Viktor Giacobbo

Thurgauer Zeitung, 27. Februar 2004, von Sabine Steiger

Chicks in Concert

Klassik trifft Klamauk – und das Publikum im Casinotheater Winterthur hat seine helle Freude daran.

Winterthur -Die Mischung ist brisant: Man lade das traditionsreiche 129 Jahre alte Musikkollegium Winterthur zum Konzert ins Casinotheater und serviere dazu die herben Sprüche der Giacobbo-Figur Debbie Mötteli. Im roten Lackmänteli kommt diese aus Volketswil angestöckelt, ihr pubertierendes Gottenkind Gabi Muff (Fabienne Hadorn) im Schlepptau. Natürlich wollen die beiden keine Klassik hören, sondern vielmehr ein Casting betören. Wie das klingt? Zusammen ergibt das ganz neue Töne, die dem sichtlich angetanen Premierenpublikum wohl bekommen.

Auch wenn die beiden Provinzblondinen die Musik von Strauss, Nicolai, Bizet, Rossini und Mozart mit Kuschelrock, den Dirigenten Marc Kissoczy mit Chris von Rohr verwechseln, das Publikum tut es nicht. So liessen sich am Mittwochabend Music und Stars wunderbar trennen und dennoch geniessen. Das Orchester gab bei Purcells 2. Sinfonie aus «Fairy Queen» trotz saalbedingter, flacher Akustik sein bestes.

Richtig Gas gibt auch Fabienne Hadorn als Teenager Gabi. Sie zeigt, wie heute angebändelt wird, wie Mötteli entstaubt und was ein Crossover der E-Musik und der U-Branche sonst noch bieten kann. Zum Beispiel eine fabelhafte Parodie des Titanic-Songs, die allen im Saal die Tränen in die Augen treibt. Und selbst wenn Leopold Mozart nie ein so guter Komponist wie der Sohn war, die Tierstimmen in seiner Kindersinfonie klangen nie so echt wie gestern Abend. So echt blond wie Debbie Möttelis Haarfarbe eben.

Nachdem schon vor einem guten Jahr der Auftritt von Concièrge Fredi Hinz mit dem Musikkollegium ein Erfolg war, könnte es nun erst recht wahr werden: Winterthur hat eine neue Spezialität zu bieten. Ein wirklich neues, gutes «Gefäss», bei dem alle auf ihre Kosten kommen: Das Orchester, weil es auch mal lachen darf, das Casinotheater, weil es wirklich mal ausverkauft ist, und das Publikum, weil es sich mit musikalischem Hauptgang und lecker-leichtem Dessert künstlerisch Bauch und Ohren voll schlagen kann.

2017