Viktor Giacobbo

, 3. Juni 2002, von ns

Respektvolle Annäherung an Viktor Giacobbo

Liegt’s an der Brille? Am etwas biederen Aussehen? Oder am schüchternen Auftreten, das nur scheinbar den hinterlistigen Witz verbirgt? Der Vergleich mit Woody Allen mag Viktor Giacobbo, dem Deutschschweizer Satiriker vom Dienst, wohl selber etwas hoch gegriffen erscheinen, eine Ähnlichkeit ist aber tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Selbst die Eigenheit, sich unter Verleugnung jeder Intelligenz gerne als trotteligen Versager hinzustellen, teilen der weltberühmte Komiker aus New York und seine Taschenausgabe aus Winterthur. Womit Giacobbo den illustren Amerikaner aber mühelos in den Schatten stellt, ist seine Verwandlungskunst. Seine zahlreichen Alter Ego sind schon beinahe beliebter als er selber. Oder mindestens bekannter, denn wer dieser Viktor Giacobbo wirklich ist, wissen wohl nur wenige.

Rosmarie Pfluger hat den Wandelbaren für die 3sat-Reihe „Zeitgenossen“ porträtiert. „Viktor Giacobbo: Die Schweizer Lachnummer eins“ heisst ihre halbstündige Dokumentation, die den empfindsamen Komiker auch über unsere Landesgrenzen hinaus bekannter machen wird. Der Titel lässt erahnen, dass es hier weniger um den Privatmann, seine Biographie oder gar seine Überzeugungen geht als um die öffentliche Figur, jenen sehr bewusst gestalteten Charakter, der seit nunmehr zwölf Jahren mit „Viktors Spätprogramm“ seine Bewunderer vor den Bildschirmen vereint.

Giacobbos Medienpräsenz ist gerade jetzt stärker denn je: Erst kürzlich hat er ja als Drehbuch-Co-Autor und Hauptdarsteller von „Ernstfall in Havanna“ erstmals Filmluft geschnuppert, und rund um die Eröffnung des Casinotheaters Winterthur sorgte er auch als Kulturunternehmer für viel Publicity. Fast machte es den Eindruck, als laufe der routinierte Vielarbeiter Gefahr, im Stress seine Kreativität zu verlieren. In diversen Publikationen wussten die Kritiker jedenfalls plötzlich an seinen Sendungen herumzumäkeln. Es fehle der Biss, hiess es, und die jahrelange Bildschirmpräsenz habe den Satiriker ausgelaugt. Ein Urteil, das sich allerdings (noch) nicht in den Einschaltquoten niederschlägt. Eine gewisse Ermüdung wäre aber verständlich, wenn man bedenkt, dass Giacobbo nicht nur Fernsehen, Film und Theaterbau unter einen Hut bringen musste, sondern gleichzeitig auch Objekt von Pflugers Dreharbeiten war.

Sie gibt einen sehr kurzweiligen Einblick in Giacobbos Schaffen. In fast zu knapp gehaltenen Einspielungen passieren Teile seines Werks Revue: Die Parodierungen von Ueli Maurer und Roger Schawinski, der rasend radebrechende Rajiv, die trottelige Debbie Mötteli und der stets sedierte Freddy Hinz zeigen den Imitator (und seine Maskenbildnerin Hedvika Salzmann) in Höchstform. Wer Viktors Witz noch nicht kennt, dem wird hier der Mund wässrig gemacht. Die raschen Schnitte vermitteln Spannung und steigern die (unbefriedigte) Lust auf mehr.

Deutlich wird dann die starke Position des Entertainers anhand seiner illustren Gästeliste: Moritz Leuenberger und Ruth Dreifuss sind da ebenso anzutreffen wie Thomas Borer oder die immerzu lächelnde Uriella. Natürlich hat Pfluger den „Jungschauspieler“ auch während der Dreharbeiten zu „Ernstfall in Havanna“ besucht und Crewmitglieder über den prominenten Protagonisten befragt. Sie bestätigen, was bereits über den Künstler bekannt ist: dass er überaus freundlich, sehr bescheiden und dabei doch ein durchaus geltungsbewusster Bühnenprofi sei. Ernsthafte Konflikte scheint es bei der Arbeit mit ihm kaum je zu geben. Wer auch immer über den beliebten Parodisten Auskunft gibt, beschreibt ihn als „Everybody’s Darling“.

Dass auch ein Viktor Giacobbo ab und zu an seine Grenzen stösst, formuliert schliesslich der Porträtierte selber, wenn er kurz nach der Eröffnung des Casinotheaters gesteht, in den vergangenen Monaten mitunter wohl unausstehlich gewesen zu sein. So viel Privates ist sonst selten aus ihm herauszukitzeln, und auch die Bilder von seinem Wohnort – steht er da vor seiner Bleibe? – sind in diesem Fall fast schon „Homestory“-tauglich. Natürlich schafft es der Satiriker auch hier mühelos, nichts allzu Persönliches von sich preiszugeben. Seine zuvorkommende Höflichkeit lässt keinen Raum für angriffige Fragen. Wie bei so viel Friedfertigkeit der satirische Witz seiner Sketches gedeihen kann, bleibt im Dunkeln. Da und dort wäre es angezeigt gewesen, etwas provokativer nachzuhaken, die Toleranzgrenzen dieses immer so überlegen wirkenden Mannes abzustecken. Dazu bedarf es ja keiner Schnüffeleien in der Privatsphäre. Pflugers Porträt verbleibt etwas zu respektvoll an der glatten Oberfläche, aber immerhin: Diese wird auf äusserst unterhaltsame Weise zum Glänzen gebracht.

2017