Viktor Giacobbo

, 10. November 2016, von Roland Falk

«Ich sage das, was ich WILL UND MEINE»

Er hat die Satire ins Schweizer Fernsehen gebracht und jahrelang gepflegt. Jetzt geht es auf zu neuen Ufern. VIKTOR GIACOBBO über seine Pläne, das Schweizer Fernsehen und seine angebliche Harmoniesucht.

Viktor Giacobbo, Ihr Vorname bedeutet im Lateinischen «Sieger». Fühlen Sie sich als solcher?

Kaum. Ich bin eher ein Macher. Würde ich meinen Vornamen wörtlich nehmen, wäre ich Donald Trump. Ich bin kein Mann der Superlative.

Sie sind seit 25 Jahren beim Schweizer Fernsehen zu sehen und dabei nie einer Quotenschere zum Opfer gefallen.

Ich hatte eben das Glück, dass ich immer ein gutes Team hatte. Ganz allein wäre mir das vermutlich nicht gelungen.

Das gehört zu den Aussagen, die kreative Prominente heutzutage offenbar ganz zwingend machen müssen.

Bei mir passt sie. Fernsehen kann man nun mal nicht als Einzelmaske machen. Zudem sage ich nie etwas, was man grundsätzlich müsste. Sondern immer das, was ich will und meine.

Am 11. Dezember ist Schluss für «Giacobbo/Müller», die Frechdachsereien, die Sie sonntäglich mit Mike Müller aushecken. Steht das Careteam für Zuschauer mit Entzugserscheinungen schon bereit?

Keine Ahnung, wie viele heulend den Fernseher zum Fenster rausschmeissen werden. Aber einige lassen uns wissen, das Ende nach neun Jahren habe Stil. Mike Müller und ich haben schon am Anfang unserer Zusammenarbeit beschlossen, aufzuhören, wenn die grosse Lust langsam nachlässt. Ende Jahr kommt jetzt für beide der stimmige Zeitpunkt.

Markieren Sie in Ihrer Agenda jeden noch verbleibenden Sendetermin mit Trauerschwarz?

Keineswegs. Wir arbeiten so gelassen wie bisher weiter. Und ohne jede Wehmut, denn die ist nicht mein Ding. Es wird auch keine grosse Abschiedssause zu sehen sein auf dem Bildschirm. Wir hören mit einer normalen Sendung auf. Es gibt nichts Peinlicheres als TV-Leute, die sich öffentlich selber abfeiern. Viele machen einen pompösen Abgang und wollen dann schon nach drei Monaten wieder ihren Kopf zeigen. Ich nicht.

Die «NZZ am Sonntag» meinte unlängst, die Pointen der Sendung seien etwas stumpf geworden.

Die Leute dort haben recht. Ich muss früher unglaublich gut gewesen sein! Vermutlich seit meiner zweiten TV-Sendung 1990 schreiben Kritiker: «Er war früher besser», aber – das erleben alle Komiker. Mike Müller und ich machen ein Programm für Leute, die nicht ganz die Dümmsten sind, und es ist nur logisch, dass wir für die mal besser, mal mieser sind. Was solls?

Der Kabarettist Patrick Frey sagte einmal, Sie hätten ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis.

Das ist seine Ansicht, die hat er mir gegenüber auch schon geäussert. Doch ich teile sie nicht. Ich streite sehr gerne, finde mich zum Schluss der Gespräche aber immer wieder mit meinen verbalen Duellpartnern. Das ist für mich politische Kultur. Bei meinem Freund Patrick ist es umgekehrt, er ist von ausgesuchter Höflichkeit und endet dann im Jähzorn.

In der Promi-Sendung «Glanz & Gloria» mäkelten Sie kürzlich, es sei schade, dass der Sonntagabend Kurt Aeschbacher überlassen werde und nicht länger ein Feld für Wagnisse bleibe.

