das gibt, was der Koch da hat. «Total grässlich eingerichtet, dafür mit unheimlich viel Atmosphäre.»
Aber jetzt will er gehen – einen Kaffee trinken.

Hofnarr mit Cigarre

1. Oktober 2000, Cigar, von Bruno Bötschi

Fast die ganze Schweiz lacht, sofern er will. Viktor Giacobbo ist Komiker. Sagen wir es so: Er ist der neue […]

2017