Viktor Giacobbo

VPB 61.67 Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 7. März 1997; b.

Art. 3 RTVG in Verbindung mit Art. 49 und 55bis Abs. 2 BV. Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit und Schutz religiöser Gefühle in Satiresendungen.

– Ein Interessenkonflikt, der sich aus der Konfrontation der Glaubensfreiheit mit der Programmfreiheit des Veranstalters ergeben kann, ist im Rahmen einer Güterabwägung zwischen den widerstreitenden Verfassungsrechten zu lösen.

– Eine Satiresendung, in der eine Hostie mit einer Banane gleichgesetzt und Affen zum Frass vorgeworfen wird, verletzt die religiösen Gefühle der Zuschauer und damit das Programmrecht.I

A. Am 20. November 1996 strahlte das Schweizer Fernsehen DRS die Satiresendung «Viktors Spätprogramm» aus. Die Sendung war in den Tagen zuvor mit einem Trailer angekündigt worden. Darin wies ein vor einem Affenkäfig stehender «Pfarrer» – gespielt von Viktor Giacobbo – auf die kürzlich erfolgte Anerkennung der Evolutionslehre durch den Papst hin. Damit seien jetzt auch Affen in den kirchlichen Dienst integriert, und man habe eine neue Oblatenform entwickelt. Mit diesen Worten reichte der Pfarrer einem in einem Käfig sitzenden Schimpansen eine Banane. In der Sendung selbst wurde der an den Trailer anknüpfende Kurzfilm «Kirche und Darwin» gezeigt. In einem Interview legte der bereits im Trailer aufgetretene «Pfarrer» in satirischer Form die möglichen Auswirkungen der Evolutionslehre auf die katholische Kirche dar. Während eine erste Szene dieses Interviews in einer Art Studierzimmer spielte, fand die zweite in demselben Dekor wie bereits der Trailer statt. Vor dem Affenkäfig äusserte sich der «Pfarrer» zu den neuen Bestrebungen der katholischen Kirche, «Affen vermehrt in die Kirche zu integrieren». Zu diesem Zwecke mache man derzeit Versuche mit kirchlichen Insignien und untersuche, wie die Affen darauf reagierten. Während er dies äusserte, warf der «Pfarrer» den Schimpansen im Käfig, die er mit Namen hoher Würdenträger der katholischen Kirche betitelte, diverse Utensilien aus dem klerikalen Bekleidungsbereich zu.

B. Gegen den Trailer und den Filmbeitrag erhebt der Beschwerdeführer am 10. Januar 1997 Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (im weitern: Unabhängige Beschwerdeinstanz oder UBI). Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, die Beiträge verletzten die religiösen Überzeugungen von gläubigen Christen und störten den religiösen Frieden. Sie stünden in diametralem Gegensatz zum Kulturauftrag von Radio und Fernsehen und verletzten damit Art. 3 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG, SR 784.40).

II

2. Der Beschwerdeführer wirft der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hauptsächlich vor, eine Sendung ausgestrahlt zu haben, die «gläubige Christen verschiedener Konfessionen als blasphemisch empfinden müssen» und «eine öffentliche Verunglimpfung tiefster religiöser Überzeugungen von Christen» bedeute. Deshalb liege ein Verstoss gegen den kulturellen Leistungsauftrag von Radio und Fernsehen vor.

2.1. Der Leistungsauftrag von Art. 55bis Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (BV, SR 101) verpflichtet die Veranstalter von Radio- und Fernsehsendungen insbesondere zum Schutz kultureller Werte. Darunter fallen namentlich die juristisch fassbaren Rechtsgüter, die der BV, der Europäischen Menschenrechtskonvention der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101) und dem Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2) selbst zu entnehmen sind. Zu diesem Ensemble unbestrittener Grundelemente eines demokratischen Verfassungsstaates gehört ebenfalls die Glaubensfreiheit im Sinne von Art. 49 BV (VPB 59.66, S. 552; 53.48, S. 342).

Art. 3 Abs. 1 RTVG konkretisiert das kulturelle Mandat insoweit, als er dessen Erfüllung in der Gesamtheit der Programme fordert. Daraus folgt, dass nicht jede einzelne Sendung einen positiven Beitrag zur Hebung der kulturellen Werte leisten muss. Unzulässig wäre indessen eine Sendung, die in direktem Gegensatz zu dieser Verpflichtung stünde, ihr geradezu entgegenwirkte, etwa infolge vorwiegend destruktiven Charakters (VPB 60.85, S. 765; 59.66, S. 553; 53.47, S. 337).

2.2. In diesem Zusammenhang ist jedoch stets der in Art. 55bis Abs. 3 BV garantierten Programmautonomie des Veranstalters Rechnung zu tragen, die ihm insbesondere bei der Bestimmung seiner Themen, ihrer gestalterischen Umsetzung und der Wahl des Stilkonzepts einen weiten Spielraum gewährt (VPB 60.85, S. 760; 56.13, S. 99). Im Rahmen des Leistungsauftrags muss es somit jedem Veranstalter erlaubt sein, sich kritisch mit den verschiedensten Bereichen des staatlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Lebens auseinanderzusetzen. Insbesondere muss an Radio und Fernsehen Kritik und Opposition auch gegen dominierende politische Meinungen, herrschende Strukturen, Mehrheitsauf-fassungen und etablierte Ansichten und Institutionen möglich sein. Es ist kein Thema denkbar, das einer kritischen Erörterung in den elektronischen Medien entzogen sein müsste. Eine Grenze liegt indessen in der Art und Weise der redaktionellen und gestalterischen Umsetzung (VPB 59.67, S. 559; 59.66, S. 553).

