Viktor Giacobbo

, 14. November 2013, von Yann Cherix

Mein Winterthur: Viktor Giacobbo

Viktor Giacobbo ist der bekannteste Sohn der zweitgrössten Stadt des Kantons. Der Satiriker erzählt, warum er nicht von Winterthur loskommt, trotzdem immer wieder weg muss und wo er sich am liebsten aufhält.

Die ganze Schweiz weiss: Er ist Zivilschützer, alt und: Winterthurer. Diese Eckdaten sind ­regelmässig Teil von Running Gags seiner SRF-Sendung «Giacobbo/Müller». Dieser ältere Winterthurer Zivilschützer sitzt nun also entspannt im Foyer das Casinotheaters und stellt sogleich eines klar: «Ich bin kein Berufswinter­thurer.» Der 61-Jährige bettet diesen Satz in eine längere, pointiert vorgetragene Rede wider die Vereinnahmung durch Aussenstehende. Er ist nicht nur als TV-Talker schlagfertig.

Viktor Giacobbo, der Mann, der seit Anfang der 90er-Jahre als Kabarettist aus dem Fernsehen das Land zum Lachen bringt, Filmemacher, ­Kolumnist, Kommentator und Theaterboss in einem ist, lässt sich ungern einordnen, auf etwas festzurren. Auch wenn er in der zweitgrössten Stadt im Kanton geboren ist, hier eine Schrift­setzerlehre absolviert hat und heute mitten im Stadtzentrum lebt, spricht er von Winterthur nur als seinem Wohnort. Mehr nicht. Er sei auf Reisen, sagt er. Diesen Sommer war er monatelang in Nordamerika unterwegs. Dazu oft in Zürich, wo ein Grossteil seiner Freunde lebe. «Zu Winterthur habe ich eine betont pragmatische Beziehung. Ich wohne einfach hier.»

Kein eigentliches Wahrzeichen

Giacobbo, der Ur-Winterthurer, dürfte damit wohl für die Haltung vieler seiner rund 100’000 Mitbewohner stehen. Winterthur inspiriert niemanden zu flammenden Hommagen, dient nicht als Vorlage für opulente Gemälde. Die Stadt hat kein eigentliches Wahrzeichen. Statt eines majestätisch fliessenden Flusses mit direkter Meerverbindung gurgelt nur die Töss durch die brav gewellte Hügellandschaft. Und die gros­sen Seen liegen weit weg. Einer davon ausgerechnet in Zürich, der selbstbewussten, grossmäuligen Kantonshauptstadt, zu der man hier ein ambivalentes Verhältnis pflegt.

Winterthur ist nicht nur optisch unaufgeregt. Auch die Elite – da sind vor allem die einflussreichen, vermögenden Industriellenfamilien wie die Reinharts, Volkarts, Wolfers oder Sulzers – will vor allem eines: nicht auffallen. Protz ist verpönt. Auch die traditionell rote Stadtregierung agiert ebenfalls eher unauffällig und pragmatisch. Publizist Karl Lüönd, selbst in der Region wohnhaft, schrieb jüngst von einer Art knurrendem Einvernehmen mit den Geldleuten. Viktor Giacobbo muss schmunzeln, als er das hört. «Karl hat recht. Es gibt hier keine Partei, die richtig auf Kriegsfuss mit der Wirtschaft steht. Es ist halt so: Hier gibts nicht ständig Lämpen.»

Das war auch so, als Giacobbo mit einer vielköpfigen Gruppe von Kulturschaffenden vor über zwölf Jahren die Idee des Casinotheaters lancierte. Aus dem muffeligen städtischen Veranstaltungslokal an bester Lage sollte ein agiles Theaterhaus mit internationaler Austrahlung werden. Zwar musste vor dem Kauf zuerst eine Volksabstimmung gewonnen werden, aber das Bewusstsein von Behördenseite, dass die Stadt Erneuerung brauchte, war laut Giacobbo immer vorhanden. «Denn Winterthur war schon damals längst keine richtige Industriestadt mehr. Viele Unternehmen hatten ihre Produktionsstätten abgezügelt. Zurück blieben zahlreiche Brachen und leere Hallen, die mit neuen Inhalten gefüllt werden mussten.»

Fixpunkt der Schweizer Comedy Szene

Heute ist das einst abenteuerlich gestartete Projekt zur festen Institution geworden. Deutsche Grössen wie Gerhard Polt oder Dieter Hildebrandt lassen in diesem schmucken Saal gar ihre Shows für die eigenen DVDs aufnehmen. Und für die Schweizer Comedyszene ist Winterthur längst zum Fixpunkt geworden. Viktor Giacobbo spricht von einem starken Werbeträger für die Stadt. «Und das ohne Subventionen!»

