Viktor Giacobbo

, 6. Januar 2018, von Lukas Lampart

Unter dem Mikroskop

Rückrufaktion: Politische Satire

Es war so etwas wie ein Ritual. Am Sonntagabend die Woche Revue passieren lassen. «Giacobbo/Müller» lieferte den Soundtrack und die Bilder dazu. Ihre Figuren waren Prototypen der Schweiz. Dr. Köti erklärte die Konkordanz, Hanspeter (Bu-i-i) Burri den SBB-Ticketautomaten. Fredi Hinz wollte einen Stutz. Harry Hasler fuhr Tesla. Mergim Muzzafer spielte im «Samschtig Jass» mit. Mike Müller mimte einen Hooligan. Und Dani Ziegler machte einen sauren Stein. Die Lacher waren nicht immer gleich laut, und doch war ihr Wochenrückblick eine wohltuende Abwechslung im Programm. Giacobbo und Müller ordneten ein, teilten aus und forderten heraus.

Im Dezember 2016 wurde die letzte Sendung ausgestrahlt. Die Sendeplätze wurden neu verteilt, und das SRF-Urgestein Kurt Aeschbacher übernahm mit seiner Talksendung den begehrten Platz am Sonntagabend. Dann kam die Leere.

Die Lücke

Knapp ein Jahr später, am 6. Oktober 2017, fand so etwas wie eine Katharsis statt. Viktor Giacobbo und Mike Müller traten in der Late-Night-Sendung «Deville» auf. Der ehemalige Punkmusiker und Kindergärtner Dominic Deville gilt als der Nachfolger der beiden. Nun, an diesem späten Freitagabend «halb live» aus dem «Mascotte» in Zürich, wurde einmal mehr deutlich, was der Schweiz fehlt: politische Satire.

Giacobbo und Müller kamen am Ende der Sendung mit Deville ins Gespräch, und sie brauchten nur wenige Anlauf, um klarzumachen, wie sehr sie fehlen. Die beiden brachten das Konzept durcheinander, hielten sich nicht an die Regeln, sorgten für die Lacher – all das, was man eigentlich von ihren Nachfolgern erwarten würde.

Doch «Deville» bleibt immer wieder unterhalb der Messlatte seiner Vorgänger. Die Witze sind flau, absehbar und wirken müde. Die Pointenschreiber planschen im Fahrwasser von Allgemeinplätzen, kratzen häufig nur an der politischen Oberfläche. Agota Dimén, Dominic Devilles Side-Kick, vermag die Sendung auch nicht wirklich zu retten. «Deville» hat zwar eines der meistgeschauten und meistgeteilten Youtube-Videos der Schweiz («Switzerland Second») hervorgebracht, doch viel mehr ist bislang nicht in Erinnerung geblieben. Der Sendeplatz am späten Freitagabend ist wohl auch nicht besonders zuträglich.

Auch «Müslüm TV» konnte die Lücke nicht füllen. Die Fahrten in seinem Wohnmobil durch die Schweiz waren etwa so lustig und politisch wie Feriengrüsse aus einer Jugendherberge. «Heute fahre ich ins Macho-Tal. Ein Platz wie gemacht für mich», sagte Müslüm etwa vor einer Fahrt ins Maggiatal. Die Sendung wurde mittlerweile eingestellt.

Vor Kurzem sagte Viktor Giacobbo in einem Interview mit der SonntagsZeitung , dass das SRF die Organisation ihrer Nachfolge «verkackt» habe: «Schlicht und einfach. Vom Sendeplatz her und auch vom frühzeitigen Aufbau einer Nachfolge.» Das klingt verbittert, und doch spricht Giacobbo an, was bislang niemand tat.

Die Gespräche

«Giacobbo/Müller» hat Spuren hinterlassen, gerade auch wegen den Gesprächsgästen am Ende der Sendung. Manche Politikerin, mancher Politiker geriet dabei ins Schwitzen – zugleich gelang es den beiden Moderatoren, eine Nähe zu schaffen.

Da war Doris Leuthard, die offen über Bundesratssitzungen plauderte. Oder Eveline Widmer-Schlumpf, die sich als Finanzministerin über die Steuererklärung enervierte. Und immer wieder SVP-Nationalrat Toni Brunner, der lauthals und herzlich lachte und den schlagfertigen Giacobbo zu kontern vermochte. ​

Die Sendung am Sonntagabend legte die Schweiz unter das Mikroskop, setzte das Skalpell an und sezierte – mal sorgfältig, mal brachial. Das fehlt den Formaten, die aktuell ausgestrahlt werden. Es fehlen die politischen Themen, die Polit-Gäste, die politische Auseinandersetzung

Kurz: Es fehlt politische Satire. Das ist bedauernswert, gäbe es doch genügend Stoff, der verarbeitet werden könnte.

2017