3. Ein Interessenkonflikt, der sich aus der Konfrontation der Glaubensfreiheit mit der Programmfreiheit des Veranstalters ergeben kann, ist im Rahmen einer Güterabwägung zwischen den widerstreitenden Verfassungsrechten zu lösen.

3.1. Die Glaubensfreiheit im Sinne von Art. 49 BV garantiert die religiöse Überzeugung als selbstverantwortlicher Bereich des einzelnen Menschen (Ulrich Häfelin, Kommentar der Bundesverfassung, ad Art. 49 BV, Rz. 42). Werden religiöse Fragen in der Öffentlichkeit thematisiert, so erfordert dieses Grundrecht einen behutsamen Umgang mit den religiösen Gefühlen von Betroffenen. Für die elektronischen Medien gilt dabei ein strengerer Massstab als für Presseerzeugnisse, weil Radio und Fernsehen durch Art. 55bis BV in ein kulturelles Mandat eingebunden sind (VPB 54.47, S. 299). Zwar schützt die Glaubensfreiheit auch die Freiheit, Kritik zu üben an der Religion, an ihren Grundsätzen sowie an den religiösen Überzeugungen anderer. Mit Art. 261 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB, SR 311.0) hat der Bundesgesetzgeber jedoch eine Strafnorm geschaffen, «die der übermässigen und böswilligen Kritik an religiösen Anschauungen anderer Einhalt gebietet» (Häfelin, a. a. O., Rz. 146). Art. 261 Abs. 1 StGB bringt diesen Schutz zum Ausdruck, indem er die Beschimpfung oder Verspottung von Überzeugungen in Glaubenssachen oder die Verunehrung von Gegenständen religiöser Verehrung unter Strafe stellt. Die UBI hat in ihrer ständigen Praxis festgehalten, dass die Beurteilung einer Sendung unter strafrechtlichen Gesichtspunkten nicht in ihre Kompetenz fällt und dies allenfalls Aufgabe des Strafrichters sei. Eine Berücksichtigung von Normen des Strafrechts erachtet sie aber insofern als angezeigt, als diese allgemeine und elementare Prinzipien der Rechtsordnung zum Ausdruck bringen und einzelnen Rechtsgütern einen besonderen Schutz zukommen lassen (VPB 54.47, S. 298). Das Bundesgericht bezeichnet in seiner Praxis die Glaubensfreiheit, genauer die Achtung vor dem Mitmenschen und seiner Überzeugung in religiösen Dingen, als das von Art. 261 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut (BGE 86 IV 19, S. 23, bestätigt in BGE 120 Ia 220, S. 224 f.).

3.2. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz räumt der Glaubensfreiheit abwägungstechnisch in dem Mass ein besonderes Gewicht ein, als sie Glaubensfragen zu den sensiblen Bereichen zählt (VPB 54.47, S. 300 ff.; 53.48, S. 345). Praktisch äussert sich diese Privilegierung in der besonderen Sorgfalt, die vom Veranstalter hinsichtlich der Art und Weise verlangt wird, in der er religiöse Themen behandelt. Eine genügende Sorgfalt in den gestalterischen Modalitäten vorausgesetzt, ist der Veranstalter grundsätzlich jedoch frei, auch delikate Fragen aufzugreifen (VPB 59.66, S. 553).

4. Im konkreten Fall ist bei der verfassungsmässigen Interessenabwägung neben der Glaubensfreiheit die Meinungsfreiheit in die Waagschale zu legen.

4.1. Mit Blick auf die zu beurteilende Sendung ist zu beachten, dass es sich bei «Viktors Spätprogramm» um eine Humor- und Satiresendung handelt. Literatur und Rechtsprechung anerkennen, dass der Satire auch ein künstlerischer Wert zukommen kann (vgl. Georgios Gounalakis, Freiräume und Grenzen politischer Karikatur und Satire, Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1995, S. 809-816; Anja Bogler, Der verfassungsrechtliche Schutz von Satire und Karikatur, Archiv für Urheber- Film- Funk- und Theaterrecht [UFITA] 1988, S. 83-113; Georg Nolte, Falwell vs. Strauss: Die rechtlichen Grenzen politischer Satire in den USA und der Bundesrepublik, Europäische Grundrechte Zeitschrift [EuGRZ] 1988, S. 253-259; Thomas Würtenberger, Satire und Karikatur in der Rechtsprechung, NJW 1983, S. 1144-1151). Weil das Bundesgericht auch künstlerische Äusserungen durch die (ungeschriebene) Meinungsfreiheit geschützt sieht (Entscheid des BGer in Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung [ZBl] 1963, S. 365; BGE 101 Ia 255), ist im Rahmen der vorliegenden Güterabwägung dieses Grundrecht der Glaubensfreiheit gegenüberzustellen.

