Viktor Giacobbo

Facts, 3. November 2005

«Öl ins Feuer giessen macht Spass»

Viktor Giacobbo über Humor in Somalia, Kommunismus und Harry Hasler im Ehebett.

Facts: Herr Giacobbo, früher hatten Sie einen klaren politischen Standpunkt.

Viktor Giacobbo: Richtig. Mit 18 wurde ich aus der SP geworfen, weil ich ihr zu radikal war. Wenn Sie das meinen.

FACTS: Jahrelang waren Sie der linke TV-Satiriker. In «Undercover» kommen die Emanzen aber genauso dran wie die Machos, korrupte Kapitalisten wie Globalisierungsgegner. Am Ende treten Sie niemandem auf die Füsse.

Giacobbo: Nein, offenbar trete ich allen auf die Füsse. Das haben wir übrigens auch im Spätprogramm immer getan. Zugegeben, im Film brandmarkt niemand die SVP als böse. Aber zum Schluss ernennt unser Justizminister eine Bundesanwältin, die illegale Drogen-geschäfte machte.

FACTS: Die Globalisierungsgegner bekommen ebenso ihr Fett weg. Sie schlagen gegen alle Seiten aus. So ist gar keine politische Haltung mehr spürbar.

Giacobbo: Ach, das tut mir aber Leid! Wir beschreiben immerhin eine Art Mini-Berlusconi. Und die Schweizer Justiz arbeitet mit ihm zusammen. Das ist, finde ich, sehr wohl eine politische Haltung. Zudem geht es nicht um die Globalisierungsgegner, sondern um eine 16-Jährige, die, etwas naiv, die Politik entdeckt. «Undercover» spielt also nicht im politisch luftleeren Raum. Aber es ist auch kein politischer Film.

FACTS: Das ist symptomatisch für den momentanen Zustand des Schweizer Humors. Die Kassenknüller «Achtung, fertig, Charlie!» oder «Mein Name ist Eugen» sind politisch mehr als harmlos. Selbst in «Punkt CH», der Nachfolgesendung von «Viktors Spätprogramm», trampeln Ihre Kollegen lieber auf den privaten Marotten des Bundesrats herum, als ihn inhaltlich anzugreifen.

Giacobbo: Okay, Sie haben offenbar eine These: Komödien müssen politisch sein. Und ich sage: Komik muss gar nichts, ausser Leute zum Lachen bringen. Egal, ob mit Slapstick oder politischen Jokes. Zudem frage ich mich, wie neu diese Tendenz im Schweizer Film ist. Wann gab es sie denn, die Zeit der grossen Schweizer Politkomödien?

FACTS: Komik entsteht meist aus dem Konflikt von Ideal und Wirklichkeit. Sind wir Schweizer zu behütet, um lustig zu sein?

Giacobbo: Wir Schweizer? In welchem Land gibt es denn so viele politische Komödien? In Italien etwa? Oder Deutschland? Selbst Amerika produziert vor allem Romantic Comedies.

FACTS: Das sind alles Wohlstandsländer. Die Dringlichkeit nach subversiver Komik ist auch da eher gering.

Giacobbo: Die Komikproduktion in Somalia ist mir im Moment nicht so geläufig. Ich war aber vor kurzem in Südafrika und bin dort auf einen populären Komiker gestossen, der während der Apartheid enorm viele politische Sketches gemacht hat. Unter so einem System ist das natürlich viel dringender und mutiger. Aber ich kann ja jetzt nicht sagen: Okay, ich wandere nach Nordkorea aus, um dort Satire zu machen.

FACTS: Es ist ja nicht so, dass es in der Schweiz keinen Zündstoff gäbe.

Giacobbo: Natürlich gibt es den. Deshalb schreibe ich ja auch Kolumnen. Aber in meinen Filmen habe ich nun halt mal einen anderen Stil gepflegt. Das Kino hat für mich eine andere Funktion …

FACTS: … nämlich, das zahlende Publikum anzulocken. Sie sind inzwischen also mehr Unternehmer als Kabarettist?

Giacobbo: Für wen ist dieses Interview – für die «Prawda»? Unternehmer impliziert, ich denke nur noch ans Geschäft. Aber dann wäre ich beim Fernsehen geblieben und hätte Harry Hasler und Co. bis zum Gehtnichtmehr vermarktet. Unternehmer und freie Künstler haben zudem eines gemeinsam: Sie gehen Risiken ein, finanziell oder künstlerisch und manchmal beides gleichzeitig. Und apropos Kabarettist…

FACTS: Ja, bitte?

Giacobbo: Satire kann politisch sowieso nichts bewirken. Sie unterhält lediglich diejenigen, die bereits derselben Meinung sind, oder provoziert die andern. Ich habe jedenfalls noch von keiner einzigen Person gehört, die nach einer Satire sagte: «Die haben ja Recht. Jetzt ändere ich meine Meinung!»

