Viktor Giacobbo

, 28. Dezember 2016, von Monica Müller und Ralf Kaminski

Der Jahresrückblick und der Abschied von «Giacobbo/Müller»

Die Satiresendung ist zu Ende, aber Viktor Giacobbo und Mike Müller bleiben dem Publikum auf Bühne, Bildschirm und Leinwand erhalten. Ein Gespräch über Freundschaft, Filterblasen, Missen und das satirische Potenzial von Rechtspopulisten. Denn: «Wir haben mit Trump verabredet, dass wir aufhören, falls Trump gewinnt».

Mike Müller und Viktor Giacobbo, 2016 ist zu Ende und damit auch Ihre gemeinsame Satiresendung «Giacobbo/Müller». Werden Sie die regelmässige Zusammenarbeit vermissen?

Viktor Giacobbo: Ich denke nicht, wir sind ja gute Freunde und haben bereits gemeinsame Pläne für die Zukunft. Für die ist es vielleicht sogar befruchtend, wenn wir mal für eine Weile nicht jede Woche neue Ideen aushecken müssen.
Mike Müller: Genau. Jeweils am Ende einer Staffel waren wir schliesslich ganz froh, wenn wir mal zwei, drei Tage nicht miteinander telefonieren mussten…

Giacobbo: …wenn nicht sogar vier oder fünf…

Müller: …dann hatten wir aber Streit, weil es so lange gedauert hat…

Giacobbo: …mehr als acht Tage waren es jedenfalls nie.

Macht es die Zusammenarbeit leichter oder schwieriger, wenn man so gut befreundet ist? Kann man sich eher mal sagen, wenn man etwas vom anderen nicht so witzig findet?

Giacobbo: Wir haben die Kritik institutionalisiert. Es war immer klar, dass man dem anderen sagen konnte, wenn man etwas nicht so gut fand, dann wurde diskutiert. Und wenn das nichts brachte, gab es ein Vetorecht, und die Idee kam nicht in die Sendung.

Kam das öfters vor?

Giacobbo: Nicht häufig, aber es kam vor.

Müller: Während der Sendung selbst nützte es uns enorm, dass wir uns so gut kennen. Da mussten wir manchmal spontan und schnell Entscheidungen treffen, und das konnte jeder von uns quasi blind – im Wissen, dass der andere genau gleich entschieden hätte. Wir sahen einander auch immer an, wenn der andere einen Hänger hatte und konnten schnell einspringen.

Giacobbo: Auch wenn der gerade an etwas anderes dachte, zum Beispiel an den Kühlschrank zu Hause.

Müller: Und das war dann nicht immer nur ich!

Giacobbo: Überhaupt nicht, das hat auch niemand behauptet…

Müller: Doch, doch, das ist wieder typisch, wir sind noch keine fünf Minuten hier und schon…

Giacobbo: …jetzt fühlt er sich gleich wieder angegriffen…

Das Zusammenspiel läuft offensichtlich prima…

Giacobbo: Genau. Es gibt in der Branche natürlich viele talentierte Kolleginnen und Kollegen, aber das gemeinsame Improvisieren funktioniert nicht mit jedem.

Müller: Wir kennen uns ja auch schon lange. Ich bin über «Viktors Spätprogramm» quasi schleichend in die Branche reingekommen…

Giacobbo: …ein blutjunger Newcomer war er. Eigentlich wollte er Schlosser werden, aber ich sagte, nein, werde Kabarettist.

Müller: Er hat mich als Verdingbub aus einem Kohlebergwerk gerettet. Jedenfalls entstand aus der Zusammenarbeit nach und nach eine berufliche Freundschaft und später auch eine persönliche. Mit vielen arbeitet man zusammen, ohne dass eine Freundschaft entsteht. Bei uns hingegen wuchs die Liebe sehr stark über die Jahre.

Giacobbo: Wir haben auch intensiv daran gearbeitet…

Müller: …und wir planen jetzt ein Buch darüber zu schreiben…

Giacobbo: …über Paarberatung. Es hilft auf jeden Fall, wenn man mit der Zeit die Macken des anderen kennt, sympathische wie schwierige.

Wie häufig haben sich Leute bei Ihnen über Beiträge in der Sendung beklagt oder offiziell den SRF-Ombudsmann angerufen?

Müller: Es kam schon regelmässig vor. Wir bekamen dann jeweils eine Kopie des Berichts vom Ombudsmann. In der Regel waren es fundamental-katholische Kreise oder Leute rechts der SVP.

Giacobbo: Oder Minoritätenkreise auf linker Seite.

Und fanden Sie jemals: Hm, doch, das war vielleicht ein bisschen zu heftig?

