Viktor Giacobbo

, 26. Januar 2012, von Daniele Muscionico

Plagiat ohne Pardon

Walter Andreas Müller und Birgit Steinegger sind abgetreten, jetzt haben die jungen Polit-Parodisten das Sagen. Sie sind unverfrorener und haben ihren Mäzen in Viktor Giacobbo.Papst gibt zu: Wir stammen vom Affen ab.» So lautete die Schlagzeile in den Boulevardmedien, die Viktor Giacobbo auf eine Idee brachte. Im Trailer für seine Satiresendung «Viktors Spätprogramm» spielte er einen ­Pfarrer, der Affen Oblaten verteilt. Die Überlegung: Wenn der oberste Hirte die Evolutionstheorie anerkennt, werden auch Primaten für kirchliche Dienste diensttauglich. Eine pragmatische Sicht, ein programmatischer Schluss. Mit ­Folgen: Für die «Lächerlichmachung der ­Hostie» verurteilte ihn die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) mit Entscheid vom 7. März 1997 wegen Konzessionsverletzung.

«Lächerlichmachung der Hostie» also – nein. Lächerlichmachung von Politikern hingegen – ja. Man nennt diese Art der Verlachung politische Parodie, und der Parodisten-Quo­tient ist landauf, landab so hoch, dass man daraus schliessen muss: Die Schweiz, ein Volk von Untertanen, ist vernarrt in das Genre, das den Mächtigen ans Eingemachte geht. Die dienstälteste Satiresendung der Schweiz, «Zweierleier» mit Walter Andreas Müller und Birgit Steinegger, wurde zwar abgesetzt – nach 28 langen Jahren – und ihre Bundesrat-Parodie «Telefon ins Bundeshaus» aus «Benissimo» gekippt, doch die Talente, die sie ersetzen werden, sind bereits da.

Unheilige Dreifaltigkeit

Aber was ist das denn, politische Parodie? Politische Parodisten wollen Führungspersönlichkeiten und Artverwandtem den Spiegel vorhalten und sie im Kern ihres Widerspruchs treffen. Die versteckte Botschaft, die in Moritz Leuenbergers hängenden Mundwinkeln wie eine Nudel klebt; die unausgesprochene Feindseligkeit einer schweren Ueli-Maurer-Lippe; die sandige Banalität, die ein gut imitierter Roger Federer verbreitet – das Lachen bricht aus, wenn uns die Erkenntnis überfällt. Der Parodist als Spiessgeselle des Publikums dreht den Spiess um, er macht die Verführer zu Vorgeführten. Er befreit uns von unserer Ohnmacht. Und von unserer Verführbarkeit für Führungsfiguren.

Doch ist pure Parodie bereits das Ziel? Wenn Parodie nur Imitation ist, bleibt der Parodist auf halber Strecke stehen. Inhaltlich abendfüllend ist gute Parodie nur, wenn sich Handwerk und Intellekt auf Augenhöhe treffen.

Fabian Unteregger zum Beispiel, auch er bereits strafrechtlich aufgefallen wegen rele­vanten Sauglattismus. Unteregger ist das naturgetreueste «Mörgeli»-Plagiat seit der Er-   findung des besagten Leiters eines Medizinhistorischen Museums. Oder David Bröckelmann. Als «Dr. Klapp» ist er der kabarettis­tische Forschungsreisende in die verquere Psyche der politischen Chorführer. Und Michael Elsener, der jüngste Hoffnungsträger des Genres. Elsener, engelsgesichtig, er ist der Sven Epiney unter den Stimmparodisten. Unteregger, ­Bröckel-   mann und Elsener verkörpern die unheilige Dreifaltigkeit der Parodie, das breite Spektrum der Gattung, drei Namen, drei Typen, jeder für sich mit eigenen Stärken und Schwächen.

Eine Gemeinsamkeit indessen haben sie, sie sind feste Grössen in der Sendung «Giacob-   bo/Müller – Late Service Public», und das mit Grund. Giacobbo ist der Schweizer Parodistenmacher. Wie viele andere Jungtalente auch sind Unteregger, Bröckelmann und Elsener von ihm persönlich, oder von der Redaktion der Sendung, entdeckt worden. So auch die hinreissende Frau mit der Tuba, Irene Brügger alias «Frölein Da Capo». Die Sendung ­«Giacob-   bo/Müller» war deren erste grosse Bühne, hier fanden sie ihr erstes grosses Publikum.

