Viktor Giacobbo

, 30. Dezember 2007, von Peter Rothenbühler

Lieber Viktor Giacobbo, lieber Lorenz Keiser

Mailbox

Ihr könnt doch nicht einfach aufhören. Jetzt, wo ich fast herausgefunden habe, in welchem Rhythmus ihr beiden für den «Tages-Anzeiger» schreibt. Es war jedenfalls nicht so streng, dass ihr euch wegen Überlastung ausklinken müsst. Ihr müsst wissen, dass ich jede eurer Kolumnen aufgesogen habe wie Honig. Und blöd vor mich hingelacht habe im Café. Vor einem Text, in einer Schweizer Zeitung! Jedes Mal ein Ereignis. Wann liest man heute schon etwas Lustiges in der Zeitung – ausser am Sonntag? Die meisten Kolumnisten meinen es ja todernst, wollen alle nur die Anständigkeit in der Politik, den Proporz oder die EU retten. Ihr habt einfach auf alles geschossen, was sich bewegt. Wunderbar.

Warum hört ihr auf? Ihr schiebt andere Verpflichtun- gen vor. Eure Bühnen- und TV-Projekte gehen mich als Zeitungsleser doch gar nichts an. Wollt ihr mich ins Theater zwingen? Oder zum TV-Gucker machen? Hat euch wenigstens Peter Hartmeier ein höheres Honorar verweigert? Das wäre für mich die einzig akzeptable Rechtfertigung für Fahnenflucht. Oder seid ihr einfach zu faul? Am traurigsten finde ich, dass die Leser nicht massenhaft protestieren.Vermutlich hat wieder mal kein Schwein erkannt, was sich da abspielt: nichts weniger als eine freiwillige Niederlage der Print-Satire gegenüber den elektronischen Medien. Zwei der genialsten Schreiber schützen Arbeit fürs Fernsehen und die Bühne vor, um sich aus der Zeitung zu verabschieden. Das bedeutet doch letztlich, dass man immer noch denkt, dass Unterhaltung in der Zeitung nur eine Insel zu sein hat. Eine temporäre dazu. Und dass man alle Stars pensionieren sollte, sobald man sich an sie gewöhnt hat. Typisch Schweiz.

Auch eure fast bundesrätliche Art des Abschieds: koordinier- ter Rücktritt zu zweit. Als ob ihr zusammengehörtet. Und dieses Doppelinterview am Freitag! Peinlich: Zwei Satiriker philosophieren über Satire und was sie dürfen darf. Rückzug zweier Humoristen auf die Metaebene sozusagen. Aber vielleicht habt ihr ja einfach vor der Realität kapituliert. Die überholt ja geschriebene Satire fast täglich: Habt ihr schon gehört, wie teuer dieses Neujahr Hummer und Jahrgang-Champagner in St. Moritz sind? Und wer alles kommt, um ihn zu geniessen? Ich läse gerne, was euch dazu einfiele.Mit freundlichen Grüssen Peter Rothenbühler

Peter Rothenbühler ist Chefredaktor von «Le Matin»

2017