Giacobbo: Grundsätzlich finden wir es verständlich, dass sich jemand daran stört, wenn wir Witze über ihn machen. Und es kam durchaus vor, dass wir im Nachhinein unzufrieden mit uns waren. Nicht weil wir zu weit gegangen, sondern weil wir zu ungenau waren.

Müller: Wenn man geschludert hat, muss man das auch eingestehen können. Die Schweiz ist in diesen Dingen aber zum Glück sehr liberal, Satiriker geniessen grosse Freiheiten.

Letzten Frühling hat die Trans-Community sich medienwirksam über einen Beitrag beklagt – wie beurteilen Sie die Sache nun mit etwas Abstand?

Giacobbo: Wir betonen immer, dass wir mit dem Beitrag nicht auf Transmenschen gezielt haben, sondern auf die SP-Frauen, die ihren Namen neu mit einem * ergänzten, um ihre Offenheit gegenüber Transmenschen zu signalisieren. Dabei verwendeten wir ein paar zu saloppe Ausdrücke, wie wir danach auch selbst fanden.

Müller: Was wir aber auch korrigiert haben.
Giacobbo: Jedenfalls gab es ein kleines Shitstörmli, weil diese Community sehr gut vernetzt ist; es meldeten sich aber auch einige von ihnen, die fanden, sie hätten schon auch lachen müssen. In einer späteren Sendung hatten wir dann eine tolle Transfrau als Gast, die sich mit viel Humor gut geschlagen hat.

Müller: Und die das Sternchen einigermassen bescheuert findet.

Giacobbo: Wir fanden es darüber hinaus bemerkenswert, dass etwas anderes offenbar niemandem aufgefallen ist: Diese Minderheit scheint lediglich bei den SP-Frauen willkommen zu sein. Würde die Partei Transmenschen richtig ernst nehmen, müsste sie doch den Hauptnamen mit einem Sternchen schmücken, also SP*, nicht?

Der Sender, für den Sie neun Jahre gearbeitet haben, steht politisch unter Druck. Wie erleben Sie das?

Giacobbo: Mike, sag doch da mal was Gutes.

Müller: Dafür brauchen wir dann aber schon zwei Stunden… Interessant ist ja, dass ausgerechnet die Zeitungsverleger, die sich zunehmend auf Autoverkaufsanzeigen im Internet verlegen, so eifrig gegen die SRG schiessen. Aber schon klar, der Sender muss sich überlegen, wie er sich im Zeitalter der Digitalisierung positionieren und verändern muss. Wir hatten eigentlich nie den Eindruck, dass wir bei einem Sender arbeiten, der mit Geld um sich wirft – das gilt übrigens auch für «Der Bestatter», der trotz Schweizer Löhnen 10 bis 20 Prozent günstiger produziert wird als vergleichbare Formate in Deutschland.

Giacobbo: Auch publizistisch kann man die SRG gut in Schutz nehmen: Der Sender ist politisch nun wirklich ausgewogen. Es klagen immer regelmässig beide Seiten, die Beiträge seien zu einseitig – solange das der Fall ist, macht man dort definitiv etwas richtig. Und wir konnten eh immer tun, was wir wollten, sogar unsere eigenen Chefs namentlich kritisieren. Ich kenne keinen anderen Medienbetrieb in der Schweiz, der so liberal ist, ganz sicher nicht Ringier, Tamedia, NZZ oder die Wanner Medien.

Wie informieren Sie sich?

Giacobbo: Ich lese die wichtigsten Schweizer Tageszeitungen, zusätzlich noch elektronisch den britischen «Guardian», die «New York Times», den «Spiegel», ich schaue auch TV-Newssendungen.

Müller: Das gehört ein Stück weit zum Job, ich lese zusätzlich noch «Die Zeit» und höre auch gerne die Informations- und Talkssendungen von Radio SRF.

Giacobbo: Das Schöne ist, dass sich hier persönliche Interessen und Arbeit praktisch komplett überschneiden.

Müller: Man kann seine Newsjunkie-Beschäftigung immer als Arbeit rechtfertigen.

Der Medienkonsument hält ja vermehrt nur noch das für wahr, was dem eigenen Weltbild entspricht – der Rest ist «Lügenpresse». Erleben Sie das auch so?

Giacobbo: Ein bisschen macht das ja jeder. Mich interessiert aber schon, was die «Weltwoche» findet oder Erdogan oder Trump. Die Tendenz zu Filterblasen und zu fake news finde ich aber tatsächlich erschreckend.

