Viktor Giacobbo

, 25. November 2015, von Mathias Morgenthaler

Die Lachnummer im Chefsessel

Satire als Geschäft Die Volkswirtschaftliche Gesellschaft schenkte sich zum Abschluss ihres 100-Jahr-Jubiläums einen Auftritt von Viktor Giacobbo. Der gab sich Mühe, nicht zu nett zu sein.

Einmal hat sich Urs Berger schon die Finger verbrannt an Viktor Giacobbo. Als die Mobiliar-Versicherung 2008 als Sponsor bei der Late-Night-Show «Giacobbo / Müller» einstieg, erhielt der damalige Firmenchef jede Menge böse Briefe. Was der Mobiliar eigentlich einfalle, «so einen Chabis zu unterstützen», wollten die Empörten damals wissen. Berger liess sich nicht beirren und hielt das Sponsoring vier Jahre lang aufrecht. Nun ging Berger noch einmal ein Risiko ein. Zum letzten Anlass unter seiner Leitung lud der abtretende Präsident der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft des Kantons Bern (VWG) keinen hochdekorierten CEO ins Zentrum Paul Klee ein, sondern einen KMU-Vertreter mit Spezialgebiet Comedy, der von sich sagt, er sei vermutlich der Einzige, der direkt vom Praktikanten zum Verwaltungratspräsidenten aufgestiegen sei.

Wer gehofft hatte, Viktor Giacobbo würde in Bern ein Pointenfeuerwerk zünden oder seine legendären Figuren Harry Hasler, Debbie Mötteli und Fredi Hinz zum Besten geben, wurde gestern Abend enttäuscht. Als er aus dem Publikum aufgefordert wurde, jemanden zu imitieren, entgegnete Giacobbo knapp, er sei heute als Unternehmer da, für alles andere brauchte er eine Extragage. Das klingt plausibel für einen, der sagt, als Satiriker dürfte man den Leuten nicht zu sympathisch sein, das wäre geschäftsschädigend. Aber natürlich lässt sich Unternehmertum und Satire in seinem Fall nie ganz trennen. Denn auch als Unternehmer ist Giacobbo nie um eine Pointe verlegen. Das Casinotheater Winterthur sei die einzige Aktiengesellschaft, die offen zugebe, dass ein Komiker das höchste Amt bekleide, bemerkte er beispielsweise.

Aber bei aller Selbstironie konnte Giacobbo nicht verbergen, dass er stolz ist auf das, was er in den letzten 15 Jahren mit befreundeten Künstlern aus dem maroden Winterthurer Casino gemacht hat. 700 Veranstaltungen stemmt das Haus pro Jahr mit 56 Festangestellten; rund die Hälfte der Events entfällt auf die Sparte Gastronomie, die einen Jahresumsatz von 5 Millionen Franken erzielt. Und die Bühnensparte unter der künstlerischen Leitung des Berners Nik Leuenberger schafft es laut Giacobbo immer wieder, «junge Talente zu entdecken und innovative Formate zu entwickeln». Das Casinotheater sei «der Leuchtturm der Schweiz im Bereich Kabarett», vergleichbar mit der Stellung des Zürcher Opernhauses, resümierte der Präsident ganz ohne Ironiesignale. Das provozierte prompt die Frage aus dem Publikum, was eine Aktie koste und wie hoch die Dividende sei. «Fast hätt ichs vergessen, ich bin ja hier unter Volkswirtschaftern», antwortete Giacobbo und führte aus, die untere Grenze für eine Beteiligung liege bei 10 000 Franken. Im Gegenzug erhielten Aktionäre diverse Ticketvergünstigungen und kämen in den Genuss einer rekordverdächtig kurzen Generalversammlung mit konkurrenzlos gutem Essen im Anschluss. Eine Eigenart des Hauses sei zudem, dass viele Künstler am Theater beteiligt seien und diese Künstleraktionäre über eine höhere Stimmkraft verfügten als die übrigen Teilhaber. Damit könne verhindert werden, dass finanzkräftige Investoren das Theater in ein Warenhaus oder ähnlich verwandeln würden.

Während andere Chefs gerne ein Maximum an Erfolgen für sich beanspruchen, gab sich Giacobbo alle Mühe, seinen Einfluss beim Casinotheater kleinzureden. Er fungiere hauptsächlich als «Grüssaugust», gab er zu verstehen, und er tauge als waschechter Winterthurer natürlich als Aushängeschild. Zudem sei er biografisch schon lange mit dem Casino verstrickt, habe er es in diesem Gebäude doch in jungen Jahren geschafft, dem Militärdienst zu entkommen. Er sehe noch heute das Gesicht des Leutnants vor sich, der ihn damals ungläubig gemustert habe und am Ende zum Schluss gekommen sei, dieser junge Mann stehe unter Drogen. «Damals schlüpfte ich erstmals unbewusst in die Haut des dauerbekifften Fredi Hinz.» Trotz solch schicksalshafter Verbindung mit dem Casino will Giacobbo nicht ewig im Chefsessel bleiben. «Wir Gründer waren schon vor 15 Jahren alt und sind seither nicht jünger geworden», sagte der 63-Jährige. Deshalb brauche es frischen Wind. Wenn er in 10 Jahren noch im Amt sei, sei etwas schiefgelaufen.

Gegen Ende der vergleichsweise ernsthaften Ausführungen wollte die bernische Finanzdirektorin Beatrice Simon dann doch noch wissen, worüber der Satiriker Viktor Giacobbo denn herzhaft lachen könne. Er sei ein eher ernsthafter Mensch und lache sich in seiner Freizeit nicht pausenlos tot, versicherte dieser. Ansonsten sei sein Humor durchaus ordinär: «Wenn Sie nachher hier vor meinen Augen auf einer Bananenschale ausrutschten, fände ich das wahnsinnig komisch.»

2017