4.2. Mit der Glaubensfreiheit und der Meinungsfreiheit stehen sich zwei ideelle Grundrechte gegenüber; im Sinne der Wertordnung der Verfassung kann somit nicht von einem grundsätzlichen Vorrang des einen über das andere gesprochen werden. Unter den Bedingungen der elektronischen Medien schützt die Meinungsfreiheit gemäss Art. 55bis BV in erster Linie die freie Meinungsbildung des Publikums. Dem Veranstalter garantiert diese institutionell verstandene Freiheit in Abs. 3 lediglich die Programmautonomie (vgl. oben, E. 2.2). Wie das Bundesgericht betont, gilt diese nur im Rahmen der allgemeinen Informationsgrundsätze von Art. 4 RTVG bzw. von Art. 55bis Abs. 2 BV (BGE 122 II 471, S. 479; 121 II 29, S. 34).

5. Die Satire ist ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung, bei dem sich die Form bewusst nicht kongruent zur angestrebten Aussage verhält. Die Form der Satire übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich (VPB 60.91, S. 838). Ob sie jeweilen das Prädikat geistreich verdient, ist nicht Gegenstand einer Beurteilung durch die Beschwerdeinstanz. Voraussetzung der Tolerierung auch einer geschmacklosen Sendung ist aus programmrechtlicher Sicht freilich, dass die Zuhörer oder Zuschauer die von den Medienschaffenden gewählte Form auch als Satire erkennen können, und dass sie nicht verletzend ist. Solches kann leicht der Fall sein, wenn sie etwa den sensiblen Bereich des Religiösen, anderer gesellschaftlicher Wertvorstellungen oder von Liebe und Sexualität berührt, oder wenn sie Gewalt gegenüber Frauen, die Ausgrenzung benachteiligter Minderheiten, die Diskriminierung von Menschen anderer Rasse oder anderweitige Verletzungen der Menschenwürde banalisiert oder sich darüber lustig macht (11. Jahresbericht der UBI vom 19. Mai 1995, S. 18).

Hingegen liegt es im Rahmen der von der Verfassung gewährten Programmautonomie, dass sich ein Veranstalter in der Form der Satire kritisch mit den verschiedenen Bereichen des staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und – in zurückhaltender Weise – religiösen Lebens auseinandersetzt, dabei auch mit dominierenden politischen Meinungen, herrschenden Strukturen, Mehrheitsauffassungen sowie etablierten Ansichten und Institutionen. Die Beschwerdeinstanz hat jedoch in ihrer Praxis (VPB 60.91, S. 839; 55.37; 53.48; 52.30) festgehalten, dass auch der satirischen Behandlung eines Themas Grenzen gesetzt sind. Diese ergeben sich im konkreten Fall insbesondere aus dem sensiblen und deshalb besonders geschützten Bereich religiöser Gefühle.

6. Im Lichte dieser Grundsätze sind die angefochtenen Beiträge der Sendung «Viktors Spätprogramm» vom 20. November 1996, d. h. der Kurzfilm «Kirche und Darwin» und der Trailer zur Sendung, zu prüfen. Wegen der inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen den beiden Beiträgen beurteilt die UBI den Trailer und den Kurzfilm «Kirche und Religion» als zusammengehörendes Ganzes. Die programmrechtliche Würdigung der Sendung orientiert sich am Eindruck, den diese auf das Publikum macht; anders als etwa bei der strafrechtlichen Beurteilung ist nicht das Verschulden, die Absicht oder die subjektive Gesinnung der Medienschaffenden massgeblich. Die UBI hat Sendungen, so wie sie ausgestrahlt und empfangen wurden, zu beurteilen und allenfalls den Veranstalter zur Verantwortung zu ziehen.

6.1. Bei «Viktors Spätprogramm» handelt es sich um eine bekannte Humor- und Satiresendung, die regelmässig im Programm des Schweizer Fersehens DRS ausgestrahlt wird. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Zuschauer wissen konnten, auch in der Sendung vom 20. November 1996 mit Satire konfrontiert zu werden. Obwohl religiöse Themen wegen der besonderen Verletzlichkeit religiöser Gefühle nur mit Zurückhaltung zum Gegenstand von satirischen Sendungen im Fernsehen gemacht werden sollten, kann dem Veranstalter nicht vorgeworfen werden, dass er die päpstliche Botschaft zur Evolutionslehre in der angefochtenen Sendung thematisiert hat. Es ist der SRG darin zuzustimmen, dass die Anerkennung der Darwinschen Evolutionstheorie in einer im «Osservatore Romano» publizierten Botschaft des Papstes nach vielen Jahren ihrer vehementen Ablehnung spektakulär ist. Wie die SRG schreibt, ist diese Botschaft in den Medien weltweit zur Kenntnis genommen und zum Teil unter der Schlagzeile «Der Mensch stammt nun auch nach katholischer Glaubenslehre vom Affen ab» glossiert worden. Weil es zur Eigenart der Satire gehört, die letzten, wenn auch grotesken Folgerungen eines Ereignisses zu ziehen, durfte eine derartige Kehrtwendung einer mächtigen Institution zum Gegenstand einer Satiresendung gemacht werden. Solches zu verbieten, hiesse die Programmfreiheit des Veranstalters unverhältnismässig einzuschränken (VPB 53.48, S. 342 f.).

6.2. Wie bereits in E. 2.2 dargelegt, ist Voraussetzung einer Behandlung dieses heiklen Themas in einer Satiresendung jedoch, dass mit der Art und Weise in der sie gestaltet ist, auf die religiösen Überzeugungen der Gläubigen Rücksicht genommen wird. Diesbezüglich hält die angefochtene Sendung vor den Anforderungen des Programmrechts nicht stand, wie nachfolgend zu zeigen ist.