FACTS: Sie kann immerhin eine Diskussion auslösen.

Giacobbo: Aber keine neue. Satire kann lediglich Öl in ein Feuer giessen, das bereits brennt.

FACTS: Das klingt frustriert.

Giacobbo: Nein, Öl ins Feuer giessen macht Spass.

FACTS: Sie werden doch wohl nicht behaupten, Sie hätten nie politische Ziele verfolgt.

Giacobbo: Die verfolge ich auch heute noch, aber ein Film ist kein Flugblatt. Zugegeben: Mit zwanzig dachte ich, es ginge noch zehn Jahre, dann hätten wir hier das kommunistische Paradies. Ich war sogar ein avantgardistischer Leninist. Als Lehrling unterschied ich mich von den Studenten, die die Werktätigen zur Revolution führen wollten. Und ich konnte jedes Problem in ein Schublädchen einordnen. Heute erschreckt mich das. Ich war das Mitglied einer Sekte.

FACTS: Heisst das, Sie wurden aus Überzeugung unpolitischer?

Giacobbo: Im Gegenteil. Ich wurde politischer. Heute ordne ich aber nicht mehr alle Probleme einer Wunschvorstellung unter, sondern analysiere und bilde mir eine Meinung.

FACTS: Ist diese Altersmilde nicht der Tod eines jeden Satirikers?

Giacobbo: Überhaupt nicht. Ich bin froh, dass ich nicht mehr zu allem eine betonierte Meinung haben muss. Diese Freiheit nehme ich mir heute. Früher konnte ich das noch nicht.

FACTS: Warum?

Giacobbo: Es hat mit einem gewissen Selbstvertrauen zu tun, politisch unkorrekt sein zu dürfen. Ich kann heute auch als SVP-Gegner sagen, dass ein Streit mit Christoph Blocher Spass macht, weil der Mann in gewisser Weise Witz hat.

FACTS: Ist Christoph Blocher der letzte (Real-)Satiriker dieses Landes?

Giacobbo: Er hat auf jeden Fall eine gute Portion Humor, auch wenn das die meisten seiner Wähler wohl gar nicht sehen. Und so sehr mir seine politische Richtung zuwider ist, eines muss man ihm zugute halten: Er stellt sich der Kritik, weil er auch kontern kann. Das kann man von vielen Linken nicht behaupten.

FACTS: Sie selbst bleiben in «Undercover» diskret politisch, weil Spielfilme nur unterhalten sollen. Fakt ist aber, dass das Bundesamt für Kultur dem Projekt bloss widerwillig Geld gab. War der Film selbst Bern zu brav?

Giacobbo: Damit hat das nichts zu tun. Wenn sie uns gesagt hätten, der Stoff sei irrelevant oder nicht umsetzbar, hätte ich das als Argument akzeptiert. Aber es ist nicht deren Aufgabe zu entscheiden, was komisch ist und was nicht.

FACTS: Warum nicht? Das Publikum entscheidet ja auch selbst, worüber es lacht.

Giacobbo: Ja, aber ein Publikum muss kein Drehbuch lesen, sich also auch die Umsetzung nicht vorstellen können. Und Leute, die selber nie komische Filme machten, können das eben weniger gut als beispielsweise ein Rolf Lyssy.

FACTS: Das ist ja aber genau das Problem: Weder Rolf Lyssy noch Sie sitzen in dieser Kommission. Weil Sie sich in der kleinen Schweiz davor scheuen, den eigenen Kollegen auf die Füsse zu treten.

Giacobbo: Meinen Sie, wenn ich Angst hätte, jemandem auf die Füsse zu treten, würde ich öffentlich meine Geldgeber kritisieren? Filmprojekte sind objektiv schwer zu beurteilen, und jedes kann floppen, auch unseres. Ich finde nur, dass eine Kommission auch beachten sollte, ob jemand sein Talent schon bewiesen hat – wie beispielsweise «Undercover»- Regisseurin Sabine Boss mit «Ernstfall».

FACTS: Apropos Sabine Boss: Warum gibt es eigentlich nach wie vor so wenig Frauen, die Komik machen – hinter und vor allem vor der Kamera?

Giacobbo: Ich weiss es nicht. Was mir Komikerinnen aber schon anvertrauten: Viele Männer haben Angst vor lustigen Frauen. Ich kann das nicht verstehen. Ich finde lustige Frauen sehr attraktiv – weil sie meist auch sehr selbstbewusst sind.

FACTS: Sie waren ja auch länger mit Nadeschkin zusammen. Hält man Sie privat überhaupt aus? Oder sind Sie ein notorischer Witzler?

Giacobbo: Überhaupt nicht, ich mache sicher nicht den Harry Hasler im Ehebett. Da würde ich mich selber nicht mehr aushalten.

2017