Jetzt ist der Satiriker ganz der PR-Fachmann im Dienste seiner Aktiengesellschaft. Er steht nicht nur mit seinem Namen fürs Casinotheater, sondern auch mit seinem Geld. Er habe, sagt Giacobbo, einen grossen Teil seines Vermögens reingesteckt. Warum? «Ich investiere lieber in Ideen, als mein Geld auf der Bank zu horten.»

So ist er auch verfahren bei der Finanzierung seines Dokumentarfilms «Der Grosse Kanton», der in diesem Sommer in den Kinos erfolgreich gelaufen ist. Alles passierte in Eigenregie. So hat er sich künstlerische Unabhängigkeit bewahren können. Festzurren lässt er sich eben nicht gerne. Diese Freiheit wird er sich bewahren wollen: bei einem weiteren geplanten Kinoprojekt, bei der quotenstarken TV-Sendung, die er allsonntäglich weitgehend autonom mit Mike Müller durchboxt. Fix bleibt auch sein Wohnort. Wegziehen aus Winterthur komme für ihn nicht infrage. Die Stadt ist sein Ausgangspunkt, um in Bewegung zu bleiben. «Und das darf man ja vielleicht auch mal sagen: Winti ist mittlerweile auch sexy. Ein bisschen zumindest.»

MEIN WINTERTHUR:

Ristorante Sottovoce
Capo Michele war früher bei uns im Restaurant des Casinotheaters Chef de Service. Jetzt führt er zusammen mit seiner Frau dieses kleine italienische Restaurant hinter dem Bahnhof. Es ist nicht etepetete, eher deftig und hat eine einfache, übersichtliche und gute Karte. Wenn ich bei Michele esse, nehme ich meist die herr­lichen Mistkratzerli, nicht gerade typisch italienisch. Wartstr. 24. www.ristorantesottovoce.ch

Vollenweider
Unsere Traditionskonditorei hat die besseren Luxemburgerli, wie ich finde. Beim Vollenweider mitten in der Altstadt ?heissen diese süssen kleinen Dinger aber Macarons. Seit kurzem können sich ja auch die Stadtzürcher davon überzeugen. Der Vollenweider hat beim Opernhaus einen neuen Standort. Meine absoluten Lieblinge sind die Zitronen­törtchen. Kollege Mike Müller mags –natürlich! – etwas grösser: die Giraffentorte mit Schokoladenstückchen. Marktgasse 17. Standort Zürich: Theaterstr. 1 www.vollenweiderchocolatier.ch

Portier
Ich muss gestehen: Ich war noch nie an einem Konzert in dieser kleinen Bar auf dem Sulzerareal. Ich habs einfach noch nie geschafft, hinzugehen. Dabei schaue ich jeden Monat das Programm an und weiss, dass mich ganz viele Bands, die dort spielen, interessieren. Das Portier tüpft voll meinen Musikgeschmack. So Indierock- und Singer-Songwriter-Sachen. Lagerplatz 3 www.lagerplatz.ch/portier

Museum Oskar Reinhart
Wir haben ja im Casinotheater regelmässig Künstler aus Deutschland. Wenn ich denen sage, dass Friedrichs «Kreidefelsen auf Rügen» bei uns in Winterthur hängt, staunen die nicht schlecht. Dieses Bild ist ja so etwas wie das Nationalbild von Deutschland. Ein Besuch im Museum Oskar Reinhart lohnt sich aber auch sonst, Meister wie Hodler oder Anker gibts in diesem schönen Haus zu sehen. Stadthausstr. 6 www.museumoskarreinhart.ch

Eschenberg
Pro Woche gehe ich in der Regel mehrmals mit meinem Mountainbike auf Tour, meist gehts auf den nahen Eschenberg, am Wildpark Bruderhaus vorbei, dann runter zur Töss, wo der Sauhund wartet. Ich nenne die giftige Steigung ?hinauf zur Kyburg so, weil na ja?.?.?.?weil man da vor lauter Anstrengung ins Fluchen kommt. Der Vorteil: Ich kann ?meinen regelmässigen Weggefährten Domenico Blass dort demütigen und mit einem Antritt stehen lassen. Möglichkeit zur Rast: Restaurant Eschenberg. www.restaurant-eschenberg.ch

Markthalle Trivisano
An der Shoppingmeile Marktgasse ist der Trivisano einer der letzten echten Lebensmittelläden, die sich gegen die grossen cheapen Modeketten behaupten können. Ich gehe aus dieser italienischen Markthalle nie ohne Dolci raus. Da ich ein passionierter Kaffeetrinker bin und zu Hause eine Maschine im Industriedesign habe, weiss ich, dass sie dort auch den exquisiten Ferrari-Kafi aus Dietikon im Sortiment führen. Marktgasse 25 www.markthalle-winterthur.ch

2017