7. Im Rahmen der Sendung «Viktors Spätprogramm» vom 20. November 1996 leitete Viktor Giacobbo den Kurzfilm «Kirche und Darwin» ein mit den Worten: «…da muss man sich nicht wundern, dass jetzt der Papst herausgefunden hat, dass wir alle vom Affen abstammen. Damit meine ich nicht nur die Leute, die ich erwähnt habe, um Gottes Willen (…), alle Menschen stammen ja vom Affen ab. Eines aber ist sicher, die katholische Kirche ist die einzige Institution, die sich da noch recht umgewöhnen muss». Im nachfolgenden Kurzfilm, wurde ein von Viktor Giacobbo gespielter «katholischer Pfarrer» von einem Journalisten über die Folgen der päpstlichen Anerkennung der Lehre Darwins interviewt. Der erste Teil des Interviews spielte im «Studierzimmer» des «Pfarrers», die zweite vor einem Affenkäfig. Nachdem es im ersten Teil um mögliche Auswirkungen der erfolgten Anerkennung auf die redaktionelle Formulierung der Schöpfungsgeschichte ging, lenkte der Journalist vor dem Affenkäfig das Gespräch auf die Tatsache, dass der Mensch «ja jetzt auch nach der Kirchenlehre vom Affen» abstamme. Der «Pfarrer» äusserte hierauf, dass die katholische Kirche als Konsequenz davon nun versuche, den Affen vermehrt in die Kirche zu integrieren. Während er dies äusserte, warf der «Pfarrer» den Schimpansen im Käfig, die er mit Namen hoher Würdenträger der katholischen Kirche betitelte, diverse Bekleidungsstücke katholischer Priester zu.

Die Unabhängige Beschwerdeinstanz ist der Auffassung, dass dieser Kurzfilm an der Grenze einer Programmrechtsverletzung liegt. Nicht als besonders problematisch erachtet sie zunächst die Tatsache, dass die gezeigten Schimpansen mit Namen hoher Würdenträger betitelt wurden. Mit Blick auf den Schutzbereich der Glaubensfreiheit ist entscheidend, dass es hierbei in erster Linie um die katholische Kirche als Institution gegangen ist und nicht um die religiösen Überzeugungen von Gläubigen. Während religiöse Gefühle und Glaubensüberzeugungen von einzelnen Menschen besonders rasch verletzt sein können, benötigen die Kirche als mächtige Institution der Gesellschaft und ihre Exponenten als Personen öffentlichen Interesses keinen erhöhten Schutz als solche und dürfen – im Rahmen der E. 2.2 – auch kritisiert werden. Schwerer wiegt hingegen, dass den Affen im Käfig Bestandteile von religiösen Gewändern zum Spiel vorgeworfen wurden. Die SRG bringt hierzu vor, dass für die Zuschauer erkennbar gewesen sei, dass es sich hierbei nicht um originale, sondern um nachgeahmte kirchliche Gewänder handelte. Auch wenn dies zutreffen mag, ändert es nichts daran, dass der gezeigte Umgang mit Gegenständen, denen im katholischen Glauben ein symbolischer Wert zukommt, an sich problematisch ist. Dennoch betrachtet die UBI diesen Kurzfilm für sich alleine noch nicht als programmrechtsverletzend.

8. Etwas anderes gilt hingegen für den Trailer, mit dem die Sendung «Viktors Spätprogramm» im Vorfeld ihrer Ausstrahlung vom 20. November 1996 angekündigt wurde.

8.1. Der Trailer zeigte den von Viktor Giacobbo gespielten «katholischen Pfarrer» vor einem Affenkäfig, der sich wie folgt äusserte: «Gemäss dem Heiligen Vater stammen wir alle ja jetzt vom Affen ab und darum versuchen wir jetzt auch den Affen zu integrieren in kirchliche Dienste. Wir haben hier eine neue Oblatenform entwickelt. Und jetzt schauen wir». Mit den Worten «So, noch nicht jetzt. Jetzt kannst du ihn nehmen.» langte der «Pfarrer» dem im Käfig sitzenden Affen die als Oblate bezeichnete Banane. Damit endete der nur wenige Sekunden dauernde Trailer.

