Viktor Giacobbo

Cineman, 7. Mai 2013, von Rolf Breiner

Kleine Schweiz ganz gross

Viktor Giacobbo rückt dem nördlichen Nachbarn zu Leibe. Er will auf seine spöttisch-spitzbübische Art die schweizerisch-deutschen Probleme lösen und schlägt vor, Deutschland solle sich der Schweiz anschliessen. Ein Mockumentary mit Pfiff und Biss.

Da stiefelt einer mit der wieder aufgeblühten SVP-Politikerin Natalie Rickli an der deutsch-schweizerischen Grenze entlang und schwadroniert über die kecke Idee, Deutschland als 27. Kanton in die Eidgenossenschaft aufzunehmen. Die Politikerin scheint eher skeptisch, während Literaturkennerin Elke Heidenreich den Gedanken genüsslich weiterspinnt und Fernsehchef Roger de Weck durchaus TV-Vorzüge sieht. Ex-UBS-Chef Oswald Grübel grübelt über die Erledigung des Bankgeheimnisses und Steuerfluchten nach, die dann ja hinfällig wären.

Ex-Aussenminister Joschka Fischer und Linken-Promi Gregor Gysi erkennen staatspolitische Vorteile. Germanist Peter von Matt zitiert Historisches und Ständeratspräsident Filippo Lombardi spekuliert gar mit einer Einverleibung der Lombardei, wie sie eben nach der verlorenen Schlacht 1515 von Marinagno nicht zustande gekommen war. Im April dieses Jahres wurde übrigens – unabhängig von Giacobbos satirischem Streifzug – in Norditalien eine Petition lanciert, die Lombardei zum 27. Schweizer Kanton zu machen. 20’000 Personen sollen diese satirische Provokation unterschrieben haben.

Was wäre, wenn? Giacobbo treibt ein beliebtes Spiel auf die Spitze. Wäre man nicht auf einen Schlag einen Haufen Probleme los – Fluglärm, Steuerflucht, Kavallerie-Bedrohung oder Einkaufstourismus? Und Deutschland hätte endlich wieder einen Top-Tennisspieler, die Schweiz dafür die EU-Mitgliedschaft und europäische Stärke. Giacobbos Provokation gipfelt schliesslich in der Krönung des Brandenburger Tores durch die Freiheitshelden Wilhelm und Walter. Mit einem Schlag wäre die kleine Schweiz ganz gross!

Erstaunlich, wie alle Befragten sich scheinbar ernsthaft mit der ironisch-provokanten These eines deutschen «Anschluss» auseinander setzen. Kaum einer verzieht die Miene, alle spielten brav mit. Übrigens auch ein gewisser Bauer, der als Nachkomme der Habsburger vorgestellt wurde. Da hatte sich der Satiriker einen Scherz erlaubt und unter seine illustren Gesprächspartner eine fiktive Figur (Michael Finger) gemischt. Das Mockumentary bietet bietet nicht nur Auftritte von Mike Müller und andere aberwitzigen Episoden, wenn etwa vermeintliche Boatpeople im Bodensee sich als «Swim-People» entpuppen,sondern auch witzige musikalische Untermalung. Das beginnt mit einem Auftritt von Roman Kilchperger und Heino und hört bei Hazy Osterwald oder Stiller Has noch längst nicht auf.

2017