Was führt einen ehrenwerten Satiriker wie Giacobbo dazu, die böse Saat der Parodie in ­alle Winde zu streuen? Ist es seine Lust an subversiver Politarbeit? Das Gegenteil ist wahr. Es sind, so sagt er, kapitalistische Gesichtspunkte. Es ist das Gesetz von Angebot und Nach-   frage. Konkurrenz belebt das Geschäft. «Je mehr Satiresendungen es gibt, umso besser ist es für uns.» Giacobbo begeistert sich also nicht ganz selbstlos für junge Talente; doch er versteht es als sein persönliches Anliegen, Newcomern ein Podium zu verschaffen. Sei’s in seinem ­satirischen Wochenrückblick, dort handfest sogar als Regisseur der Sketche, der den Jungen das schauspielerische Handwerk beibringt, sei’s auf der Theaterbühne.

Er und sein Koautor Markus Köbeli, Partner von Birgit Steinegger, schrieben im Übrigen auch zehn Jahre lang die Texte für Walter ­Andreas Müller. Giacobbo und Köbeli waren die Ersten, die den Schauspieler als Parodisten vor eine Fernsehkamera holten, 1990 in «Viktors Programm». Doch im flüchtigen Medienzeitalter kann nicht Vergangenheit, sondern muss Zukunft interessieren. Und diesbezüglich steht fest: Giacobbos Casinotheater in Winterthur ist eine Talentschmiede und das einzige Haus dieser Grösse, das Nachwuchsförderung als Programm betreibt. Regelmäs-   sige Gefässe wie die «Frischlingsparade», die Weihnachtsvorstellung «Stille kracht», der satirische Jahresrückblick «Bundesordner» oder der «Casino-Slam» sind die Spielplätze junger Parodisten-Hunde; «Frölein Da Capo» zum Beispiel fiel Giacobbo bei einem «Casino-Slam» auf, David Bröckelmanns Entdeckung geschah indirekter, er schickte ihm eine Arbeitsprobe auf DVD.

Dass das Publikum für Neues offener ist, als manche Experten mutmassen, hat Giacobbo am eigenen Leib erfahren. Seiner Pionier­sendung «Viktors Programm» (1990 bis 1994), dem Mix aus Polit-Parodie und Talk mit den Parodierten, gaben Medienspezialisten anfänglich wenig Chance. Erst seit die Neuauflage «Viktors Spätprogramm» (1995 bis 2002) und, ab 2008, «Giacobbo/Müller», wofür die Fernsehverantwortlichen fünf Jahre lang an Giacobbos Tür bettelten, in Spitzenzeiten ­einen Marktanteil von bis zu 57 Prozent haben, sind seine Kritiker ohne Argumente. Unbestritten dabei ist: Die Parodien sind das Kernstück der Sendung, sie sind ausschlaggebend für ihren Erfolg. Und Erfolg hat, was sofort unterhält und unmittelbar belustigt. Ob der portierte Nachwuchs dereinst die Klasse eines Klassikers hat, wird er noch beweisen müssen. ›››

Immerhin, die Konzessionsverletzung von 1997 ist bis heute die einzige ge­blieben. Politische Parodie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist salonfähig geworden. Unverändert aber blieb offenbar die Kritikunverträglichkeit zweier gewiss wesensver­wandter Berufsgruppen. Viktor Giacobbo: «Die Empfindlichsten sind Kirchenleute und Journalisten.»

Der Schöne _ Eine Sketch-Show für seine Mitschüler, der Deutschlehrer gab ihm regelmässig frei, um das Programm auszuarbeiten – Michael Elseners Karriere war früh auf der Spur, auf der er heute ist. Der Zuger, der später Politikwissenschaft studierte und sein Lizenziat über Comedy schrieb, hat drei Stärken, alle hilfreich, um sich ins Herz der Zuschauer zu spielen. Zwei der drei Talente sind allerdings nicht erarbeitet, sondern geerbt: seine blauen Augen und sein blonder Lockenschopf.