8.2. In einem früheren Entscheid zu einer Satieresendung am Radio («Kaktus») hat die UBI im Zusammenhang mit dem Schutz religiöser Gefühle festgestellt, dass die Grenze einer Programmrechtsverletzung dann überschritten ist, wenn zentrale Glaubensinhalte lächerlich gemacht werden (VPB 53.48, S. 342 f.). In der von der UBI hauptsächlich gerügten Sequenz der Sendung «Kaktus» ging es darum, dass der Geschlechtsakt zweier Personen von einem Priester in der Form einer Litanei begleitet wurde. Die Beschwerdeinstanz hielt dazu fest, dass die Programmschaffenden damit den hohen emotionalen Gehalt der Litanei als zentraler Bestandteil des katholischen Kultus missachteten und damit das Programmrecht verletzten (VPB 53.48, S. 344 f.). Der vorliegende Fall wird von der UBI als ähnlich gelagert betrachtet. Hier liegt die Hauptproblematik darin, dass die Hostie damit lächerlich gemacht wurde, dass sie mit einer Banane gleichgesetzt und Affen gefüttert wurde. Die Hostie, d. h. eine dünne, aus Weizenmehl und Wasser gebackene Scheibe, ist das Abendmahlsbrot (Hostie). Der Hostie kommt im Rahmen der katholischen Glaubensüberzeugungen eine zentrale Bedeutung zu, da mit ihr im Sinne der Eucharistie die wahrhafte und wirkliche Gegenwart von Jesus Christus in der Gestalt des Brotes gemeint ist. Durch ihre Konsekration sind die eucharistischen Gestalten und damit auch die Hostie zu einem fortdauernden Sakrament geworden. Die satirische Aufmachung der Szene hat nichts daran zu ändern vermocht, dass namentlich Zuschauer katholischen Glaubens den Trailer als Gleichsetzung einer Hostie beziehungsweise des Leibes Christi mit einer Banane verstehen mussten. Im Ergebnis erschien ihnen damit der Umstand, dass die Banane den Affen zum Frass vorgesetzt wurde, als Verunehrung eines Sakraments. Weil auf diese Weise der zentrale Gegenstand des katholischen Glaubens lächerlich gemacht wurde, hat der Veranstalter die religiösen Überzeugungen der Zuschauer verletzt. Deshalb ist die Beschwerde in diesem Punkt begründet.

9. Unter Würdigung der angefochtenen Beiträge in ihrer Gesamtheit kommt die Beschwerdeinstanz zum Ergebnis, dass die Sendung «Viktors Spätprogramm» vom 20. November 1996 die Programmvorschriften verletzt hat. Während der Kurzfilm «Kirche und Darwin» noch im Rahmen des Tolerierbaren geblieben ist, wurden mit dem Trailer die religiösen Überzeugungen der Zuschauer verletzt. Als Ganzes beurteilt, hat die fragliche Sendung damit die Grenze einer Rechtsverletzung überschritten. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen.

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Homepage der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen

Entscheid der UBI wegen Verletzung religiöser Gefühle

7. März 1997, Publikation der Bundeskanzlei

VPB 61.67 Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 7. März 1997; b. Art. 3 RTVG in Verbindung […]

VPB 60.91: Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 1. Dezember 1995; b.302

Fernsehen. Sachgerechtigkeitsgebot bei Satiresendungen.

Art. 64 Abs. 3 RTVG. Sistierung des Verfahrens vor der UBI.

Soweit Fragen, welche die freie Meinungsbildung des Publikums betreffen, losgelöst vom Ausgang hängiger Zivil- und Strafrechtsprozesse beurteilt werden können, ist eine Sistierung des Verfahrens nicht angezeigt.

Art. 4 Abs. 1 RTVG. Sachgerechtigkeitsgebot bei Satiresendungen.

Die Eigenart der Satireform räumt einen gestalterischen Spielraum ein, der seine Grenzen in den Bestimmungen des Programmrechts findet. Obwohl sich das Sachgerechtigkeitsgebot schwergewichtig an Informationssendungen richtet, ist es auch bei Satiresendungen zu beachten.I

A. In der Sendung «Victors Spätprogramm» vom 15. März 1995 führte der Sendeleiter Victor Giacobbo unter anderem ein Gespräch mit dem Kabarettisten Lorenz Keiser. Darin kam Giacobbo auch auf das Buch «Der Erreger» zu sprechen, das Lorenz Keiser vor einiger Zeit publizieren wollte. Keiser erklärte, dass seit zweieinhalb Jahren eine provisorische richterliche Verfügung den Buchverkauf verbiete. Giacobbo ergänzte: «Du hast darin behauptet, und das ist ja das, was nicht erlaubt ist, du hast den ehemaligen Nationalrat und heutigen Volksbankpräsidenten, Gianfranco Cotti, mit Geldwäscherei in Verbindung gebracht. Und das darf man ja nicht sagen.» Keiser entgegnete, dass Cotti nur meine, dass dies darinstehe und das Buch aus diesem Grunde habe verbieten lassen. Giacobbo und Keiser verständigten sich in der Folge darauf, dass die entscheidenden Stellen des Buches abzuschwärzen seien, so dass es wieder vertrieben werden dürfe. Giacobbo kommentierte das Hantieren Keisers mit einem dicken schwarzen Filzstift an einem mitgebrachten Exemplar des Buches: «…Jawohl, er schwärzt ab, dass Herr Cotti einmal etwas zu tun gehabt hat mit Geldwäscherei.» Wenig später doppelte Giacobbo nach: «…Das Wort Geldwäscherei und Gianfranco Cotti kommt nicht über unsere Lippen».

B. In der Sendung «Victors Spätprogramm» vom 14. Juni 1995 unterhielt sich Victor Giacobbo mit zwei Kabarettisten über Giuliano Bignasca, der am Vortag als Nationalrat vereidigt worden war. Der eine Kabarettist trat als «Bignasca» mit verbundenem Mund, der andere, Stolte Benrath, als «Bignasca-Experte» auf. Nachdem sich Giacobbo und Benrath über den Meinungsbildungsprozess Bignascas, der vor allem im Bauch stattfinde, belustigt hatten, fragte Giacobbo, ob es nicht ein Problem sei, dass Bignasca vorbestraft sei und mit ihm ein Delinquent im Parlament Einsitz nehme. Benrath antwortete: «Ich glaube nicht, dass das wirklich ein Problem ist. Ich meine, wir haben im Parlament auch andere Kriminelle. Da wäre einmal der Gianfranco…». Giacobbo fiel ihm ins Wort: «Ja den Namen nicht nennen, nicht schon wieder…».

