Viktor Giacobbo

, 14. September 2015

„Mein Leben, meine Pferde“ von Fredy Knie jun.

Wer sich in der Unterhaltungsbranche für einen besonders erfahrenen Profi hält, wiederholt gerne die Phrase, dass das Arbeiten mit Tieren und Kindern zu den sehr schwer kalkulierbaren Wagnissen gehöre. Es ist klar warum: wegen deren Regie-Resistenz bzw. Unberechenbarkeit. Ich frage mich, ob schon jemand auf die Idee gekommen ist, Fredy Knie zu diesem Thema zu befragen – ihn, der selber als Kind zusammen mit Tieren in der Zirkusmanege aufgetreten ist, in einer Showkategorie, deren rustikaler Livecharakter mancher Theaterbühne und bestimmt jedem Filmset überlegen ist. Er, der als Artist, Direktor und vor allem Pferdedresseur in über 60 Zirkussaisons mindestens einmal täglich vor Tausenden von Zuschauern einen Showact geboten und dabei seine Tochter, den Enkel und viele andere Schüler ins Zirkusleben begleitet hat. So einer ist eben nicht „nur“ Pferdeflüsterer, sondern auch Kinderflüsterer. Und nicht „nur“ Tierfreund, sondern Menschenfreund.
Fredy Knie ist daher in seinem einzigartigen, mobilen, unsubventionierten Familien-Unterhaltungsunternehmen der Garant dafür, dass die unterschiedlichsten Lebewesen, die Artisten, die Requisiteure, die Techniker, die Familienmitglieder und die Tiere das beste Lebens- und Arbeitsumfeld vorfinden.
Im Grunde genommen führt Fredy Knie sein Unternehmen auf dieselbe verblüffend einfache Weise, wie er seine Pferde lenkt: verbal. Ausserhalb der Manege beschränkt sich sein digitales Equipment auf ein einfaches Handy, in das er nicht tippt, mit dem er nicht surft, das er ausschliesslich für Gespräche benutzt, erreichbar für alle zu fast jeder Tageszeit – ein Schreckensszenario für jeden Manager. Eine Agenda? Braucht er nicht, er hat alle Termine im Kopf. Während der Zirkusshow kommuniziert er ebenso direkt mit ruhiger Stimme, der seine bis zu 24 vollblütigen Hengste ohne jeglichen Zwang voll vertrauen und so die Pferdedressurnummern performen, für die Knie weltberühmt ist.
Täglich Verantwortung übernehmen für hunderte von Menschen und Tieren, regelmässig ein geschätzter 16-Stunden-Tag, Ferien ein unbekannter Begriff – das wäre für jeden andern Firmenchef ein klassisches Burnout-Szenario. Doch davon ist Fredy Knie weit entfernt. Wer einmal mit dem Circus Knie eine Saison lang auf Tournee gewesen ist, lernt einerseits Fredys Humor kennen und anderseits wie man auch einen anforderungsreichen Job mit Gelassenheit und Optimismus angehen kann.
Weil er Backstage ein unkomplizierter Kumpel ist und Minuten später der souveräne Direktor im Zirkusrund, ist es schwierig, den Privatmann Fredy Knie vom Berufsmann zu unterscheiden, denn privat ist er irgendwie immer. Da der Zirkus und die Pferde sein Leben sind, kann man keine Grenzen ziehen zwischen seiner privaten Leidenschaft und seinem Beruf, zwischen dem Chef und dem Freund, dem eleganten Dompteur im Frack und dem liebenswerten Patron einer der bekanntesten Familien der Schweiz.
Diese einmalige, reiche Erfahrung von mehr als sechs Jahrzehnten Zirkus und Pferdedressur ist nun in Wort und Bild in diesem Buch von Fredy Knie vereinigt: „Mein Leben, meine Pferde“. Ein Buch, das ebenso treffend den Titel tragen könnte: „Meine Pferde, mein Leben“.

2017