Viktor Giacobbo

, 5. Juli 2005, von Daniele Muscionico

Blowing in the wind – Choralkantate für Cannabis

Fredi Hinz ist zurück, «unstoned» (fast) – ein Hörbuch

 

Zwei Jahre mussten wir auf ihn warten, und es hat sich gelohnt. Ob er sein Time-out als Proband einer Studie über die Cannabis-Behandlung bei Migräne genutzt oder in Nepal den Hausbau mit Thermo-Hanf evaluiert hat, bleibt wohl ewig ein Gerücht. Fredi Hinz jedenfalls, nach Polo Hofer der Schweiz liebster Kiffer, meldet sich zurück, frisch zugedröhnt, mit einem Hörbuch von bewusstseinserweiternder Wirkung. Man darf hier also durchaus von einem Integrationserfolg eines kreativen Randständigen berichten; die CD ist ein Geschenk für alle, die sich nicht nur zur Weihnachtszeit als Christenmenschen fühlen wollen.

«Fredi Hinz unstoned» nennt sich der Diskussionsbeitrag aus einer Welt, die wir Nüchternen nur zu gerne marginalisieren: die Existenz jener, die an der Hand ihres Gassenarbeiters auf den Strassen des Lebens unterwegs sind. Dass sie, die Sozialarbeiter, im Grund eine Schweizer Erfindung sind und Tellensöhne allesamt («Aus dieser hohlen Gasse . . .»), lernen wir bei Hinz. Und wenn bereits im ersten Kapitel ein solches Exemplar zu Wort kommt – in den Worten von Viktor Giacobbo -, begreifen wir zudem, dass «Sozialarbeitergesülz» (Fredi Hinz) die rezeptfreie Alternative zu Valium ist. Das ist, nach lediglich fünf Minuten Genuss, unser erster Erkenntnis-Flash. – Der zweite folgt dem ersten auf dem Fuss, der naturgemäss ein schlecht durchbluteter ist: Fredi Hinz enttäuscht uns auch nach seinem temporären Rückzug ins Private nicht und tritt Hinz-gemäss «stoned» vor sein Publikum. Sein Manager Giacobbo freilich will das Leitmotiv der CD – «stoned» beziehungsweise das Gegenteil – mit einem ethischen Imperativ verbunden wissen, nämlich Hinz nicht zu «steinigen», ihn nicht auf seinen Haschkonsum reduzieren zu wollen. Das wäre in der Tat ein Missverständnis, genehmigt er sich doch bekannterweise vom Meerschweinchenheu bis zum Fliegenpilz die vielfältigsten Stimmungsaufheller.

Hinz hat sich für seine Wortmeldungen auf kompakter Disc viel, vielleicht zu viel vorgenommen. Er politisiert zu aktuellen Themen, unterhält sich mit Jean Ziegler (Walter Andreas Müller) und Peter Bichsel (Mike Müller) oder hält eine bildungsbürgerliche Totenwache – während deren er das bekannte Öko-Gedicht «Gefunden» von Goethe selig fleddert. Dass Hinz das Blümchen des Weimarer Geheimrats indes vertrocknen lässt, hat gewiss mit dem pathologischen Selbsthass der Randständigen zu tun. Doch glücklich ist, wer sich selbst dafür hält: Hinz weiss sich zu helfen, er wird den welken Lyrismus in seine Pfeife stopfen und rauchen . . .

Es ist hier nicht der Protagonist, der uns nachdenklich stimmen muss. Bedenklich ist die Verfassung von Peter Bichsel mit der Stimme von Mike Müller, der vor seiner eigenen Sprachlosigkeit kapituliert. Mag er uns zwar mit unerwarteten musikhistorischen Einsichten überraschen («Mick Jagger ist der Willi Ritschard des Rock’n‘ Roll . . .»), Bichsels Nihilismus besitzt mittlerweile eine Nietzschesche Dimension. Wenn Fredi Hinz ihm für den Fortsetzungsband nicht ein, zwei Magic Mushrooms über den Tisch schieben wird, ist für den Freund des Rebensaftes mit dem Schlimmsten zu rechnen.

Viktor Giacobbo: Fredi Hinz unstoned. Verlag Kein & Aber, Zürich 2005. Fr. 22.-.

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