Viktor Giacobbo

, 7. April 2018, von Stefan Busz

Das Schönste ist die Pause

Die Bühne, die man ihnen einst im Fernsehen für die Late-Night-Show bereitete, gibt es nicht mehr: Weg sind die Sessel, weg das Pult, weg ist auch die Kaffeemaschine, weg das ganze Glanz-und-Gloria der TV-Unterhaltung. Im leeren Raum stehen Viktor Giacobbo und Mike Müller jetzt im Theater, der Auftritt bedeutet die Rückkehr der TV-Komiker. Da gibt es nichts, an das sie sich halten könnten, ausser natürlich: an sich selber. Ein Schrägstrich scheint aber zwischen ihnen zu stehen, der alles trennt, was sie vorher verbunden hat. Und da können sie noch so ihre alte Show abziehen.

«Giacobbo/Müller in Therapie» heisst ihr Stück, das am Donnerstag im Casinotheater Winterthur Premiere hatte. Der Titel steht für den Bruch der Wahrnehmung. Wer zu lange Fernsehen gemacht hat, hat keine Ahnung mehr vom Publikum, das ist zumindest die These. Dominique Müller, der Schauspieler und Regisseur, gibt hier den Therapeuten. Er sagt, wir bekämen einen intimen Einblick in zwei Karrieren, die neu justiert werden müssten. TV-Komiker gelten im Theater noch immer als Parias. Dominique Müller arbeitet an ihrer Reintegration.

Aufstand der Komparsen

Das ist natürlich Quatsch, es geht um etwas anderes. Dominique Müller hat in ein paar Sketches für «Giacobbo/Müller» mitgemacht, an seiner Seite ist im Stück der Bassist Daniel Ziegler, ebenfalls ein «Giacobbo/Müller»-Hintergrund-Mann. Die beiden proben den Aufstand der Komparsen: Sie blasen sich auf vor Wichtigkeit und versuchen, die Fäden in die Hand zu bekommen. Viktor Giacobbo und Mike Müller sollen hier dastehen als recht traurige Figuren, die nichts anderes können, als Giacobbo/Müller in Pension zu sein.

Die beiden machen das traurige Spiel am Anfang mit, es heisst: Sehnsucht nach Vergangenheit. Und wenn Giacobbo und Müller behaupten, ohne ihre Show glücklich sein zu können, sehen sie immer noch in jedem Rotlicht das Zeichen für die laufende Kamera, auch mitten auf der Strasse. Sie sind völlig weg vom TV-Fenster.

Das allerbeste Theater

Schritt für Schritt erobern Mike Müller und Viktor Giacobbo ihre Bühne zurück. Klar, die beiden haben ja das Stück selber geschrieben. Bald stehen zwei Sessel aus dem «Giacobbo/Müller»-Studio auf der Bühne, die Kaffeemaschine kommt auch hinzu. Und schon sind die alten Figuren wieder da. Perücken auf, und ab gehts in die Vergangenheit. Das Publikum bekommt noch einmal Fredi Hinz und Hanspeter Burri.

Doch die Figuren werden auf einmal zu anderen, sie spielen sich in das Leben von Giacobbo und Müller hinein, als hätten sie von ihnen Besitz ergriffen. Jetzt könnte es theoretisch kompliziert werden. Die Frage lautete: Wer bin ich, und, wenn ja: in wie vielen Rollen? Aber da können Giacobbo und Müller noch so kompliziert in ihrem Stück tun: Es ist eigentlich ganz einfach Theater. Und so ziemlich das beste, das die beiden je gemacht haben. Regisseurin Brigitt Maag trägt das ihre dazu bei, sie kennt sich mit dem Mechanismus von Komödien aus.

Drinnen und draussen

Das Schönste an diesem Theater ist die Pause. Denn sie verändert alles. Da läuten Dominique Müller und Daniel Ziegler nach einer Stunde die Pause ein, ihr Theater geht ohne Pause nicht. «Wir bleiben auf der Bühne», sagen aber Viktor Giacobbo und Mike Müller, das Publikum solle doch bitte nach draussen gehen, es gebe Glace und so. Natürlich bleibt das Publikum noch ein bisschen im Saal, schliesslich könnte auf der Bühne noch etwas passieren.

Aber da passiert gar nichts. Giacobbo und Müller stehen einfach da und sagen dies und das. Nach fünf Minuten steht der erste Promi auf, die anderen Promis folgen samt einem grossen Teil des Nicht-Promi-Publikums Richtung Cüpli, Zigis und Toiletten. Giacobbo und Müller stehen dann immer noch auf der Bühne, sie machen sich einen Kaffee, trinken Wasser, schauen in die leeren Ränge. Sie schauen auch zu, wie das Publikum wieder in den Saal kommt.

Auch die Zuschauer sind in Therapie

So bespielen Viktor Giacobbo und Mike Müller nach der Pause, die für sie keine war, den ganzen Raum und zeigen, wie gross ihr Theater sein kann: Es geht über die Zeit hinaus und hält sich an keine Regeln. Von nun an wird gepowert. Mike Müller ist in Hochform, Viktor Giacobbo spielt über sich hinaus. Die beiden zeigen jetzt eine grosse Leichtigkeit in diesem Spiel, dass es eine grosse Freude ist: für uns und für sie. Denn sie stehen wieder im Zentrum: «Wir haben am liebsten, wenn es um uns geht.»

Bald merkt das Publikum, dass es in diesem Theater eigentlich auch in Therapie ist. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen: Da können auf der leeren Bühne zwei Menschen stehen, der eine schaut zu, was der andere macht – und schon ist das Theater. Auf einmal geht eine Welt auf, die grösser ist als die von «Giacobbo/Müller». Und die von der Möglichkeitsform erzählt, die TV-Komiker auf der Bühne haben. Viktor Giacobbo und Mike Müller haben ihre Chance genutzt. Ihre Rückkehr ist ein Triumph.

2017