Müller: Wir sind natürlich auch ältere, konservative Mitgenossen und zahlen noch für unsere Medien. Klar bin ich auch auf Facebook, käme aber nie auf die Idee, mich ausschliesslich darüber zu informieren, das wäre mir viel zu einseitig. Ausserdem gibt es noch immer Medienmarken, die für etwas stehen, auch wenn der Print unter Druck steht und die Qualität teilweise sinkt. Aber selbst, wenn man sich so informiert, wie wir das tun, muss man aufpassen, dass man nicht in einer Blase landet. Die elektronischen Medien haben dieses Risiko erhöht.

Linke und Liberale befanden sich wohl 2016 in einer solchen Blase – die meisten wurden vom Brexit und Doland Trumps Wahlsieg völlig überrascht. Satiriker wiederum dürfen sich auf eine Menge fantastisches Material freuen. Wie blicken Sie als linksliberale Satiriker auf das Jahr zurück?

Giacobbo: Klar sind Leute wie Trump für uns attraktiv. Auch ich lese jede Nachricht darüber, welche furchtbare Figur er nun wieder in sein Kabinett geholt hat. Auf der anderen Seite empfinde ich die politische Entwicklung als wirklich bedenklich. Wir stammen noch aus einer Zeit, in der man sich links oder rechts einordnete, aber diese Kategorien verlieren zunehmend an Bedeutung. Ich kann auch mich selbst nicht mehr so leicht wie früher der einen oder andern Seite zuschlagen. Populismus kommt von ganz links genauso wie von ganz rechts, und der Kampf um den Büezer ist voll entbrannt, obwohl es von denen gar nicht mehr so viele gibt.

Müller: Man sagt ja immer, dass krasse Zeiten oder ein gemeinsamer starker Gegner gut sind für die Satire. Und das stimmt natürlich auch. Andererseits muss man auch gestehen, dass einem bei jemandem wie Trump nach zwei, drei Monaten dann auch nicht mehr so viel Neues einfällt. Man kann sich nicht ewig über ihn lustig machen.

Und in der Schweiz? Man könnte ja argumentieren, dass wir mit der rechtspopulistischen Erweckung schon reichlich Erfahrung haben, die nun andere Länder erfasst und erschreckt.

Giacobbo: Da gibt es schon Unterschiede. Die SVP ist in der Schweiz ziemlich gut in die Institutionen eingebunden, auch wenn sie immer wieder mal verbal randaliert. Die Partei hat bei uns einiges absorbiert, was in anderen Ländern nun Gefahr läuft, ausser Kontrolle zu geraten.

Müller: Das hat sie selbst ja auch immer betont.

Giacobbo: Hinzu kommt, dass wir mit der direkten Demokratie ein grosses Korrektiv haben. Es kann sich einfach nicht so viel aufstauen, wie in Ländern, wo grosse Bevölkerungsschichten nur geringe Mitsprache haben.

Müller: Und die SVP ist Teil der Elite dieses Landes, auch wenn sie das bestreitet. Sie hat zwei Sitze in der Regierung, stellt 30 Prozent der Richter. Das ist schon ganz anders als bei der FPÖ oder Marine Le Pen. Immerhin lässt sich sagen: In ganz Europa sind derzeit nationalistische Tendenzen im Aufwind, von daher sind wir gute Durchschnittseuropäer.

Aber es ist schon ein ungünstiger Moment, um Ihre Sendung zu beenden, oder? Es gäbe soviel Material.

Müller: Wir haben mit Trump verabredet, dass wir aufhören, falls er gewinnt…

Giacobbo: Es gibt nie schlechte Zeiten für die Satire. Es passiert immer etwas, das man verwerten kann.

Fällt es leichter, solche Entwicklungen mit Humor zu nehmen, wenn man Komiker ist?

Giacobbo: Humor hilft in jeder Lebenslage, auch um sich und seine Situation objektiver zu sehen, quasi von aussen. Das ist häufig eine Erleichterung.

Müller: Als Komiker nimmt man sich vielleicht nicht so ernst, aber man wird nicht zwingend vom Pessimisten zum Optimisten.

Giacobbo: Nein, aber Humor ermöglicht uns, einige Leute mit etwas Witz bei ihrem Tun zu stören.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie andere zum Lachen bringen können?

Giacobbo: Ich habe das schon in der Schulzeit entdeckt, wo ich gerne Lehrer imitiert und rasch gemerkt habe, dass ich mit meiner frechen Schnurre weiter komme als mit Fussball oder Handball.

Müller: Auch bei mir waren es Lehrer-Imitationen. Den Französischlehrer nachahmen, während man mit ihm spricht und ohne dass er es merkt – sowas kommt an. Es geht natürlich auch darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Unser Job hat auch etwas damit zu tun sich auszustellen, das braucht eine gewisse Eitelkeit.

Giacobbo: Wir sind Rampensäue.

