Viktor Giacobbo

, 29. August 2015, von Helmut Dworschak

Keine Frage des Niveaus

Was macht gute Boulevardkomödien aus? Ein Gespräch mit dem Satiriker Viktor Giacobbo, der in der ­Komödie «Alonso» des Casinotheaters Regie führt.

In der Komödie «Alonso», die am Donnerstag im Casinotheater Premiere feiert, geht es um zwei Paare und Untreue. Und um einen Hund, der Betrug und Unwahrheit wittert. Was reizt Sie an diesem Thema?

Viktor Giacobbo: Es ist eine Boulevardkomödie, zwei der Part- ner gehen diagonal miteinander fremd. Der Haushalt, in dem sich das abspielt, ist bieder. Die Ehefrau ist etwas ratlos, weil der Sohn gerade von zu Hause ausgezogen ist. Diese Frau hat mit dem Mann ihrer besten Freundin ein Verhältnis, und zwar seit Jahren. Nun besitzt ihre vermeintlich beste Freundin eine Tierhandlung und schenkt ihr dann, weil sie ja wieder eine Aufgabe braucht, einen Hund. Das ist ein mexikanischer Nackthund, ein Xoloitzcuintle.

Den gibt es also wirklich?

Den gibt es. Es handelt sich um eine mit Mythen beladene Rasse, die jahrhunderte- oder sogar jahrtausendealt ist und mit den Azteken in Verbindung gebracht wird. Der Nackthund hat eine ledrige Haut und keine Haare. Mit der Zeit merkt das beschenkte Paar, dass der Hund auf die Bewohner unterschiedlich reagiert. Und die beiden, die betrügen, finden heraus, dass der Hund immer dann angibt, wenn sie lügen oder sich berühren. Die Freundschaft und mindestens eine Ehe gehen dabei zu Bruch. Das Ganze endet explosiv und mit einer Überraschung.

Braucht es bei Seitensprüngen Wahrheit?

Ich weiss nicht, ob es das braucht, ich weiss nur, dass Betrug und So-tun-als-ob eine gute Grundlage für Komik sind. Die Handlung ist im Alltag angesiedelt, andererseits kommt dieser exotische Hund vor. Dieser Mix gefällt mir, trotz der im Grunde genommen sehr biederen Anlage. Aber die Rollen sind ein gefundenes Fressen für gute Schauspieler. Von Stefan Vögel stammte bereits «Achtung Schwiiz», das Erfolgsstück vom letzten Jahr. Er ist selbst Kabarettist und zurzeit einer der erfolgreichsten Autoren von Boulevardkomödien.

Und über ihn sind Sie auf das neue Stück gekommen.

Ja, er selbst meinte, sein neues Stück sei sein interessantestes. Daraufhin haben wir es gelesen, nebst anderen Stücken, und gefunden, dass es passt. Für unsere Eigenproduktion brauchen wir jeweils ein Mainstream-Stück, bei dem man das Hirn nicht abschalten muss. Mit einem Wort, eine intelligente Boulevardko­mödie.

Wer wählt die Stücke aus?

Wir haben eine Stückauswahlgruppe mit Mike Müller, Patrick Frey, Domenico Blass und ein paar weiteren, wenn sie Zeit haben. Und dem künstlerischen Leiter Nik Leuenberger natürlich.

Der Seitensprung und die Frage, ob und wie er auffliegt, ist das Kernthema des Boulevardtheaters. Was macht eine gute Boulevardkomödie aus?

Sie ist dann gut, wenn man sie nicht boulevardesk spielt. Das heisst, die Schauspieler treten nicht an die Rampe und werfen die Pointen fast mit einem Zwinkern ins Publikum. Selbst relativ bescheidene Boulevardkomödien lassen sich so inszenieren, dass sie glaubwürdig wirken. Natürlich gibt es in «Alonso» Pointen. Aber streckenweise wird das Stück zum reinen Drama.

Auf Ihrer Bücherliste, die Sie auf Ihrer Website veröffent­lichen, finden sich so intellektuelle Autoren wie Marlene Streeruwitz und Thomas Pynchon. Gehen Sie mit dem Boulevard nicht unter Ihr Niveau?

Nein, denn in meiner Kunst gibt es den Begriff Niveau eigentlich nicht, ich bevorzuge den Begriff des Genre. In Niveauunterschieden wird vor allem in Mitteleuropa gedacht, Deutschland und die Schweiz sind besonders gefährdet, hier sind E-Kunst und U-Kunst streng getrennt. Die Angelsachsen machen das viel eleganter. Ein Filmregisseur wie Martin Scorsese ist sich nicht zu schade, auch mal einen Werbefilm zu ­machen. Selbst die berühmtesten Schauspieler machen ab und zu am Broadway in einer ruppigen Komödie mit. Robert Gernhardt hat es auf den Punkt gebracht, es ist eines meiner Lieblingszitate: «Es gibt so wenig niveauvolle Komik, wie es einen niveauvollen Orgasmus gibt.»

Man muss den Punkt finden, an dem es funktioniert.

Ja. Schliesslich mache ich Unterhaltung. Gut, Satire hat immer ein wenig mit Niveau zu tun, wenn man das Wort verwenden will. Aber wenn ich Komik mache, lese ich zum Beispiel selten komische Bücher.

Nach welchen Kriterien lesen Sie Ihre Bücher aus?

Da gibt es keine Kriterien. Es gibt Autoren wie Ian McEwan, von denen ich jedes Buch lese. Von anderen, deren Namen man oft hört, nimmt es mich dann einmal wunder, wie sie schreiben. So kam ich auf Hilary Mantel, von der lese ich seither auch alles. Die Literatur liegt mir auch deshalb am Herzen, weil ich beim Zürcher Verlag Kein & Aber im Verwaltungsrat bin.

Sie waren früher einmal Korrektor beim «Landboten». Wie kamen Sie zum Theater?

Ich hatte Schriftsetzer gelernt, und vor einer grossen Reise jobbte ich beim «Landboten» und setzte die Todesanzeigen. Später ar­bei­te­te ich hier auch als Korrektor. Ich hatte die Sprache immer gern. Zur Satire und zum Kabarett wollte ich von Anfang an, ich machte bereits Schulaufführungen und imitierte meine Lehrer. Ich wusste aber, dass ich eine Lehre machen musste, um später das machen zu können, was ich wollte. Zuerst dachte ich an eine Schauspielschule, merkte aber bald, dass das klassische Theater nicht mein Ding war. Ich wollte selber Texte schreiben, was ich dann mit verschiedenen Gruppen auch tat, von amateurhaften bis zu professionellen. So etwa bei den Stuzzicadenti. Wir machten Rock-Kabarett, wenn man so will.

Kommt es vor, dass Ihnen ­langweilig ist?

Nein, das kenne ich nicht. Es gibt gute Zeiten, wenn ich nichts zu tun habe, zum Beispiel wenn ich auf Reisen bin. Ich kann sehr gut faul sein und ausspannen. Das hat aber nichts mit Langeweile zu tun.

2017