Das ist nach wie vor meine Haltung. Unser Termin ist eine Marke, die wir etabliert haben und an dem man Komik und/ oder Satire erwartet, und jetzt fällt das plötzlich weg. Das ist kein Vorwurf an Aeschbi, sondern einer an das SRF. Man hätte dort einen frechen, frischen Entertainer wie zum Beispiel Dominic Deville ins kalte Wasser schubsen sollen. So, wie sie das vor 25 Jahren mit mir gemacht haben.

Wann kommt Ihre Bewerbung als Programmchef?

Um Gottes willen, diesen Job möchte ich nie im Leben. Ich würde kein Bewerbungsverfahren überstehen.

Hat man es Ihnen übel genommen, dass Sie in eine Hand bissen, die Sie füttert?

Mike Müller und ich haben niemandem in die Hand gebissen – höchstens einen aufmunternden Tritt in den Hintern gegeben. Wir konnten ja immer sagen und machen, was wir wollten, auch gegenüber dem eigenen Unternehmen. Wir bekamen Freiheit, wie sie kein anderes Medienhaus in der Schweiz zwei Satirikern gewährt – und dafür lieferten wir Quote und auch ein bisschen Prestige. Win-win nennt man das doch, oder?

Der plakative Müslüm, der schrille Dominic Deville, der eher bedächtige Michel Gammenthaler – sind das valable Nachfolger des Gespanns «Giacobbo/Müller»?

Bestimmt. Und es gäbe noch etliche mehr. Michael Elsener etwa, Hazel Brugger oder Fabian Unteregger. Liesse man die machen, käme bestimmt was Fetziges heraus dabei. Allerdings darf sich die Hierarchie nicht einmischen – die ist dazu da, die Rahmenbedingungen für die Kreativen zu sichern. Bei Mike und mir hat niemand reingeredet. Darum hat «Giacobbo/Müller» funktioniert.

Mut in Sachen Humor scheint beim Schweizer Fernsehen keine Kardinalstugend zu sein.

Ist Mut denn eine Kardinalstugend der andern grossen Pressehäuser? Die sind doch ziemlich unbehelligt von solchen Fragen. Nur gegenüber dem SRF glaubt jeder im Volk, einen Massstab zu kennen, der dringend angewendet werden müsste.Die Leute dort machen meiner Meinung nach sehr viel Tolles. Ich bin allerdings keiner, der die einzelnen Sendungen gut kennt. Ich gucke wenig Fernsehen und wenn, dann zeitversetzt. Die einzigen klassischen Printmedien, die ich abonniert habe, sind der «New Yorker» und das gepflegt gemachte «Transhelvetica». Die vielen übrigen Titel habe ich digital abonniert.

Mike Müller kredenzt Ihnen regelmässig einen Espresso in der Sendung. Haben Sie beide schon mal kalten Kaffee aufgetischt?

Sicher haben wir das. Wir haben jeden Fehler gemacht, den man machen kann. Aber auch machen dürfen soll. Es gibt keinen einzigen Künstler, der noch nie einen Flop geliefert hat. Aber enorm viele, die aus ihren Fehlleistungen gelernt haben.

Die Kirche, die SVP und neuerdings Gölä werden von euch am meisten bezündelt. Wertet man nicht auf, was man ständig angreift?

Das könnte man allen Medien vorwerfen. Wer am meisten Präsenz zeigt als Partei, Organisation oder Prominenter, ist halt einfach gesetzt als Thema. Um vieles und viele kommt man schlicht nicht rum. Auch wenn wir das oft möchten.

Gibt es satirische Grenzen, die noch ungesprengt sind?

Vermutlich schon. Die interessieren mich aber nicht. Ich wollte immer nur gute Unterhaltung machen und nie etwas in die Luft jagen.

Ist die Realpolitik nicht allmählich die einzig fulminante Satire?

Das war sie schon immer. Und TV-Zuschauer, die mit Humor behaftet sind, warten sicher nicht eine Woche lang auf Müller und mich, um etwas lustig zu finden. Die machen sich im Alltag ihre eigenen Sprüche auf alles.

Wie oft wurden Sie und Mike Müller TV-intern oder von moralischen Grenzwächtern gerüffelt?

