Viktor Giacobbo

, 5. Oktober 2007

Geheime Putsch-Demokratie

Nicht nur im Export von High-End-Luxusgütern und Spitzentechnologie, sondern auch im Bereich der hochentwickelten Xenophobie ist die Schweiz erfolgreich, denn die Schäfchengrafik der grössten Partei ist offenbar im Ausland gefragt: Die neofaschistische NPD in Hessen kopiert das SVP-Plakat praktisch eins zu eins. Die SVP erwägt, dagegen juristisch vorzugehen, und zwar gemäss Parteisekretär Gregor Rutz wegen – ja, was wohl? – „Missbrauchs“. Noch ist nicht geklärt, wer hier missbraucht wird. Falls es das Schaf ist, bekäme die eifersüchtige Kleinviehpartei ziemlichen Ärger, denn bereits deren frivoler Umgang mit (männlichen!) Ziegen dürfte bald eine populäre Initiative nach sich ziehen: für eine lebenslängliche Verwahrung von politischen Sodomie-Straftätern.

Auch wenn der Peinlichkeitsquotient in der aktuellen Innenpolitik recht hoch ist – langweilig ist es in der Schweizer Politik zur Zeit nicht. Leider lässt sich aber unser Volk nur schwer aus seiner Lethargie reissen. Man stelle sich vor: Seit dem 5. September (Blochers „dunkler Tag für die Eidgenossenschaft“) findet in unserem Land ein Putsch statt, und keiner geht hin! Wie erklären wir das wieder dem Ausland? Da fällt ein Bundesrat konspirierenden „Schlangen“ in einer „Schlangengrube“ zum Opfer, wie sich das SVP-Reptil Christoph Mörgeli treffend ausdrückte. Worauf der Berg von Subkommission eine Maus gebiert, die dann vor der Schlange wieder… aber lassen wir das. Wie erklären wir als Erfinder der Demokratie der Restwelt, dass bei uns Politiker vor, während und nach einer dringlichen Parlamentsdebatte pathetisch drohen, den politischen Gegner nicht mehr in die Regierung zu wählen? Mit dem Sonderfall Konkordanz-Putsch oder dem Zauberformel-Komplott?

In einer der spannendsten Debatten im Bundeshaus werfen sich die grossen Kollegialitätsparteien wenige Wochen vor den Wahlen gegenseitig vor, sowas gschämiges wie Wahlkampf zu betreiben. Parteienstreit in einem Schweizer Parlament, unerhört! Die Sachlichkeitsparlamentarier der CVP stellen kleine Partei-Monstranzen auf ihre Pulte, und der Präsident der Staatsgründerpartei FDP, Fulvio Pelli, distanziert sich in einer wahlkämpferischen Rede vom Wahlkampf und bleibt nur aus „Respekt vor den Institutionen“ im Haus, würde aber lieber in burmesischen Mönchsroben auf der Strasse demonstrieren. Vielleicht realisiert er nach den Wahlen schmerzlich, dass Abgeordnete nicht ins Bundeshaus gewählt werden, um dort bei heissen Debatten hinauszugehen. Die SP-Nationalräte, wohl quasi die „Attentäter des 5. September“, warnen vor der Gefährlichkeit ihres langjährigen Koalitionspartners SVP und vor allem deren geistigem und weltlichem Oberhaupt, während Subkommissarin Meier-Schatz sich als eidgenössische Sophie Scholl sieht.

Alles hoffnungsvolle Ansätze für eine spannende Innenpolitik und steigende Wahlbeteiligungen. Doch leider werden sich die Vertreter der Regierungsparteien, nachdem sie sich erneut demütig für den Wahlkampf geschämt haben, mit viel oppositioneller Rhetorik wieder gegenseitig in die Kollegialitäts-Junta hieven. Das Land wird bleiben, was es ist, eine Dignitas-Schweiz, die Touristen aus aller Welt zum Sterben langweilig finden.

2017