Viktor Giacobbo

, 17. November 2004

«Ich erkenne vierzig Pointen am Geschmack»

Lorenz Keiser, Kabarettist und TA-Kolumnist, hat ein Kolumnenbuch geschrieben. Viktor Giacobbo hat sich mit ihm darüber unterhalten.

Viktor Giacobbo: Wir sind zwar per Du, aber die ethischen Richtlinien der Tamedia AG verlangen von mir, dass ich dich sieze.

Lorenz Keiser: Das erinnert mich daran, wie ich einmal am Dolder-Meeting George W. Bush traf und ihn freundlich mit den Worten begrüsste: Na, Schoscho, du taube Nuss! Er antwortete: Für Sie immer noch Mr. President.

Gut gegeben! Sie haben soeben ein Kolumnenbuch geschrieben. Ich habe auch eines, es ist extrem erfolgreich und heisst . . .

Das interessiert jetzt hier nicht.

. . . «Orangen der Vergebung». Oder so.

Jetzt aber zurück zum Thema.

Sehr richtig. Es ist sowieso vergriffen.

Was?

Mein Kolumnenbuch.

Sie haben ein Kolumnenbuch geschrieben?

Ja.

Ich auch!

Das freut mich aber.

Es trägt den Titel «Mindestens haltbar bis siehe Tubenfalz».

Ich finde, der Titel ist ziemlich schlecht lektoriert. Es heisst doch Taubenschwanz. Kann ich Ihnen jetzt endlich eine Frage stellen?

Wenn es sein muss . . .

Was darf Satire?

Die Satire ist wie ein guter Sandkuchen. Er darf alles, nur nicht im Halse stecken bleiben.

Und Schenkelklopfen?

Darf er auch nicht.

Woher nehmen Sie eigentlich immer Ihre Kolumnen?

Aus dem Buch, Sie Idiot!

Dieser Humor ist jetzt aber ganz schön britisch! (Nestelt in seinen Unterlagen.)

(Auftrumpfend.) Ich erkenne vierzig Pointen am Geschmack! Ich liege manchmal auf der Wiese und fresse sie. Das sind so geheime Rituale. Gottschalk hat sich bereits gemeldet.

(Hat seine Unterlagen gefunden.) Ich muss jetzt leider dringend einen Telefonanruf tätigen. Es geht um meinen neuen Roman, er heisst . . ., egal. Es gibt sicher etwas, was Sie den Lesern schon lange mal sagen wollten. (Verlässt den Raum.)

(Denkt lange nach.) Die Satire ist ja eigentlich ein Frischprodukt. Genau wie ein gutes Sushi muss die Satire stets, also jedenfalls die japanische Satire, irgendwie besser keine nach Fisch stinkenden Witze machen, sondern mehr so die Mächtigen in die Knie zwingen und mit dem Sashimi-Messer vierteilen. (Geht zur Tür.) Herr Giacobbo! Ich bin fertig! (Wartet lange.)

(Gut gelaunt.) Da bin ich wieder! Stichwort Satire. Als hinter- gründiger Mahner mit dem fein-sinnigen Florett halten Sie der Gesellschaft mit spitzer Feder den Spiegel vor, der den Regierenden die Maske von der hässlichen Fratze reisst. C’est le ridicule qui tue?

Wer?

Le ridicule.

Justement.

(Stöbert erneut in seinen Unterlagen.) Tja, dann hätte ich eigentlich keine Fragen mehr. Wollen Sie mich etwa noch was fragen über meinen nächsten Film?

Eher nicht. Wer hat eigentlich diese Woche Kolumnendienst?

Ich sicher nicht!

Ich auch nicht. Dann ist es wohl an Patrick Frey.

Hat der auch ein Kolumnenbuch?

Keine Ahnung. Wenn Sie das wissen wollen, fragen Sie doch ihn!

Gute Idee. Hätten Sie mir grad seine Telefonnummer?

Ja bitte. Hier.

Sehr freundlich, danke. (Wählt.)

Bitte, gern geschehen.

Und danke für das Gespräch. (Verlässt den Raum.)

Scheiss-Interview! (Wartet ein Weilchen und verlässt dann ebenfalls den Raum.)

 


Lorenz Keiser, Mindestens haltbar bis siehe Tubenfalz. Verlag Kein & Aber, 29.80 Franken.

2017