Viktor Giacobbo

, 6. September 2015, von Alois Feusi

Beste Freunde und ein Höllenhund

Mit «Alonso», einem von Viktor Giacobbo eingeschweizerten Stück des österreichischen Kabarettisten Stefan Vögel, startet das umgebaute Casinotheater Winterthur in die neue Spielsaison.

Der Hund sei des Menschen bester Freund, sagt der Volksmund. Das mag zutreffen. Wenn er aber so klug und instinktsicher ist wie der mexikanische Nackthund Alonso, kann er durchaus auch Freundschaften beenden. – Das heisst, so richtig beste Freunde, wie sie einander mit penetranter Regelmässigkeit bestätigen, sind die Ehepaare Schultheiss und Walk eigentlich nicht. Anfangs ahnen sie dies höchstens, aber im Verlauf der eineinhalbstündigen Beziehungskomödie «Alonso» im frisch umgebauten Casinotheater Winterthur werden Gewissheiten demontiert, bröckeln Fassaden und brechen Abgründe auf, dass es ein Graus ist.

Das Personal des von Viktor Giacobbo inszenierten und eingeschweizerten Stücks des österreichischen Kabarettisten Stefan Vögel setzt sich zusammen aus einem Professoren-Geck kurz vor dem Aufstieg zum Chef des Instituts für vergleichende Sprachwissenschaften (Max Gertsch) samt auf spiritueller Sinnsuche befindlicher Ehefrau (Tamara Cantieni) sowie einem etwas schusseligen mittleren Angestellten und Hobbykoch (Dominique Müller) und dessen gleichfalls gelangweilten Ehefrau (Anne Hodler) und heimlichen Geliebten des Institutsleiters in Spe.

Max Gertschs aufgeblasener Intellektueller schreit von der ersten Minute an nach einer saftigen Ohrfeige. Einen Narzissten wie ihn kennt praktisch jeder, genauso wie Anne Hodels ach so brave Hausfrau, die einen ganz fürchterlichen Terror aufziehen kann. Tamara Cantienis leicht trashige Provinzschönheit, die um jeden Preis einen Professor haben wollte und einen Frosch kriegte, mutiert erschreckend heftig zum furiosen Racheengel mit Domina-Touch. Wenn diese Blicke tatsächlich töten könnten, wäre es schlimm bestellt um die Zuschauer in den vorderen Reihen. Dominique Müller schliesslich gibt den behäbigen, selbst beim Schimpfen und Poltern durch und durch harmlosen Biedermann. So eine Figur braucht’s bei so viel Falschheit, auch wenn er es gleichfalls faustdick hinter den Ohren hat.

Das Quartett trifft sich regelmässig bei den Walks zum Nachtessen und lässt sich vom Gehörnten bekochen. Dabei spritzen kleine Gifteleien hin und her, die Paare gehen sich gegenseitig auf den Wecker, und viel zu sagen hat man einander auch nicht. Aber irgendwie sind diese Abende zu Viert doch recht angenehm – bis dann Alonso ins Spiel kommt, ein kastrierter Rüde der 3500 Jahre alten Rasse Xoloitzcuintle . Die gibt es tatsächlich; ausgesprochen wird ihr Name Scholoitz-kuint-li.

In der Mythologie der Azteken begleiten diese Tiere mit dunkler ledriger Haut die Seelen der Toten auf dem Weg ins Jenseits. «Höllenhunde» nennt sie der Professor und beweist damit einmal mehr sein ach so bewundernswürdiges Allgemeinwissen. Als ein solcher entpuppt sich Alonso in einem gnadenlos bösen Showdown mit überraschenden Wendungen tatsächlich. Der Xoloitzcuintle führt die beiden Ehepaare gewissermassen als tierischer Lügendetektor in eine emotionale Hölle und das Publikum durch ein starkes Stück klamaukfreies Boulevard-Theater: Ein schöner Start in die neue Spielsaison des «neuen» Casinotheaters.

Casinotheater Winterthur, 3. September. Weitere Aufführungen bis 3. Oktober.

2017