C. Gegen beide Sendungen erhebt Gianfranco Cotti (hiernach: Beschwerdeführer) am 28. Juli 1995 Programmrechtsbeschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Er stellt namentlich den Antrag, «es sei festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin mit ihren Sendungen vom 15. März und vom 14. Juni 1995 die Programmbestimmungen des BG vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG, SR 784.40) sowie die Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft verletzt hat.» Konkret rügt er, dass sein Name in der Sendung vom 15. März 1995 von Giacobbo und Keiser wiederholt in Verbindung mit Geldwäscherei gebracht worden sei. In der zweiten angefochtenen Sendung vom 14. Juni 1995 sei er wider besseres Wissen als kriminell tituliert worden. Damit verstiessen beide Sendungen hauptsächlich gegen das Sachgerechtigkeitsgebot.

D. In Anwendung von Art. 64 Abs. 1 RTVG wurde die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) zur Stellungnahme eingeladen.

Sie beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie zu sistieren, weil gegenwärtig zivil- und strafrechtliche Verfahren zwischen dem Beschwerdeführer und Lorenz Keiser hängig seien. Subeventuell sei die Beschwerde abzuweisen. Materiell macht sie geltend, dass dem Publikum der satirische Charakter der fraglichen Sendungen erkennbar gewesen sei. Es seien keine affirmativen «schuldzuweisenden» Aussagen gemacht worden; vielmehr liessen gerade die verwirrenden Wortspiele das Publikum im Klaren darüber, dass der Inhalt des «Erregers» rechtlich nach wie vor umstritten und Gegenstand eines Prozesses sei.

E. Im Rahmen eines von der UBI angeordneten zweiten Schriftenwechsels hielten die Parteien an ihren Anträgen fest. Soweit angezeigt, wird auf die einzelnen Vorbringen der Parteien in den Erwägungen eingegangen.

II

1. Der Beschwerdeführer beschwert sich gegen zwei Sendungen, die am 15. März 1995 und am 14. Juni 1995 ausgestrahlt worden sind und somit innerhalb der dreimonatigen Frist von Art. 60 Abs. 2 RTVG liegen.

Damit auf eine sogenannte Zeitraumbeschwerde eingetreten werden kann, bedarf es nach der Praxis der UBI zusätzlich eines sachlichen Konnexes beziehungsweise eines thematischen Zusammenhanges der fraglichen Sendungen (VPB 59.42, S. 350; 55.34, S. 316). Weil in beiden Sendungen Gianfranco Cotti in Verbindung mit Geldwäschereigeschäften beziehungsweise kriminellen Handlungen gebracht wurde, ist dieser Zusammenhang vorliegend gegeben.

Der Beschwerdeführer war selbst Gegenstand der angefochtenen Sendung und ist somit zur Individualbeschwerde im Sinne von Art. 63 Abs. 1 Bst. b RTVG legitimiert. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Programmrechtsbeschwerde ist somit einzutreten.

2. Die SRG beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten beziehungsweise sie sei zu sistieren, weil gegenwärtig zivil- und strafrechtliche Verfahren zwischen dem Beschwerdeführer und Lorenz Keiser im Zusammenhang mit dem Buch und dem Theaterstück «Der Erreger» hängig seien.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die UBI zu Rügen nicht zu äussern hat, die sich – explizit oder implizit – auf Bestimmungen des Straf- oder Zivilrechts beziehen. Ihre Beurteilung fällt in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Weiter ist zu betonen, dass es in den erwähnten Prozessen um Ehr- und um Persönlichkeitsrechte zweier Privatpersonen im Zusammenhang von Publikationen und deren richterlichem Verbot geht. Im konkreten Fall stehen demgegenüber die Rechte des Publikums auf eine freie Meinungsbildung zur Prüfung; zu beurteilen ist mithin die kommunikative Wirkung der angefochtenen Sendungen auf die Zuschauer und die Erfüllung der durch die konkreten Umstände gebotenen Sorgfaltspflicht durch den Veranstalter (VPB 53.48, S. 342; BGE 119 Ib 166, 169). Diese Fragen können hier losgelöst vom Ausgang der hängigen Zivil- und Strafrechtsprozesse entschieden werden (BGE 120 Ib 156, 160).

3. Tritt die UBI auf eine Beschwerde ein, ist sie nach Art. 65 RTVG nicht an die Vorbringen der Parteien gebunden. Sie prüft daher im vorliegenden Fall die formgerecht beanstandete Sendung als Ganzes auf ihre Übereinstimmung mit den massgeblichen Programmbestimmungen, ohne von den Anträgen und Rügen der Beschwerdeführer eingeschränkt zu sein (VPB 60.23, S. 178).