Sie werden ja auch nicht einfach verschwinden. Mike Müller ist ab 3. Januar wieder als «Bestatter» zu sehen. Und ab 2018 haben Sie ein gemeinsames Bühnenprojekt. Was erwartet uns da?

Giacobbo: Ein Theaterstück, in dem wir uns und die Sendung «Giacobbo/Müller» thematisieren, deren Verlust uns angeblich zu schaffen macht. Es wird auf einer Meta-Humorebene spielen, mit etwas Medienkritik und ein paar Elementen aus der Sendung, einfach live.

Sie planen ausserdem zwei Filme, Viktor Giacobbo?

Müller: Ja, das erzählt er allen. Dass er einen Film macht. Ich bin halt nur Seriendarsteller. Fiuum heisst das übrigens richtig, Fiuum.

Giacobbo: Ok, ich mache einen Fiuum. Einen Dok-Film im Stil von «Der grosse Kanton» und eine Politkomödie. Viel mehr kann ich noch nicht sagen.

Weil das unser Jahresend-Gespräch ist…

Müller: … wollt ihr unsere Vorsätze wissen?

Giacobbo: Mit denen habe ich schon viele enttäuscht.

Nein, eher allgemeiner: Was wünschen Sie sich selbst, der Schweiz, der Welt fürs 2017?

Giacobbo: Auf diese Frage kann man doch nur mit Banalitäten antworten: Friede, Fortschritt, Glück, Liebe. Mir noch viele tolle Frauen. Geld.

Müller: Kalorienfreie Mayonnaise…

Das war jetzt Ihr Missen-Moment.

Giacobbo: Freedom for the world! (lacht)

Müller: Wie im Film von Roger Moore…

Giacobbo: Was? Nein, das ist der Bond-Darsteller. Du meinst Michael Moore.

Müller: Ja, genau. Der hat doch einen Dok-Film über Schönheitsköniginnen gemacht, wo er sie was Ähnliches gefragt hat. Die hatten dann ebenso Tiefgründiges zu sagen.

Geht’s jetzt ab in die Ferien?

Müller: Ich nehme mir eine Auszeit für zweieinhalb Monate. In der Zeit möchte ich ein neues Solo-Programm schreiben. Mit 30 Sendungen «Giacobbo/Müller» und sechs Folgen «Bestatter» pro Jahr war das nicht machbar. Diese Freiheit nutze ich nun aus.

Verraten Sie, wohin die Reise geht?

Müller: Nein.

Giacobbo: Ich weiss es, ich sage es Ihnen gegen ein fettes Honorar.

Machen Sie auch eine Pause?

Giacobbo: Vielleicht spanne ich mal ein paar Tage aus, bin konzentriert faul und lese. Aber ich habe noch ein paar Auftritte, etwa am Humorfestival Arosa. Und dann überlege ich mir, an welches Projekt ich mich als erstes mache. Ich habe auch noch zwei Kurzaufenthalte im Ausland geplant.

Müller: Einkaufen in Konstanz?

Giacobbo: Genau! (lacht) In einem Einkaufszentrum, wo es nur Schweizer hat, die dann sagen: Ha, Herr Giacobbo, Sie sind auch da!

Ernsthaft: Sie können sich wohl schwer durchs Land bewegen, ohne erkannt zu werden?

Giacobbo: Man kennt uns natürlich. Aber man kann das selbst auch ein bisschen steuern.

Wie?

Giacobbo: Ich esse beispielsweise nicht alleine abends in einem Lokal.
Müller: Es kommt auch sehr auf den Wochentag und die Uhrzeit an. Tagsüber kann ich zum Beispiel gut in der Migros am Limmatplatz einkaufen. Sagt mir dann eine Kassiererin, sie sei aus Syrien, ihr 12-jähriger Sohn sei ein Fan unserer Sendung und bei ihnen zuhause sei Politik ein grosses Thema – dann ist das eine schöne Begegnung.

Sind sie das meistens?

Giacobbo: Ja, die Leute sind nur selten aufdringlich.
Müller: Etwa wenn Alkohol ins Spiel kommt. Und die Jungen machen gerne Selfies mit uns. Sie sind vielleicht schon manchmal aufdringlich – aber sehr ehrlich. Da machen wir gerne mit.

Giacobbo: Sehr viele Junge in ihren 30ern sagen mir, sie seien mit meinen Sendungen aufgewachsen, und haben sich so für Politik zu interessieren begonnen – das ist doch ein schönes Kompliment.
Müller: Als Komiker ist man diesbezüglich ohnehin verwöhnt. Man muss auch aufpassen, dass man das nicht immer alles zum Nennwert nimmt.

2017