Viktor Giacobbo

, 10. Mai 2013, von Reto Vogt

Grenzenloses Vergnügen

Viktor Giacobbo will die Steuerstreitigkeiten und Fluglärmdiskussionen mit Deutschland beenden, indem er den nördlichen Nachbarn in seinem Film «Der grosse Kanton» kurzerhand einverleibt. Eine gute Idee, findet «Screensavers»-Autor Reto Vogt.

Wenn zwei sich streiten… mach einen draus! Eine ziemlich simple Lösung für ziemlich grosse Probleme, mit denen sich derzeit die Verantwortlichen in Bern und Berlin herumschlagen müssen. Der Vorschlag kommt von Viktor Giacobbo – realisiert in seinem satirischen Dokumentarfilm «Der grosse Kanton». Das Konzept lässt sich im Trailer gut nachvollziehen: Giacobbo lässt mehrheitlich deutsche und Schweizer Politiker zu Wort kommen und das grenzenlose Zusammenleben kommentieren. Auf zwei Minuten zusammengeschnippelt durchaus amüsant, aber hält das Konzept knapp anderthalb Stunden Spieldauer stand?

Ich finde: Aber unbedingt! Der Film hat über seine gesamte Spieldauer keinen Hänger. «Der grosse Kanton» unterhält und informiert. Wie Giacobbo SVP-Nationalrätin Natalie Rickli zum Beispiel fünf Meter ennet der Schweizer Grenze nach ihrer Gefühlslage fragt, ist einfach nur herrlich. Auch andere Politiker wie Christian Levrat oder Philipp Müller, sonst nicht gerade für ihren Humor bekannt, kommen sympathisch und witzig rüber, wenn sie über eine Integration Deutschlands sinnieren. Ebenso ihre nördlichen Counterparts Gregor Gysi, Cem Özdemir oder Joschka Fischer. Letzterer allerdings warnt die Schweiz vor dem Schritt. Aber nur wegen den Bayern…

Der Freistaat wird im Film vom Kabarettisten Gerhard Polt repräsentiert. Giacobbo spaziert mit ihm auf der Suche nach geschichtsträchtigen Orten von König Ludwig dem Bayer durch die Landeshauptstadt München. Immer wieder gelingt es Giacobbo, historische Fakten amüsant in den Film einzubauen. Sei es im Gespräch mit einem Italiener in Melegnano oder dem angeblich letzten Habsburger im Aargau, einem mistschaufelnden Bauern. Dieser allerdings ist nicht echt, sondern wird vom Schauspieler Michael Finger gespielt. Genau so wie der Berlin-Auswanderer Frank A. Meyer auf einen Auftritt verzichtet und stattdessen von Mike Müller gemimt wird.

Leider, muss man sagen. Der Film verliert just in den Momenten an Reiz, wo Giacobbo Dr. Klöti und Adolf Hitler spielt oder die erwähnten Schauspieler auftreten. Das liegt gewiss nicht an deren Talent oder Engagement. Die Einspieler passen einfach nicht ins Konzept. «Der grosse Kanton» lebt von den Auftritten ohne Drehbuch. Zum Beispiel wenn das Filmteam bei einer Strassenumfrage in der ehemaligen «Schweizer Kolonie» Rottweil zufällig den örtlichen Nachtwächter trifft und dieser die gesamte Crew in seine Privatwohnung auf einen Schnaps einlädt, oder wenn der Nidwaldner Germanist Peter von Matt Giacobbos Idee mit feiner Ironie kommentiert: «I chönnt mer scho vorschtelle, dass öpper drgägä wäri.»

Tatsächlich. Nicht alle finden eine transparente Glaskuppel auf dem Bundeshaus, Wilhelm Tell auf dem Brandenburger Tor oder die Kantone «Prolothurn» und «Tütschino» eine gute Idee. Ich schon! Nur so könnten wir Schweizer schliesslich behaupten, leckeres Bier zu brauen und guten Fussball zu spielen. Lassen Sie sich ebenfalls überzeugen und sehen Sie sich Giacobbos neusten Film an. Es lohnt sich.

2017