4. Der Beschwerdeführer macht hauptsächlich die Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots geltend.

4.1. Das Gebot der sachgerechten Darstellung von Ereignissen ergibt sich dem Grundsatz nach aus dem umfassenden Leistungsauftrag von Art. 55bis Abs. 2 BV. Demzufolge haben Radio und Fernsehen insbesondere zur kulturellen Entfaltung und zur freien Meinungsbildung beizutragen und dabei auch die Eigenheiten des Landes zu berücksichtigen. Die in Art. 55bis Abs. 2 BV aufgeführten unbestimmten Gesetzesbegriffe sind im Prozess der Interessenabwägung zu konkretisieren. Dabei ist auch der in Art. 55bis Abs. 3 BV garantierten Programmautonomie des Veranstalters Rechnung zu tragen, die ihm insbesondere bei der Bestimmung seiner Themen, ihrer gestalterischen Umsetzung und der Wahl des Stilkonzepts einen weiten Spielraum gewährt (VPB 60.23, S. 178; 56.13, S. 99).

4.2. Auf Gesetzesstufe findet sich das Sachgerechtigkeitsgebot in Art. 4 RTVG wieder. Die UBI hat aus dem in Abs. 1 dieser Bestimmung enthaltenen Gebot der sachgerechten Darstellung von Ereignissen in ihrer Praxis abgeleitet, die Hörer oder Zuschauer müssten sich aufgrund der in der Sendung vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt machen können und damit in die Lage versetzt werden, sich ihrerseits frei eine eigene Meinung bilden zu können (VPB 60.24, S. 183; 59.14, S. 110).

5. «Victors Spätprogramm» ist eine Humor- und Satiresendung, die sich im Programm des Fernsehens der deutschen und rätoromanischen Schweiz (DRS) etabliert hat.

5.1. Die Satire stellt ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung dar, in dem sich die Form bewusst nicht kongruent zur angestrebten Aussage verhält. Die Form der Satire übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich (nicht publizierter Entscheid der UBI [UBIE] b. 273 vom 27. August 1993, S. 5). Ob sie jeweilen das Prädikat geistreich verdient, ist nicht Gegenstand einer Beurteilung durch die UBI. Voraussetzung der Tolerierung auch einer geschmacklosen Sendung ist aus programmrechtlicher Sicht freilich, dass die Zuhörer oder Zuschauer die von den Medienschaffenden gewählte Form auch als Satire erkennen können, und dass sie nicht verletzend ist. Solches kann leicht der Fall sein, wenn sie etwa den sensiblen Bereich des Religiösen, anderer gesellschaftlicher Wertvorstellungen oder von Liebe und Sexualität berührt, oder wenn sie Gewalt gegenüber Frauen, die Ausgrenzung benachteiligter Minderheiten, die Diskriminierung von Menschen anderer Rasse oder anderweitige Verletzungen der Menschenwürde banalisiert oder sich darüber lustig macht (11. Jahresbericht der UBI vom 19. Mai 1995, S. 18).

5.2. Hingegen liegt es im Rahmen der von der Verfassung gewährten Programmautonomie, dass sich ein Veranstalter auch in der Form der Satire kritisch mit den verschiedenen Bereichen des staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und – in zurückhaltender Weise – religiösen Lebens auseinandersetzt, dabei auch mit dominierenden politischen Meinungen, herrschenden Strukturen, Mehrheitsauffassungen sowie etablierten Ansichten und Institutionen. Die UBI hat jedoch in ihrer Praxis (VPB 55.37, 53.48, 52.30, zuletzt im nicht veröffentlichten UBIE b. 273 vom 27. August 1993) festgehalten, dass auch der satirischen Behandlung eines Themas Grenzen gesetzt sind. Abgesehen von den oben erwähnten sensiblen Bereichen, die in concreto nicht tangiert sind, ergeben sich diese aus dem Sachgerechtigkeitsgebot.

5.3. Gemäss der Praxis der UBI richtet sich das Sachgerechtigkeitsgebot – zwar nicht ausschliesslich, aber doch schwergewichtig – an Sendungen, in denen Informationen übertragen werden. Bei Satiresendungen ist das Gebot unter Berücksichtigung der besonderen Formmerkmale des Genres anzuwenden, die in der in E. 5.1. erwähnten Definition zum Ausdruck kommen. Demnach besteht die Eigenart der Satireform darin, dass sie einen bestimmten Ausschnitt der Realität durch Veränderungen der Form übersteigert, verfremdet, umstellt, banalisiert, karikiert usw. Inhaltlicher Ausgangspunkt satirischer Verzerrungen ist grundsätzlich die von der Allgemeinheit als gültig erachtete Wirklichkeit. Sachgerecht ist somit eine Satire nur solange, als die ihr zugrundeliegende Wirklichkeit – trotz aller Verzerrung – identifizierbar bleibt und nicht etwa durch eine falsche Wirklichkeit, die Gültigkeit beansprucht, ersetzt wird.

6. Diese Grundsätze sind auf die beiden angefochtenen Sendungen vom 15. März beziehungsweise 14. Juni 1995 anzuwenden.

6.1. Die UBI hat den umstrittenen Beitrag der Sendung vom 15. März 1995 visioniert und kommt zum Ergebnis, dass er den Toleranzbereich, den die Satire zubilligt, überschritten hat. In concreto diente die Form der Satire lediglich als Deckmantel, um den Zuschauern den Aussagegehalt mitzuteilen, dass es sich bei Gianfranco Cotti um einen Geldwäscher handle. Entgegen der Behauptung der SRG stand weniger der Ausgang des Prozesses zum Publikationsverbot von Keisers Buch «Der Erreger» im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern – wegen ihrer Brisanz – vielmehr die Bezichtigung Cottis zur Geldwäscherei. Die UBI geht davon aus, dass die Sendung «Victors Spätprogramm» von einem Publikum rezipiert wird, das mit den Formen der Satire vertraut ist. Obwohl deshalb eine spezifische Erwartungshaltung der Zuschauer vorausgesetzt werden kann, verfügt die fragliche Sendung nicht über einen Freipass, sondern lediglich über einen gestalterischen Spielraum innerhalb der Grenzen des Programmrechts.

