Viktor Giacobbo

, 2. September 2005, von Daniele Muscionico

Felix (in) Winterthur – Ein Theater schenkt der Stadt ein seltsames Paar

Die neuste Eigenproduktion des Casinotheaters ist eine gerissene Sache: VR- Präsident Viktor Giacobbo hat die amerikanische Filmkomödie «The odd couple» («Ein seltsames Paar») auf Schweizer Verhältnisse übertragen und Talente um sich geschart, die den Abend zu einem Höhepunkt in der Geschichte dieser Bühne machen.

 

Lachen mit Walter Matthau war schön, lachen mit Mike Müller ist schöner. Weil mit Erkenntnis verbunden. Vergessen ist alles, was wir bisher im Videogeschäft unter «Autor: Neil Simon; Titel: «The odd couple; Cast: Walter Matthau (Oskar), Jack Lemmon (Felix) u. a.» ausliehen, um Männer zu verstehen – in Winterthur steht eine Beziehungskrise auf der Bühne, die unsere relativiert.

Das Erfolgsrezept dieses Abends ist so einfach wie raffiniert. Man nehme eine Komödie, die Filmgeschichte schrieb, gewinne für die Hauptrollen zwei der landesweit beliebtesten Komiker (Mike Müller und Viktor Giacobbo) und besetze die Nebenrollen ebenso gefühlvoll mit Publikumslieblingen mit dem Profil einer Katharina von Bock, eines Peter Fischli oder Marcus Fritsche. Dann gebe man das Ganze in die Hände und den szenischen Ofen eines erfahrenen Regisseurs mit dem Talent, aus unterschiedlichsten Schauspielerpersönlichkeiten das Beste zu filetieren – und fertig ist: «Ein seltsames Paar», inszeniert von Stefan Huber, die Geschichte des Niederganges einer Pokerrunde, eines Männerhaushaltes und der Freundschaft eines gefühlvollen Neurotikers (Giacobbo: Felix, ein Nachrichtenredaktor) mit einem liebenswerten Ekel (Müller: Oskar, ein Sportreporter).

Und fertig ist? Nein, hier beginnt es erst. Entscheidend sind zwei Punkte. Der erste mag im Grunde zweitrangig sein, doch beteiligt am Erfolg ist auch sie, die Adaption amerikanischer Grossstadtverhältnisse in den sechziger Jahren auf städtische Zürcher Verhältnisse von heute. Viktor Giacobbo hat, vielleicht nicht immer unaufdringlich, die New Yorker Chiffren eines Junggesellenlebens nach Zürich West transponiert (in ein weisses Loft von Christoph Schubiger) und spielt mit Bezügen zu Zeit und Ort. Die Dialektübertragung setzt auf Figuren heutigen Zuschnittes – die, let’s say: einen Lifestyle verkörpern -, und das ist nicht nur eine Extravaganz. Auf der Bühne stehen die Archetypen zweier Lebensmuster, wie man sie von Gault- Millau lernt oder aber in therapeutischen Selbsthilfegruppen trifft: der verrauchte, verschwitzte, versoffene Oskar contra den bis zur Zahnlosigkeit gezähmten neuen Mann in der Figur des Putz- und Jammerlappens Felix.

Sie beide spielen dem zweiten Punkt des Erfolgs in die Hand und verantworten, dass die Komödie in ihren besten Momenten nicht in Klamauk, sondern in eine Tragödie kippt. Mike Müller und Viktor Giacobbo haben sich entschieden, jenseits von Jack Lemmon und Walter Matthau ihren eigenen, ambivalenten Charakter zu finden. Giacobbo gibt seinem vermeintlichen Opferlamm Felix das Bewusstsein über seine Macht und eine Boshaftigkeit mit, die ihn lebensecht macht. Und Müller, ja Mike Müller entdeckt uns im vermeintlichen Misanthropen Oskar eine Vielschichtigkeit, wie man sie in dieser Generation Schweizer Bühnendarsteller selten sieht. Lachen mit Matthau war grossartig, lachen mit Müller ist besser. Weil wir vom Dilemma des modernen Mannes selten so viel verstehen wie hier auf einer Bühne.

Winterthur, Casinotheater, 1. September bis 1. Oktober.

2017