Viktor Giacobbo

, 23. Dezember 2004

Solidarität – ächz!

Die Empfehlung des WoZ-Redaktors lautete: Dieser Beitrag soll durchaus die Linken provozieren. Blöd nur, dass mich der Auftrag zum Zeitpunkt der Hirschhorn-Affäre erreichte, die mal wieder klar machte, dass die Linken grundsätzlich nicht zu den Provozierten gehören, sondern ausschliesslich die Rechten. Das Kerngeschäft der Linken ist die Solidarität. Mit den Provozierenden. Nachdem die budgetierenden Spiesser im Ständerat der Pro Helvetia eine Million Sackgeld gestrichen hatten, wusste ich, es kann sich nur um Stunden handeln, bis der erste Solidaritätsaufruf in die Mailbox drängt. Und so kam es.

Auch ich kannte zwar den Namen Hirschhorn aus den Medien, hatte aber noch nie eine seiner berühmten Karton-Klebeband-Zitat-Orgien gesehen. Was ich allerdings stöhnend registrieren musste: Nach Schang Hutters „Shoa“-Würfel schon wieder ein bildender Links-Pathetiker! Und schon wieder grosse Kunst mit leider angeklebtem dürftigem Content. Oder besser: mit lauwarmer Pointe, die den Cabaret-Muff von tausend Jahren verströmt. Ich rede nicht von der theatermässigen Bepissung von Blocher oder der Abstimmungsurne als Kotzbeutel im Rahmen einer Kunstinstallation – darob mag sich seit Schlingensief kein Bildungstheatergänger mehr erschrecken. Aber mein Gott: Abu Ghraib und Innerschweizer Kantone und Wilhelm Tell, ächz! Dieser Link würde die Message-Polizei selbst bei einem Provinzkabarettisten strengstens ahnden. Und ich weiss, wovon ich rede, denn ich habe schon viele schlechte Pointen geliefert. Allerdings nicht im subventionierten Staats-Schaufenster wie dem Centre Culturel in Paris. Und es musste sich danach auch niemand mit mir solidarisieren.

Meine kunstliebenden Freunde überzeugten mich, dass das Werk Hirschhorns innerhalb der Kunst diskutiert werden soll. Einverstanden. Was aber, wenn ein gestandener Künstler wie Hirschhorn mit einer Art Satire-Makramé explizit politisch kommuniziert, dies aber mit den Mitteln eines debüttierenden Studentenkabaretts? Wenn er öffentlich bekannt gibt, er werde, solange Blocher Bundesrat sei, nicht mehr in der Schweiz ausstellen (als ginge es um die burmesische Militärjunta), dann schwappt er doch elend über den künstlerischen Rand, um knietief im linken Politkitsch zu versinken. Was sollen die geplagten, zur Solidarität genötigten linken Kulturschaffenden nun tun? Auch ins Ausland emigrieren, um in den chicsten Gallerien zwischen Paris und Miami eine Venceremos-Diaspora gegen Blocher aufbauen? Ins Albisgüetli pinkeln und die Urnen gestrichen voll schlüeren?

Lustig an der ganzen Affäre ist dasselbe hochgekochte schiefe Pathos auf beiden Seiten. Hirschhorn: „In Abu Ghraib hat es zu wenig Demokratie, in der Schweiz zu viel.“ Ständerat Fritz Schiesser: „Das Urinieren auf eine Person (…) hat mich schockiert. Das sind Szenen, wie wir sie aus den Foltergefängnissen im Irak gesehen haben.“

Während die Kunstkenner im Ständerat kläffend „unsere ureigenen Wurzeln, unser historisches Selbstverständnis, unsere gesellschaftlichen Werte“ in Gefahr sahen und andere Hirschhorn als „Mahner wider die Gleichgültigkeit2 verklärten, sagte Blocher ziemlich trocken: „Es handelt sich offenbar um eine Provokation. Und das kann mich nicht treffen. Es hat jedermann das Recht, sein Werk als Kunstwerk zu bezeichnen. So gesehen, bin ich auch Künstler. Ich habe allerdings gehört, dieser Künstler habe gesagt, er werde nicht mehr in der Schweiz ausstellen, solange ich im Bundesrat sei. Das ist ein Grund, möglichst lange im Bundesrat zu bleiben.“

Als grundsätzlich williger Solidarisierer – denn ich habe ja dann das Protestinserat im Tagi auch unterschrieben, stöhn – wünsche ich mir solchen subversiven Witz gefälligst im eigenen Lager. Ist doch Scheisse bzw. Pisse, wenn nach einer derartig profanen Affäre ausgerechnet unser Lieblingsfeind am coolsten reagiert. Nicht wahr, lieber WoZ-Redaktor?

2017