Die Bestimmungen des Programmrechts jedoch sind durch den beanstandeten Beitrag verletzt worden, weil der satirischen Verfremdung der Form die in E. 5.3. erwähnte reale Ausgangsbasis bezüglich des Inhalts fehlte. Es entspricht einem anerkannten Grundsatz der schweizerischen Rechtsordnung, dass jemand hinsichtlich eines bestimmten Tatbestandes des Strafgesetzbuches so lange als unschuldig zu gelten hat, als nicht ein rechtskräftiger Richterspruch das Gegenteil feststellt. Die SRG bringt nichts vor, das auf eine rechtskräftige Verurteilung Cottis schliessen liesse. Somit ist von der Unschuld Cottis hinsichtlich des Tatbestandes der Geldwäscherei auszugehen. Stellt die Unschuld Cottis die reale Basis dar, verletzt der angefochtene Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot, indem er suggeriert, dass die gegenteilige Aussage der Wirklichkeit besser entsprechen würde. Sätze wie: «…er schwärzt ab, dass Cotti einmal etwas zu tun gehabt hat mit Geldwäscherei» oder «Das Wort Geldwäscherei und Gianfranco Cotti kommt nicht über unsere Lippen», unterstellen, dass Cotti in Tat und Wahrheit ein Geldwäscher sei, diese «Wahrheit» aber weder gedruckt noch am Fernsehen verbreitet werden dürfe. Die Behauptung der SRG in ihrer Stellungnahme, dass keine «affirmativen Aussagen» gemacht worden seien, erscheint vor diesem Hintergrund als zu formalistisch. Würdigt man die umstrittene Sequenz in ihrer Gesamtheit, ist die mehrfache Gleichsetzung von Cotti mit Geldwäscherei das, was davon im Gedächtnis der Zuschauer haften bleibt; daran vermag auch der Trick nichts zu ändern, dass man die Aussage jeweils gleichsam algebraisch einklammerte und eine Negation vor die Klammer setzte.

Aufgrund der Würdigung des angefochtenen Beitrags in seiner Gesamtheit kommt die UBI zum Ergebnis, dass die Sendung «Victors Spätprogramm» vom 15. März 1995 das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt hat.

6.2. Aus der E. 6.1. folgt, dass die Beschwerde ebenfalls bezüglich der Sendung «Victors Spätprogramm» vom 14. Juni 1995 begründet ist. Umstritten ist hier die Formulierung Stolte Benraths: «Ich meine, wir haben im Parlament auch andere Kriminelle. Da wäre einmal der Gianfranco…» und die unmittelbar anschliessende Antwort Victor Giacobbos, der ihm mit folgender Äusserung die Rede abschnitt: «Ja den Namen nicht nennen, nicht schon wieder…». Auch die SRG räumt ein, dass mit diesem Wortwechsel offensichtlich Gianfranco Cotti gemeint war, und das Publikum dies auch so verstand. Diese tatsachenwidrige und wider besseres Wissen formulierte Suggestion ist auch nicht durch die Form der Satire zu rechtfertigen und vermag den Anforderungen journalistischer Sorgfaltspflicht nicht zu genügen. Bei Zuschauern, die lediglich diese eine Sendung gesehen haben, konnte der Eindruck haften bleiben, dass Gianfranco Cotti ein Rechtsbrecher sei. Zuschauer, die bereits die Sendung vom 15. März 1995 gesehen hatten, konnten in ihrem möglicherweise dort erzeugten Verdacht bestärkt werden,

dass es sich bei Cotti um einen Geldwäscher handle. Unter dem Gesichtspunkt der journalistischen Sorgfaltspflicht fällt erschwerend ins Gewicht, dass dieselbe Person in demselben Sendegefäss innert kurzer Frist ein zweites Mal ungerechtfertigt der Geldwäscherei beziehungsweise Kriminalität bezichtigt worden ist. Unabhängig von Fragen des Persönlichkeitsrechts und des Ehrenschutzes ist aus programmrechtlicher Sicht eine erhöhte Sorgfalt hinsichtlich der Verwendung von Kriminalitätsbezichtigungen zu fordern, die auch für Satiresendungen gelten muss. Diese Sorgfalt liess der fragliche Beitrag vermissen. Aus diesen Gründen hat er das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt.

7. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die angefochtenen Beiträge der Sendungen «Victors Spätprogramm» vom 15. März 1995 und vom 14. Juni 1995 das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt haben und die Beschwerde gutzuheissen ist.

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Homepage der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen

Entscheid der UBI zu Geldwäschereivorwurf und „sachgerechter Satire“

1. Dezember 1995, Publikation der Bundeskanzlei

VPB 60.91: Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 1. Dezember 1995; b.302 Fernsehen. Sachgerechtigkeitsgebot bei Satiresendungen. Art. […]

2017