Viktor Giacobbo

, 31. März 2006, von Beda Hanimann

Ein Vertrauter aus dem Alltag in der Manege

Viktor Giacobbo ist als Fredi Hinz der Gastkomiker im diesjährigen Circus-Knie-Programm. Damit steht er in einer Reihe prominenter Clowns, Künstler und Kabarettisten – und repräsentiert doch einen neuen Typ Zirkuskomiker: Ein Fernsehstar im Sägemehl.

Wir haben nach der Nachmittagsvorstellung in Wetzikon abgemacht, der Tournee-Station vor St. Gallen. Sieben Mal hat Viktor Giacobbo nach der Vorbereitungs- und Einstudierungsphase den Ernstfall in der Manege inzwischen erlebt. Sechs oder sieben, er weiss es schon nicht mehr genau. Mehr als 200 Vorstellungen werden noch folgen. Giacobbo bestellt sich am Zirkus-Buffet einen Hotdog und einen Orangenjus. «Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu ungesund esse», sagt er mit Blick auf seine Bestellung. Aber sonst mache es immer noch Spass im Zirkus. In seinem Wagen gebe es alles, was es brauche, Dusche, WC, ein breites Bett, nicht etwa nur eine einfache Pritsche. Die Espressomaschine, die ihm den nötigen Betriebsstoff liefert, wie er sagt, hat er selber beigesteuert.

Doch bevor er noch von seinen ersten Erfahrungen berichten und einen herzhaften Biss in den Hotdog nehmen kann, stehen schon ein paar Kinder da, die um ein Autogramm bitten. «Kennst du ihn, das ist der Mann aus der Vorstellung, und jener zweite Mann, und die Frau», sagt eine Mutter zu ihrem Kleinen. Es gibt keinen Zweifel: Man kennt ihn, Viktor Giacobbo, und man kennt die Figuren, die er als Gastkomiker im diesjährigen Knie-Programm gibt: Debbie Mötteli, den Inder Rajiv, vor allem aber Fredi Hinz.

Der Mann fürs Komische

Als Gastkomiker steht der 54-jährige Satiriker und Filmemacher in einer prominenten Reihe von Knie-Mitarbeitern auf Zeit. 1970 war schon Dimitri dabei, später Emil, der St. Galler Pantomime Pic, Mummenschanz, Gardi Hutter, zuletzt Ursus & Nadeschkin, Massimo Rocchi, das Duo Fischbach und der Clown Fumagalli. Dass es sich bei dieser illustren Truppe um Nachfolger oder Ersatzleute für das bei Zirkusvorstellungen einst unverzichtbare, inzwischen aber ausgemusterte Nummerngirl handelt, stellt Fredy Knie vehement in Abrede. Giacobbo sei der «Lachenmacher», er spiele den komischen Part im Programm, den früher die traditionellen Zirkusclowns innegehabt hätten. Weil diese immer seltener geworden seien, habe man vermehrt mit Kabarettisten und Kleinkunstschaffenden die Zusammenarbeit gesucht, sagt Knie. Das Zirkuspublikum, davon sei er überzeugt, wolle ein tolles Programm, und es wolle lachen.

Ein Vertrauter in der Manege

Giacobbo folgt mit seinem Auftritt im Zirkus also bereits einer Tradition, die mehrere Jahrzehnte zurückreicht, und doch ist mit seinem Engagement eine neue Stufe erreicht. Zwar waren auch die meisten seiner Vorgänger bereits bekannte Grössen, als sie mit Knie auf Tournee gingen, aber ihre Fangemeinde setzte sich vor allem aus Leuten zusammen, die regelmässige Besucher von Klein- und Kellertheatern waren oder sich generell für Zirkus und Artistik interessierten. Giacobbo nun ist der erste Fernsehstar in der Knie-Arena. Ein klassischer Prominenter des TV-Zeitalters. Dass das funktioniert und Knie mit dem diesjährigen Gast eine gute Hand hatte, spürt man von Anfang an: Das Publikum reagiert schon, wenn es erst irgendwo im weiten Zeltrund die typische Hinz-Stimme oder jene von Debbie Mötteli vernimmt. «Es ist klar, darauf hat man gebaut, dass diese Figuren bekannt sind», sagt auch Giacobbo. Weil der Kontext der Figur Fredi Hinz bekannt sei, könne man eine Nummer machen um die zwei Stutz, die Hinz zuerst im Sägemehl sucht, später schamlos dem Knie-Verantwortlichen abbettelt.