Von aussen kamen einige Breitseiten, meistens von den üblichen Sofortbeleidigten oder Berufsmoralisten. Und intern gibt es Diskussionen, aber niemand macht uns Druck oder Vorschriften. Beides hätten wir nie akzeptiert.

Müller sagte einst, Sie würden mit dem erstbesten Tram abhauen, wenn Ihnen ein Chef quer käme. Wie oft hatten Sie das Billettmünz schon in der Hand?

Nie. Und zudem hätte ich nie das Tram genommen. Ein bisschen mehr Komfort muss sein.

Sie wären mit dem Rolls-Royce abgehauen. Oder ist kreatives Lästern am TV zu wenig lukrativ dafür?

Ich habe einen hundskommunen PW, mit dem ich allerdings vollelektrisch an meinen Arbeitsplatz Leutschenbach fahren kann. Und gemessen an Gagen in andern Ländern haben Müller und ich nicht mal den Hauch von Stargehältern.

Hofnarr des Schweizer Monopolsenders – ist das ein legitimes Etikett für Sie?

Es ist ein antiquierter Begriff. Ich bin Komiker, basta. Für wen, gegen wen, mit wem – das ist völlig unbedeutend. Meine Prädikate habe ich sowieso lieber andern überlassen. Jetzt zum Beispiel Ihnen.

Unverzichtbar fühlen Sie sich auch nicht?

Ach wo. Nie. Ich habe eine gewisse Bekanntheit, aber die ist auch nicht nur angenehm. Ich würde gerne wieder mal einkaufen gehen, ohne beim Anstehen an der Kasse in Konversationen über meine Arbeit verwickelt zu werden.

Hat das Zürcher Arbeitsamt schon zusätzliches Personal aufgeboten, um Harry Hasler, Debbie Mötteli und all Ihre andern Alter Egos zu platzieren?

Die sind allesamt schwer vermittelbar und werden darum als Gespenster in einem Kleiderschrank zwischengelagert. Und bei Bedarf werde ich sie reanimieren.

Was haben Sie mit den schrägen Gestalten ausgelebt, die zu Kultfiguren wurden?

Das fragt mich fast jeder Küchenpsychologe. Aber sie haben null und nichts mit mir als Person zu tun. Auch wenn ich gerne die Mötteli gebe, trage ich zu Hause keine Frauenunterwäsche. Zumindest hat mir das noch niemand nachweisen können.

Wissen Sie noch, was Sie als Knirps werden wollten?

Hotelconcierge. Ein gut angezogener Herr, der altmodisch dekorativ herumsteht und sich wichtig gibt. Diese Theatralik gefiel mir. So was mache ich heute als Verwaltungsratspräsident im Casinotheater in Winterthur. Man kann das auch Grüssaugust nennen.

Am 6. Februar des kommenden Jahres werden Sie 65. Eigentlich könnten Sie ab dann Rosen züchten oder Tauben füttern.

Die armen Tiere! Ich glaube nicht, dass ich auf so was verfallen werde. Momentan plane ich zwei Filme und mindestens eine Bühnenproduktion mit Mike Müller. Sämtliche Projekte sind aber noch zu unreif, um damit bereits hausieren zu können. Ich habe meine Karriere nie gross geplant. Alles, was ich tue, hat mich quasi angesprungen.

Sie bemänteln Ihre Pläne, als könnten sie Ihnen geklaut werden. Was macht Sie zum Geheimniskrämer?

Nichts. Ich rede ganz einfach ungern über ungelegte Eier. Danke übrigens, dass Sie mich nicht nach dem Zivilstand fragen.

Wie ist Ihr Zivilstand?

Weiterhin ungeklärt.

Jetzt noch eine Frage, auf die garantiert ein Nein kommt: Sind Sie eitel?

Ja. Jeder, der ein Publikum will, ist das. Und jeder, der das bestreitet, lügt sich was in die Tasche.

Giacobbo live erleben

Der Komiker tritt am 15. Dezember 2016 um 17.30 Uhr mit einer «Freestyle-Talkshow» am Arosa Humor-Festival auf. www.humorfestival.ch

2017