Michael Elsener ist der beste Parodist von Kurt Aeschbacher, denn der jugendliche Kabarettist hat mit dem dauerjugendlichen Moderator eine Gemeinsamkeit – beide sind der Traum aller Schwiegermütter. Die höheren Weihen in «Giacobbo/Müller» erhielt Elsener bereits mit 22 Jahren, mit einem Hanf-Medley im November 2008. Im selben Jahr und mit seinem ersten Programm «Schlaraffenland» gewann er den «Kleinen Prix Walo», als ­jüngster Nominierter in der Sparte Kunst. Nach dem Programm «Copy & Paste», einer ­Innenschau ins Handwerk der Parodisten, sprich Politiker, hat er nun sein drittes geschrieben, «Stimmbruch». Figuren im blitzschnellen Rollenwechsel, klassisches Nummernkabarett und als Highlight die Karikatur eines furiosen Langweilers: Didier Burkhalter, wie man ihn kennt und schätzt. Zumindest als Parodierten.

Der Schönböse _ David Bröckelmann ist kein Autodidakt wie die meisten seiner Kollegen, er hat das Theaterhandwerk von der Pike auf gelernt. Er besitzt ein eigenes Ensemble, «Das Theater am Weg», arbeitet seit mehr als fünfzehn Jahren als Darsteller und Regisseur im In- und Ausland, im Theater, in Film und Fernsehen und ist in Basel ein beliebter Charivari-Schauspier. Neben seinen Auftritten als Imitator und Kabarettist entwirft er szenische Stadtrundgänge für Basel Tourismus und schreibt eigene Texte.

Seine Komik ist genial-skurril, besteht aus der Beherrschtheit seiner Figuren – und seine beste ist Matthias Hüppi. Bei ihm nimmt der Sportreporter shakespearesche Züge an, beziehungsweise eine klassische Schwundform: Hüppi wird zu einem Ostschweizer Malvolio. Bröckelmanns überraschendstes Meisterstück ist kein Kabarettprogramm, sondern ein satirisches Hörspiel. Es heisst «Promis auf Achse» und verschneidet Plattitüden mit Cerve-   lat (-Prominenz) und mit der Suche nach dem Heiligen Gral. Das ist ein Ohrwurm, dem man einen idealen Förderer – und uns mehr davon wünscht.

Der Böse _ Er ist der Wahnsinnige unter den Verrückten, der Champion in der Liga der Imitatoren, der Zürcher Fabian Unteregger. Er ist unser Stück Monty Python diesseits des Kanals. Hintersinnig, schwarzhumorig, absurd. Er ist der begabteste Autodidakt seiner Zunft. Hier wird Parodie zu Politsatire und damit zur Kunstform.

Fabian Unteregger, 34 Jahre alt, hat drei Studienabschlüsse in der Tasche, und sein letztes Fach, Medizin, schärft seinen Blick für die ­Physiognomie potenzieller Neuzugänge in ­seinem Parodisten-Repertoire. Der Theatersport-Europameister 2008 besitzt die internationale Privatpilotenlizenz und beherrscht mindestens fünf Fremdsprachen. Als letzte kam Schwedisch dazu, da dieses wie Deutsch ­klinge, «wenn man Wein im Mund hat».

Präzise in Mimik, Gestik und genialisch in der Stimmführung, hat dieser Neue das Potenzial, dereinst in die Liga von Giacobbo auf­zusteigen. Das hat auch das Radio entdeckt. ­Jeden Freitagmorgen zwischen 6.30 und 8.30 Uhr präsentiert Unteregger auf DRS 3 live ­seinen Comedy-Aufwisch der Woche «Zum Glück ist Freitag».

Weniger Glück hatte er letzten Sommer auf Giacobbos Heimterritorium, Winterthur. Kostümiert mit einer echten Polizeiuniform, kontrollierte er vor versteckter Kamera (des Schweizer Fern­sehens) ahnungslose Velofahrer. Bussen ­drohte er den Verängstigten an, und dies offenbar so überzeugend, dass der VCS gut und   gerne Klage hätte erheben können wegen ­«Lächerlichmachung der Pedalisten». Unter­eggers martialische Parodie beschäftigte zwar das Winterthurer Parlament, aber sie führte zu keiner Klage wegen Konzessions­verletzung. Doch was nicht ist, kann ja noch werden.

2017