Die Bekanntheit freilich ist es nicht allein. Giacobbo kommt anders daher, er wird anders wahrgenommen als damals ein Dimitri oder ein Emil. Dieser Hinz ist nicht der poetische Träumer, wie Pic es war, er ist kein Emil, der als Kabarettist mit den Tücken der Objekte kämpft, er ist kein Fumagalli, nicht der Clown an sich also. Er ist einer, der unserem Alltag entsprungen ist, dem Alltag vor dem Fernseher nämlich, wo wir ihn während Jahren zu später Mittwochstunde regelmässig angetroffen haben. Ein Vertrauter aus zahlreichen Fernsehabenden hat den Sprung in die Zirkusmanege geschafft. Und auch wenn wir uns nicht gerade mit dem (Ex-)Kiffer Hinz oder der Tussi Debbie identifizieren: Der da im Rampenlicht, das ist einer wie wir, der sich um die Gagel der Tiere im Sägemehl Gedanken macht, eine wie wir, die im grossen Zelt mit den vielen Eingängen und Sitzreihen ihren Platz nicht findet.

Das Publikum ist überall

Nun ist es freilich nicht so, dass Giacobbo einfach Fernsehen im Zirkus macht. Hier zeigt keine Lampe an, welche Kamera gerade auf Sendung ist, das ist neu für ihn, wie er schnell festgestellt hat: «Das Publikum ist überall, man darf deshalb nie an einer Stelle stehenbleiben, man muss immer in Bewegung sein, so dass niemand vergessen geht», sagt er. Eine Herausforderung ist auch, dass er nicht nur Figuren spielt, sondern auch spontan reagieren muss, wie es dieser Figur entspricht. «Wenn man einmal drin ist in der Rolle, dann ist man drin», sagt er, ausserdem kenne ja auch er seine Figuren schon lange. Aber tatsächlich müsse man aufpassen, gewisse Bemerkungen, die einem spontan einfallen, könne man nicht machen. Denn dieser Fredi Hinz hat ja nicht den gleichen Horizont wie Viktor Giacobbo.

Zirkus- und Bühnenerfahrung

Viktor Giacobbos Auftritte sind denn auch nicht blosse eingestreute Nummern, sondern Teil des Zirkusprogramms, entwickelt in Zusammenarbeit. «Wir haben die Zirkuserfahrung, er die Bühnenerfahrung – und natürlich soll der Gastkomiker frischen Wind in den Zirkus bringen. Das geht Hand in Hand», sagt Fredy Knie. Dass Giacobbo und die Familie Knie sich schon lange kennen, empfand man als vorteilhaft, Giacobbo lobt die Bescheidenheit der Knies und ihren Sinn für Selbstironie. «Das ist mir entgegengekommen, in diesem Umfeld fühle ich mich wohl.»

Dass Giacobbo sich unter der weiten Zeltkuppel, auf dem Rücken des Kamels, inmitten der Artisten wohl fühlt, das spürt man seinen Auftritten an. Und das wird auch im Gespräch deutlich. Menschen aus 18 Nationen, die zehn Sprachen sprechen, Auftritte in der ganzen Schweiz, das sei nur mit dem Zirkus möglich, sagt er, das sei einmalig, faszinierend. Er hat sich, so scheint es, schnell eingelebt, die Musik könne er schon auswendig. An ihr orientiert er sich für seine Auftritte. «Spielen die was Falsches, so komme auch ich falsch», lacht er.

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